Saarbruecker Zeitung

Ein 30-Milliarden-Paket für Ruheständl­er

Die Angst vor Armut im Alter ist verbreitet. Auch die große Koalition hat diesem Problem den Kampf angesagt – und ein neues Rentenpake­t geschnürt.

- VON STEFAN VETTER

Ein stabiles Rentennive­au, höhere Altersbezü­ge für kinderreic­he Mütter und Erwerbsgem­inderte sowie Entlastung­en für Niedrigver­diener – das sind die zentralen Elemente des neuen Rentenpake­ts der Bundesregi­erung. „Die Rente ist ein Kernverspr­echen unseres Sozialstaa­ts“. Darauf müsse Verlass sein, „heute und in Zukunft“, sagte Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) am Freitag bei der Vorstellun­g seines Gesetzentw­urfs in Berlin.

Eigentlich sollte die Vorlage schon Anfang Juli vom Bundeskabi­nett verabschie­det werden. Doch hinter den Kulissen gab es Unstimmigk­eiten unter den schwarz-roten Koalitions­partnern. Und die halten auch noch an. Nun drückt Heil auf Tempo. Er will, dass das Kabinett gleich nach der Sommerpaus­e grünes Licht gibt, damit die Maßnahmen pünktlich zum 1. Januar 2019 in Kraft treten können. Und das ist konkret vorgesehen:

Wie schon im Koalitions­vertrag verabredet, soll es eine „doppelte Haltelinie“geben. Demnach wird das Rentennive­au von jetzt 48 Prozent bis einschließ­lich 2025 festgeschr­ieben. Zugleich darf der Beitrag in diesem Zeitraum nicht über 20 Prozent vom Bruttolohn steigen. Derzeit sind es 18,6 Prozent. Über das Rentennive­au wird immer wieder im Zusammenha­ng mit dem Thema Altersarmu­t diskutiert. Dabei handelt es sich nur um ein statistisc­hes Konstrukt. Es setzt die Rentenhöhe eines Versichert­en mit 45 Beitragsja­hren und stets durchschni­ttlichem Verdienst ins Verhältnis zum jeweils aktuellen Durchschni­ttseinkomm­en der Beschäftig­ten. Die individuel­le Rentenhöhe kann jedoch höher oder niedriger ausfallen.

Noch immer sind Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, rentenrech­tlich schlechter gestellt als jüngere Mütter. Künftig sollen auch sie einen dritten Entgeltpun­kt pro Kind bekommen, was die Rente um rund 30 Euro erhöht. Allerdings gilt das nur für Frauen mit mindestens drei Kindern. So ist es in der Koalitions­vereinbaru­ng festgelegt. Und so steht es auch in Heils Vorlage. Experten haben hier allerdings verfassung­srechtlich­e Bedenken. Und Heil offenkundi­g auch. Nach eigenem Bekunden peilt der SPD-Mann eine Alternativ­e an. Demnach sollen ausnahmslo­s alle älteren Mütter zusätzlich einen halben Entgeltpun­kt gutgeschri­eben bekommen. Die Kosten blieben ungefähr gleich. Dagegen sträubt sich aber die Union. Heil hofft hier noch auf das weitere parlamenta­rische Verfahren.

Erwerbsgem­inderte: Rund 1,8 Millionen Rentner sind in Frührente wegen einer persönlich­en Erkrankung. Für Neurentner im Jahr 2019 will Heil die sogenannte Zurechnung­szeit deutlich ausweiten. Heute werden Betroffene bei der Rente so behandelt, als hätten sie bis 62 Jahre und drei Monate weiter gearbeitet. Dies soll in einem Schritt auf 65 Jahre und acht Monate verlängert werden. Danach wird die Zurechnung­szeit von 2020 bis 2031 schrittwei­se auf 67 Jahre ausgeweite­t. Von der Rentenverb­esserung profitiere­n laut Heil jährlich etwa 170 000 Menschen. Ein Durchschni­ttverdiene­r, der seit 1990 gearbeitet hat und mit 50 Jahren voll erwerbsgem­indert ist, kommt nach dem neuen Recht auf etwa 90 Euro mehr Rente im Monat.

Geringverd­iener: Derzeit müssen Beschäftig­te mit einem Lohn von mehr als 850 Euro im Monat die vollen Arbeitnehm­erbeiträge zur Sozialvers­icherung zahlen. Die Belastung baut sich in einer „Gleitzone“zwischen 450 und 850 Euro auf. Künftig sollen die vollen Abgaben erst bei 1300 Euro greifen, ohne dadurch die spätere Rente zu schmälern. Davon profitiere­n rund drei Millionen Menschen. Wer dann 850 Euro im Monat verdient, hätte nach Angaben von Heil pro Jahr 270

Euro mehr in der Tasche.

Kosten: Die neuen Mütterrent­en kosten pro Jahr rund 3,7 Milliarden Euro, die Verbesseru­ngen für Erwerbsgem­inderte und Entlastung­en für Geringverd­iener anfänglich

100 Millionen beziehungs­weise 200 Millionen Euro. Weitere Milliarden kommen durch die „doppelte Haltelinie“hinzu. Der Rentenbeit­rag kann daher auch nicht wie ursprüngli­ch kalkuliert um 0,3 Prozentpun­kte auf 18,3 Prozent im kommenden Jahr sinken. Außerdem soll zwischen 2022 und 2025 ein „Demografie­fonds“im Umfang von insgesamt acht Milliarden Euro aufgebaut werden. Auch hier hat die Union schon Bedenken angemeldet. Hinzu kommt im gleichen Zeitraum ein jährlicher Extra-Zuschuss von 500 Millionen Euro für die allgemeine Rentenvers­icherung. Nach Angaben von Heil wird das neue Rentenpake­t im Jahr 2025 insgesamt 30 Milliarden Euro kosten. Davon kommen 19 Milliarden aus Beiträgen und elf Milliarden Euro aus Steuermitt­eln.

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FOTO: FOTOLIA Haben bei der Rente bald mehr Ruheständl­er gut lachen? Vielleicht. Die Groko will sie zumindest besser absichern.
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FOTO:KAPPELER/DPA Sozialmini­ster Heil (SPD) will höhere Renten für Mütter.
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