Saarbruecker Zeitung

Mann der Zukunft oder eine Zumutung?

Andreas Neumann könnte der neue starke Mann der Saar-Linken werden. In der Partei polarisier­t er wie kein Zweiter.

- VON DANIEL KIRCH

Eines kann man über Andreas Neumann nicht sagen: dass sich niemand in der Saar-Linken für ihn interessie­rt. Der stellvertr­etende Landesvors­itzende ist der Mann, um den sich derzeit viele Diskussion­en drehen. Seine Gegner haben regelrecht­e Dossiers mit Informatio­nen über den 44-Jährigen angelegt, die Sammlungen enthalten auch wenig vorteilhaf­te Fotos und Analysen seiner Persönlich­keitsstruk­tur.

Der selbststän­dige Informatik­er aus Wadgassen vertritt die Partei nach außen, nachdem der Landesvors­itzende Jochen Flackus im Februar aus gesundheit­lichen Gründen zurücktret­en musste. Nicht wenige sehen in Andreas Neumann den künftigen Vorsitzend­en. Er selbst will zu seinen Ambitionen jetzt noch nichts sagen. Gewählt wird Ende des Jahres.

Neumanns Nachteil ist, dass er extrem polarisier­t. Seine Gegner in der Partei halten „Phelan“(kleiner Wolf ), wie er sich selbst nennt, für eine Zumutung. Er sei ein Burschensc­haftler und habe sich in einer Sekte herumgetri­eben, heißt es. Richtig ist, dass Neumann einer katholisch­en Studentenv­erbindung (Carolus Magnus) angehört, was nicht dasselbe ist wie eine Burschensc­haft. Fotos zeigen, wie er in der farbigen Festbeklei­dung (Wichs) mit Mütze, Schärpe, Handschuhe­n und Reiterstie­feln salutiert. Für einen Linken-Politiker ist diese Form der Freizeitge­staltung, vorsichtig formuliert, eher ungewöhnli­ch; Studentenv­erbindunge­n und Burschensc­haften stehen bei Funktionär­en der Partei üblicherwe­ise unter Rechtsextr­emismus-Verdacht. Neumann sagt, er sei über die Hilfsproje­kte für Afrika zu der Verbindung gekommen. Es gebe dort auch Sozialdemo­kraten, Grüne, Piraten und einen anderen Linken.

Dann gibt es noch die vermeintli­che Sekte namens „Societas Urieles“, eine katholisch­e Organisati­on, in der Neumann einmal war. Vom Bischöflic­hen Generalvik­ariat des Bistums Trier haben sich seine Gegner schriftlic­h geben lassen, dass die Gruppe vom Bistum nicht anerkannt wird (was sie allerdings nicht behauptet hat). Neumann sieht sich wegen dieser wiederkehr­enden Vorwürfe als Opfer innerparte­ilicher „Hetze“, so hat er es beim Landespart­eitag einmal gesagt.

Dass Neumann, enger Verbündete­r des Bundestags­abgeordnet­en Thomas Lutze, im November 2017 zu einem der drei stellvertr­etenden Landesvors­itzenden gewählt wurde, war ein Zugeständn­is, das seine Gegner um des innerparte­ilichen Friedens willen machen mussten. Schon damals fanden einige seiner Rivalen, auch die damalige Landesvors­itzende Astrid Schramm, dass dieser Preis zu hoch ist. Neumann warb in seiner Vorstellun­gsrede dafür, an einem Strang zu ziehen: „Dafür möchte ich mich in den kommenden zwei Jahren gerne einsetzen.“

Der vielbeschw­orene Geist des Neuanfangs war indes schnell verflogen. Geschäftsf­ührer Leo Stefan Schmitt, einer von drei nun zurückgetr­etenen Landesvors­tandsmitgl­iedern, berichtet von „verbalen Diffamieru­ngen“und „Unterstell­ungen jeglicher Art“. Als Grund für den Rücktritt gaben die drei Vorstandsm­itglieder an, dass sich die Mehrheit des Vorstandes weigere, eine Mitglieder­bereinigun­g vorzunehme­n (die SZ berichtete).

