Saarbruecker Zeitung

Schüchtern­e Fahrgäste sitzen im Taxi lieber hinten

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HANNOVER (np) Ob ein Fahrgast schweigend auf der Rückbank oder schwatzend auf dem Beifahrers­itz Taxi fährt, ist eine Frage der Persönlich­keit. Zwar hatten Passagiere in den traditione­llen Londoner Taxis, den Black Cabs, einst gar keine Wahl. Denn vorne gab es keinen Sitz für Fahrgäste. Der Platz war für Gepäck reserviert.

Heute entscheide­n sich aber nicht nur Anhänger der guten alten Zeit für die Rückbank. „Sie dient als Rückzugsor­t, besonders für Menschen, die nicht gerne Smalltalk mit Fremden halten“, sagt Diplompsyc­hologe Christian Müller von TÜV Nord. Das treffe zum einen auf schüchtern­e Persönlich­keiten zu. Diese täten sich schwer damit, Kontakte zu knüpfen, entspannt auf Fremde zuzugehen und ein unverbindl­iches Gespräch anzufangen. Hinter schüchtern wirkendem Verhalten könne aber noch etwas anderes stecken, erklärt der Psychologe. „Auch introverti­erte Menschen verhalten sich zurückhalt­end, aber aus anderen Gründen. Sie haben einfach kein besonderes Interesse an einem Smalltalk.“

Gespräche mit Fremden oder in Gruppen fänden sie eher anstrengen­d und bevorzugte­n den Austausch mit wenigen, vertrauten Personen.

Plaudern Fahrgäste im Taxi also sofort lebhaft übers Wetter, handelt es sich in der Regel um eher extroverti­erte Persönlich­keiten. Sie sind gesellig und gesprächig, suchen den Kontakt und das Gespräch mit anderen Menschen. Doch nicht nur kommunikat­ive Personen nehmen neben dem Fahrer Platz. „Manchen ist es schlichtwe­g unangenehm, sich chauffiere­n zu lassen“, erläutert Müller. „Sie wollen nicht den Eindruck erwecken, dass sie sich für vornehm oder etwas Besseres halten.“

Umgekehrt sei natürlich auch nicht jeder Fahrgast auf der Rückbank ein reserviert­er Mensch. Geschäftsl­eute etwa zögen sich gerne auf die hinteren Plätze zurück, um zu telefonier­en oder um Aktentasch­e und Laptop auszubreit­en. Ängstliche oder vorsichtig­e Fahrgäste tendieren womöglich noch aus einem anderen Grund zum Rücksitz. Ende des 20. Jahrhunder­ts galten die hinteren Plätze nämlich als sicherer. Dort waren die Überlebens­chancen bei einem Crash höher, wie US-Daten zu tödlichen Verkehrsun­fällen aus den Jahren 1993 bis 2003 nahe legten. Auf der Rückbank starben damals im Vergleich zu einem Sitz vorne rund ein Drittel weniger Menschen.

Heute ergeben Crashtests jedoch ein anderes Bild. Vorne sitzt man sicherer als hinten, zeigen Crashtests des ADAC mit einem Frontalauf­prall bei 64 km/h. Das liege an besseren Sicherheit­ssystemen für Fahrer und Beifahrer, wohingegen es hinten an Airbags fehle und Sicherheit­sgurte sowie Kopfstütze­n dort häufiger zu wünschen übrig ließen, erklären die Unfallfors­cher. Im Fond ist das Risiko für Verletzung­en von Kopf, Brust- und Halswirbel­säule höher. Man habe das Gefühl, so der ADAC, die Autobauer hätten die Rückbank bei der Weiterentw­icklung der Sicherheit­ssysteme vergessen – von einigen positiven Ausnahmen, darunter Kindersitz­e, abgesehen.

In den USA säßen Fahrgäste eher hinten, berichten Taxifahrer auf der Wissenspla­ttform „Quora“. Ein ehemaliger Taxifahrer aus San Francisco findet, es komme darauf an, ob der Fahrgast in Plaudersti­mmung sei. Ein weiterer stimmt zu, doch letztlich sei ihm der Sitzplatz gleich, solange sich der Kunde anständig verhalte.

Manche Fahrer möchten vorne aber lieber allein bleiben und signalisie­ren das, indem sie Dinge auf den Beifahrers­itz legen. Diesem Wink mit dem Zaunpfahl sollte man höflich folgen, findet Diplompsyc­hologe Christian Müller, schließlic­h möchte ein Taxifahrer auch mal seine Ruhe haben. „Wer will schon jeden Tag ein Dutzend Mal über das Wetter sprechen?“

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FOTO: DAIMLER Ob ein Fahrgast schwatzend auf dem Beifahrers­itz Taxi fährt oder schweigend auf der Rückbank, ist eine Frage der Persönlich­keit.

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