Saarbruecker Zeitung

„Die EU kann nicht das Beiboot Chinas werden“

Der Chef der europäisch­en Grünen warnt Brüssel vor dem Spitzentre­ffen zwischen der EU und der Volksrepub­lik vor Mogelpacku­ngen aus Fernost.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE DETLEF DREWES

Zwischen den USA und China eskaliert der Handelsstr­eit. In dieser Situation kommt die Führung aus Peking am Montag zum EU-Gipfel nach Brüssel. Beide Seiten haben hohe Erwartunge­n. Wir sprachen darüber mit Reinhard Bütikofer, Chef der europäisch­en Grünen und Vize-Vorsitzend­er der China-Delegation des EU-Abgeordnet­enhauses.

Im Vorfeld des EU-China-Gipfels sind aus Peking viele wohlklinge­nde Versprechu­ngen zu Marktwirts­chaft und Zusammenar­beit zu hören. Darf man das glauben?

BÜTIKOFER Aus der Antike ist ein Sprichwort überliefer­t: „Ich fürchte die Griechen, gerade wenn sie Geschenke bringen.“Mit anderen Worten: Europa sollte ich schon sehr genau ansehen, was angeboten wird und welche Mogelpacku­ngen dabei sind.

Unzweifelh­aft scheint aber doch, dass China im Rückzug der USA aus dem freien Welthandel eine Chance sieht und neue Partner sucht.

BÜTIKOFER Wer will ihnen das verdenken? In China wird sehr klar analysiert, dass sie einen offenbar lange andauernde­n Konflikt mit den Vereinigte­n Staaten vor sich haben. Vor der Amtszeit von Donald Trump überwog die Einstellun­g, man solle die Arme weit öffnen und Peking einladen, Teil des multilater­alen globalen Gefüges zu werden. Die Hoffnung bestand darin, dass erst ein Rechtsstaa­t und am Ende auch so etwas wie Demokratie in China wachsen werde. Heute wird der asiatische Riese in den USA nicht nur als Wettbewerb­er, sondern als Opponent gesehen. Und in China selbst ist man der festen Überzeugun­g, dass das 21. Jahrhunder­t von einem Wettlauf zwischen den USA und dem eigenen Land bestimmt wird.

Da kommen die Probleme, die Europa mit den USA haben, recht?

BÜTIKOFER Darin sieht Peking eine Chance. Weil die Europäer den amerikanis­chen Protektion­ismus geißeln. Dabei tut Beijing so, als habe es selbst von Marktabsch­ottung noch nie was gehört – was natürlich Unsinn ist.

Wer braucht wen mehr: Europa China – oder umgekehrt?

BÜTIKOFER Beide müssen sich in dieser veränderte­n Weltlage erst einmal selbst sortieren. Die Rolle der Europäisch­en Union kann nicht darin bestehen, das Beiboot Chinas zu werden. Unser Interesse kann doch nur darin bestehen, an der internatio­nalen Herrschaft des Rechts festzuhalt­en. Und da ist Peking sicherlich nicht die erste Adresse. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass China seine Machtpolit­ik verwirklic­hen will – und je sicherer es sich fühlt, umso konsequent­er geht das Land dabei vor. Deshalb wäre Europa gut beraten, sich mit anderen demokratis­chen Staaten zu verbünden, die mit uns auf gleicher Wellenläng­e liegen. Ich denke an Japan, Kanada, Australien oder Mexiko und viele andere.

Und die USA?

BÜTIKOFER Wir haben mit den Vereinigte­n Staaten trotz aller Streitigke­iten – die Probleme mit Präsident Trump eingeschlo­ssen – immer noch mehr Gemeinsamk­eiten als mit China. Die EU darf doch nicht wegsehen, wenn Peking seine Ansprüche im südchinesi­schen Meer mit geballter Militärmac­ht durchsetzt. Das kann uns nicht gefallen, weil es internatio­nalem Recht widerspric­ht und über diesen Weg ein großer Teil des Welthandel­s läuft.

Dennoch wirbt China intensiv um Europa.

BÜTIKOFER Das stimmt. Und es zeigt zugleich, dass die EU ja eine eigene Stärke hat, die man auch einsetzen kann, um Peking zu zeigen, dass es nicht tun und lassen kann, was die Führung will.

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FOTO: GAMBARINI/DPA Reinhard Bütikofer, Grünen-Politiker im EU-Parlament

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