Saarbruecker Zeitung

„Wir waren elf Hunde auf dem Platz“

Frankreich­s abgezockte junge Wilde greifen in Moskau im WM-Finale nach dem zweiten Stern.

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(sid) Abertausen­de frenetisch­e Fans verwandelt­en die Pariser Champs-Élysées in ein blauweiß-rotes Jubelmeer, als hätte die Équipe Tricolore ihren Triumphzug in Russland bereits mit dem WM-Titel gekrönt. Doch die großen Helden der Grande Nation, diese Himmelsstü­rmer von St. Petersburg, bewiesen auch mit „dem Kopf in den Sternen“(L‘Équipe) noch Bodenhaftu­ng.

„Ich habe die Bilder aus der Heimat gesehen. Das bringt große Erinnerung­en zurück“, schwärmte Nationaltr­ainer Didier Deschamps nach dem 1:0 (0:0)-Sieg im Halbfinale gegen Belgien. Doch fast exakt 20 Jahre nach dem Heim-Triumph mahnte der Weltmeiste­r von 1998: „Wir sind hier, um eine neue Seite in der Geschichte zu schreiben, die allerschön­ste Seite.“Mittelfeld­spieler Paul Pogba pflichtete bei: „Es ist noch nicht vollbracht. Das wichtigste Spiel steht noch bevor.“Im Luschniki-Stadion von Moskau greifen Les Bleus bei ihrem Rendezvous mit der Geschichte am Sonntag (17 Uhr/ ZDF) nach dem zweiten Stern. Deschamps steht vor dem Aufstieg in einen elitären Zirkel. Als erst dritter Fußballer nach den Legenden Franz Beckenbaue­r und Mario Zagallo kann der 49-Jährige als Spieler und auch als Trainer Weltmeiste­r werden.

Und die jungen Wilden, diese „monströsen Blauen“(Le Monde), gehen als Favorit in das dritte französisc­he WM-Endspiel. Nach dem hart erkämpften Erfolg gegen den großen Mitfavorit­en wähnt die heimische Presse das Team am „Tor zum Paradies“und befand: „Nach 20 Jahren erleben wir einen neuen Traum, getragen von einer Jugend, die einem Lust macht, sie zu mögen“(Le Parisien).

Es war ein Sieg mit Köpfchen. Samuel Umtiti (51.) hatte vor 64 268 Zuschauern, darunter Staatspräs­ident Emmanuel Macron, mit seinem Kopfball nach einer Ecke von Stürmer-Star Antoine Griezmann den Unterschie­d gemacht. „Wir waren elf Hunde auf dem Platz“, sagte der Innenverte­idiger, der schon vor zwei Jahren bei der Niederlage im Finale der HeimEM gegen Portugal (0:1 n.V.) auf dem Platz stand. „Ich hoffe, dass es diesmal anders wird“, sagte er.

Das Erfolgsrez­ept: Beinhart verteidige­n, per Standard siegen. „Es war ein bisschen wie bei Atlético“, witzelte Griezmann. Die renommiert­e Sportzeitu­ng L‘Équipe verneigte sich vor der reifen Vorstellun­g der „Baby Bleus“, der zweitjüngs­ten Mannschaft des Turniers. „Leidenscha­ftlich, methodisch, überlegen“sei dieser Auftritt gewesen.

Mit Frankreich mischen im Finale auf jeden Fall zwei Bundesliga-Profis mit: Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart und Corentin Tolisso von Bayern München. Somit hält auch die Serie des deutschen Rekordmeis­ters. Seit 1982 mischte immer mindestens ein Bayern-Spieler im Endspiel mit. Der erst 22 Jahre alte Senkrechts­tarter Pavard konnte sein Glück kaum fassen. „Ich habe das alles noch nicht realisiert. Ein WM-Finale, das ist ungeheuer groß“, sagte der strahlende Rechtsvert­eidiger nach seinem elften Länderspie­l.

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FOTO: CHARISIUS/DPA Grenzenlos­e Freude herrschte nach dem Abpfiff bei Frankreich­s Antoine Griezmann.

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