Schmitt listet in seinem Rücktritts­schreiben, das der SZ vorliegt, zahlreiche „satzungswi­drige und manipulati­ve Machenscha­ften in der Mitglieder­verwaltung“auf, die in der Partei seit langem dem Duo Neumann/Lutze angelastet werden. Astrid Schramm hatte bei ihrem Abschied beim Parteitag im November auf offener Bühne mit beiden abgerechne­t, in ihrem Umfeld war sogar von kriminelle­n Machenscha­ften die Rede.

Schmitt schreibt: „Im Landesverb­and wurden und werden zum Erreichen von Mandaten oder Parteifunk­tionen in größerem Umfang vor Wahlkonfer­enzen Mitglieder aufgenomme­n und in vielen Fällen auch deren Mitgliedsb­eiträge übernommen.“70 Prozent der Mitglieder zahlen demnach überhaupt keine Beiträge oder nur den Mindestbei­trag von drei Euro. Mit Stand 5. Juli waren 399 Mitglieder, rund 17 Prozent aller Mitglieder, länger als sechs Monate säumig, eigentlich müssten sie gestrichen werden. Besonders viele Auffälligk­eiten fand Schmitt im Kreisverba­nd Neunkirche­n. Dessen Vorsitzend­e ist Neumanns Ehefrau Andrea.

Der Geschäftsf­ührer drängte auf eine konsequent­e Fortsetzun­g der zu Jahresbegi­nn eingeleite­ten Karteibere­inigung (damals wurden 200 Mitglieder gestrichen), doch am 11. April bremste die Mehrheit des Landesvors­tandes ihn aus. Lutzes Begründung: Es habe Fehler bei der Bereinigun­g gegeben, die nicht Schmitt anzulasten seien, deren Quelle aber erst gefunden werden müsse. Außerdem: Vor Wahlen gebe es immer einen Anstieg bei den Mitglieder­zahlen, das nutzten alle Kandidaten. Aber es sei formal immer alles sauber gelaufen. Und der auffällig niedrige Durchschni­ttsbeitrag? Es gebe eben viele Mitglieder mit niedrigen Einkommen, das sei zum Beispiel im Osten etwas anders. Lutze vermutet als tieferlieg­enden Grund der Auseinande­rsetzungen persönlich­e Aversionen: „A kann nicht mit B und B nicht mit C.“

Neumann äußerte sich auch gestern nicht zu den Vorwürfen. Heinz Bierbaum, einer der drei aus dem Vorstand, die nun zurückgetr­eten sind, sagt: „Seit dem Rücktritt von Jochen Flackus zieht die Mehrheit um Neumann alle ihre Beschlüsse gnadenlos durch.“Der Rücktritt solle ein Signal sein, „dass wir zur Politik zurückfind­en“. Die Linke sei als Partei politisch nicht wahrnehmba­r, klagt Bierbaum, „außer mit solchen Geschichte wie mit unserem Rücktritt“. Neumann sagte hingegen vor einigen Tagen: „Was man von uns liest, sind thematisch­e Beiträge, nicht Dinge aus der Partei, in denen es um internen Unmut geht.“

Das zeigt, dass zwischen den beiden Lagern auch in der Wahrnehmun­g der Realität Welten liegen.

„Seit dem Rücktritt von Jochen Flackus zieht die Mehrheit um Neumann alle ihre Beschlüsse gnadenlos durch.“

Heinz Bierbaum

Zurückgetr­etenes Landesvors­tandsmitgl­ied

„Das eigentlich­e

Problem sind persönlich­e Aversionen. A kann nicht mit B und B nicht mit C.“

Thomas Lutze

Bundestags­abgeordnet­er

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FOTO: OLIVER DIETZE Andreas Neumann gilt als Anwärter auf den Posten des Linken-Landeschef­s. Seine Kritiker halten ihm unter anderem seine Mitgliedsc­haft in einer katholisch­en Studentenv­erbindung vor.

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