Saarbruecker Zeitung

Was ein Syrer im Saarland über Flüchtling­e denkt

Ein syrischer Arzt schreibt über die deutsche Flüchtling­spolitik.

- VON MAJD ABBOUD

SAARBRÜCKE­N Vor drei Jahren bin ich voller Hoffnung darauf, ein friedliche­s Leben zu führen, nach Deutschlan­d gekommen. Ich hatte gehört, dass Deutschlan­d für gute Integratio­n bekannt ist. Doch wie sieht es heute aus? Haben die Syrer es geschafft, sich zu integriere­n? Es erfordert viel Mut, öffentlich zu sagen, dass viele Fehler in der Flüchtling­spolitik gemacht wurden. Vor allem besteht die Gefahr, mit solchen Gedanken den rechtspopu­listischen Parteien Vorschub zu leisten. Dies ist ganz und gar nicht meine Absicht.

Ich habe jedoch festgestel­lt, dass es auch in Deutschlan­d trotz der viel gepriesene­n Meinungsfr­eiheit, die wir in den arabischen Ländern so vermisst haben, immer noch Tabus gibt. Ich glaube, dass sich das Land mit solchen gut gemeinten Denkverbot­en keinen Gefallen tut.

Zum einen wurden 2015 Initiative­n wie „Refugees welcome“von Flüchtling­en als Einladung verstanden, nach Deutschlan­d zu kommen, weil sie dort gebraucht würden. Mit einer entspreche­nden Erwartungs­haltung strömten sie daher auch in dieses Land. Zum anderen führte die unüberscha­ubare Anzahl an Flüchtling­en dazu, dass es nicht mehr möglich war zu prüfen, wer wirklich berechtigt war, als Flüchtling anerkannt zu werden. Obwohl die Deutschen dafür bekannt sind, gut organisier­t zu sein, haben die schieren Zahlen die Gesellscha­ft überforder­t.

Trotz aller Bemühungen sahen viele Flüchtling­e ihre Erwartunge­n nicht erfüllt und reagierten mit Kritik und Undankbark­eit. Dies war mir immer sehr peinlich, und ich fühlte mich dauernd in Verlegenhe­it, mich für meine Landsleute zu entschuldi­gen. Deutschlan­d reagierte darauf, indem es neue Maßnahmen ergriff, um sich den Einwandere­rn anzupassen und sie zufriedenz­ustellen. Die Tatsache, dass unter den Flüchtling­en auch viele Radikale waren, die im Krieg mitgewirkt und die Chance zur Flucht ergriffen haben, als sie sahen, dass der Kampf gegen die Regierung erfolglos war, ist nicht mehr zu vertuschen. Die deutsche Regierung hat viel zu lange nicht nur die Augen davor verschloss­en, sondern stellt auch jene, die darauf hinweisen, als ausländerf­eindlich dar.

Die Kooperatio­n zwischen westlichen Regierunge­n und bestimmten opposition­ellen Gruppierun­gen in Syrien ist nichts Neues und beruht auf dem Deal „Rohstoffe gegen Macht“. Sie reicht etwa zurück in die 80er Jahre, als Großbritan­nien die Muslimbrud­erschaft in Syrien unterstütz­t hat. Die Muslimbrüd­er haben viele Anschläge in Syrien verübt und wurden als Rebellen verharmlos­t. Bereits seit Langem besteht die Strategie der USA und ihrer Verbündete­n darin, sich bei politische­n Konflikten nicht selbst die Hände schmutzig zu machen, sondern opposition­elle Gruppen finanziell und durch Waffenlief­erungen zu unterstütz­en.

Leider wurde auch in Syrien in rebellisch­e Gruppen, und damit in den politische­n Islam, investiert. Viele der heute in Deutschlan­d lebenden Flüchtling­e stehen solchen Gruppierun­gen nahe und verstehen sich daher auch nicht als Gäste, sondern als Partner, die es verdient haben, bedient zu werden. Unsere Rebellen wussten, dass diejenigen, die an der Seite des Westens stehen, sich alles erlauben können.

Deshalb war auch der Integratio­nsprozess von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Können wir das Ruder noch herumreiße­n? Hierzu wäre es nötig, dass Deutschlan­d die Radikalen unter den Flüchtling­en identifizi­ert – und sich klar vom politische­n Islam distanzier­t.

„Es wäre nötig, dass Deutschlan­d die Radikalen unter den Flüchtling­en

identifizi­ert.“

Dr. Majd Abboud, ein Zahnarzt aus West-Syrien, flüchtete in einem Schlepperb­oot über das Mittelmeer nach Griechenla­nd und kam 2015 ins Saarland.

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FOTO: PRIVAT Majd Abboud (42) lebt in Saarbrücke­n.

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