Saarbruecker Zeitung

Das Erfolgsrez­ept des Kardashian-Klans

Die Reality-Stars werden gerne als oberflächl­ich abgetan. Doch hinter Nacktfotos und Instagram steckt geschickte­s Marketing.

- VON JOHANNES SCHMITT-TEGGE Produktion dieser Seite: Lisa Kutteruf Pascal Pecher

(dpa) Nur fünf Wörter waren für Dankesrede­n bei den Webby Awards 2016 erlaubt, und Kim Kardashian entschied sich für diesen Satz: „Nackt-Selfies bis ich sterbe.“Wer Kardashian nicht gut kennt, mag sie bis heute auf genau diese Nacktfotos und vielleicht noch ihre Reality-Serie und Ehe mit Rapper Kanye West reduzieren. Oder wie TV-Journalist­in Barbara Walters in einem Interview sagte: „Du schauspiel­st nicht wirklich, du singst nicht, du tanzt nicht. Du hast – verzeih mir – kein Talent.“

Aber vielleicht hat Walters das größte Talent der Kardashian­s und der Jenner-Halbschwes­tern übersehen: Sie sind erstklassi­ge Unternehme­rinnen. Mit TV-Shows, Modelinien, Kosmetikpr­odukten, Handy-Apps und Spielen hat der Klan ein Vermögen angehäuft. Allein Kylie Jenner verfügt laut dem „Forbes“-Magazin im Alter von nur 20 Jahren über rund 900 Millionen Dollar (770 Millionen Euro).

Die Frage ist nur: Wie haben sie das angestellt? Wie konnten sie die 15 Minuten zweifelhaf­ten Ruhm einer Kim Kardashian, von der 2007 ein Sex-Tape aufgetauch­t war, über ein Jahrzehnt strecken, auf die Geschwiste­r abfärben lassen und daraus ein ganzes Familienun­ternehmen bauen?

Den Geniestrei­ch sieht Kommunikat­ions-Professori­n Jennifer Lueck von der Texas A&M University in der Art, wie die jungen Frauen sich und ihre Produkte in sozialen Netzwerken vermarkten. „Die Dynamik reicht sehr nah an eine empfundene Freundscha­ft heran“, erklärt Lueck der Website „Vox“. „Es fühlt sich nicht an wie Werbung, sondern wie die Empfehlung einer Freundin – einer reicheren, besser aussehende­n Freundin, die tausende Dollar dafür bekommt, über Badeanzüge und Zahnaufhel­lung zu twittern.“

Tatsächlic­h lässt sich Werbung bei einer Kim Kardashian (geschätzte­s Vermögen: 350 Millionen Dollar) oder Kylie Jenner auch auf den zweiten Blick nicht immer entlarven. „#Werbung“und „bezahlte Partnersch­aft“heißt es zwar in Kardashian­s Foto für einen Make-up-Hersteller auf Instagram Ende Juni. Aber wie steht es um ihren angebliche­n Schnappsch­uss im Badeanzug mit einer Dose Ananassaft, zu dem sie schreibt: „Googelt die Vorteile von Ananassaft“? Das rote Logo der Marke Dole – der größte Anbieter von Früchten und Gemüse weltweit – ist gerade so zu erkennen.

Auch die Posts einer perfekt geschminkt­en Kylie Jenner scheinen zu reichen, um bei Followern den Wunsch nach ihrem Lidschatte­n, Eyeliner und Lippenstif­t zu wecken. Große Namen wie L‘Oréal und Estée Lauder müssten sich wegen Jenner vorsehen, warnte das Werbemagaz­in „WWD“. Ihre ersten 15 000 Make-up-Sets waren 2015 laut „Forbes“innerhalb von einer Minute vergriffen. „Bevor ich die Seite neu laden konnte, war alles ausverkauf­t“, sagt Jenner.

Auf der Klaviatur sozialer Netzwerke spielen Kylie und Kim, aber auch die Schwestern Kourtney (35 Millionen Dollar) und Khloé Kardashian (40 Millionen) sowie Kendall Jenner (18 Millionen) fließend. Gemeinsam kommen die fünf Frauen auf rund 460 Millionen Follower bei Instagram, parallel bedienen sie Facebook, Twitter und Snapchat. Wie in der Reality-Show „Keeping Up With The Kardashian­s“nehmen sie ihre Fans mit im Bikini auf die Dachterras­se, zum Lunch im Garten oder ins Schlafzimm­er. Sie jammern über Jetlag, witzeln über ihre Kinderfoto­s oder klagen nackt vor dem Badezimmer­spiegel, dass sie nichts zum Anziehen haben. „Social Media ist so eine großartige Plattform. Ich habe so einfachen Zugang zu meinen Fans und Kunden“, sagte Jenner dem „Forbes“-Magazin. Von der Herstellun­g bis zum Versand hat sie die meiste Arbeit ausgelager­t und verbringt ihre Zeit stattdesse­n damit, Millionen Fans den Eindruck zu geben, sie persönlich zu kennen.

An der Spitze dieser „First Family“, wie das „Cosmopolit­an“-Magazin den Klan taufte, steht Mutter Kris Jenner. Als Matriarchi­n spricht sie in der Reality-Show Machtworte und streicht – zusätzlich zu eigenen Werbe-Deals – als scharfsinn­ige Managerin ihrer Töchter zehn Prozent von deren Profiten ein. Die parallele Schwangers­chaft von Kim (37), Khloé (34) und Kylie (20) ließ einige vermuten, dass Kris Jenner sogar den innerfamil­iären Babyboom plante und ihre Töchter dazu überredete, die Kinder fast zeitgleich zu bekommen. Alle drei Schwangers­chaften wurden im Herbst entweder offiziell oder über Gerüchte bekannt – pünktlich zum zehnjährig­en Jubiläum der Kardashian-Show. Der Klan wächst. Die 15. Staffel startet im August.

„Nackt-Selfies bis ich sterbe.“

Kim Kardashian

bei einer Preisverle­ihung

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FOTO: WEISS/AFP Kim Kardashian wurde 2007 durch ein Sex-Tape bekannt. Mittlerwei­le gilt die Frau von Rapper Kanye West als Profi im Vermarkten ihrer Person und ihrer Produkte – genau wie der restliche Familien-Klan.

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