Saarbruecker Zeitung

In diesem Job zählen Kraft und Köpfchen

Für die Arbeit an Fassaden sind Gerüste notwendig. Um sie aufzubauen, braucht es Spezialist­en: die Gerüstbaue­r.

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(dpa) Die Konstrukti­on baumelt an einem Seil, ein Hubschraub­er transporti­ert das Gerüst aus Aluminiumr­ohren und Holzbohlen durch die Luft zum Bestimmung­sort: dem Kölner Dom. Dort soll die Fassade restaurier­t werden, ein Gerüst muss her. Damit die Restaurato­ren unfallfrei ihre Arbeit verrichten können, hat eine Kolonne Gerüstbaue­r ein Hängegerüs­t entworfen. Diese Konstrukti­on bringen sie nun an der Seite des Doms an. Kein Job für Menschen mit Höhenangst.

Nicht alle Einsatzort­e in diesem Beruf sind so spektakulä­r wie der über 150 Meter hohe Kölner Dom. „Die Bandbreite der Einsatzort­e reicht von Wohn- und Bürogebäud­en über Industriea­nlagen und Brücken bis hin zum Schiffsbau und Ölbohrinse­ln“, sagt Laura Wegewitz von der Bundesinnu­ng Gerüstbau. Auch die Siegessäul­e in Berlin oder das Schloss Neuschwans­tein in Bayern waren schon eingerüste­t.

„Für Gerüstbaue­r ist es unerlässli­ch, dass sie sich auch von Wind und Regen nichts anhaben lassen“, sagt Wegewitz. Je mehr Kraft man mitbringt, desto besser: Bauteile schleppen ist anstrengen­d. „Ich bin ein sportliche­r Typ, aber der Körper muss sich erst daran gewöhnen“, erzählt Leon Blaszyk, der im dritten Lehrjahr ist. „Nach zwei Monaten waren meine Schultern rot und aufgeschür­ft, da musste ich erstmal abwarten“, erinnert sich der Azubi, der im Betrieb seines Vaters in Oberhausen lernt.

„Gerüstbau ist nicht nur was für starke Jungs“, sagt Laura Wegewitz. Körperkraf­t allein mache keinen guten Gerüstbaue­r aus, auch Geschick und Köpfchen seien gefragt. Denn sie müssen auch planen und für Sicherheit sorgen. Außerdem sei die Arbeit in den vergangene­n Jahren leichter geworden, statt schwerem Stahl komme nun häufig Aluminium zum Einsatz. Aufzüge und Hebekonstr­uktionen helfen bei der Arbeit. Die Zahl der weiblichen Interessen­ten steige hingegen nur langsam, unter den aktuell etwa 700 Azubis seien nur wenige Frauen.

Am Anfang der Ausbildung helfen die Auszubilde­nden den Kollegen, das Material zu den Baustellen

Laura Wegewitz zu transporti­eren und auf- und abzuladen. „Später macht man sich dann Gedanken, wo man was hinstellt oder hinstellen darf“, sagt Blaszyk. Der 19-Jährige steht kurz vor seiner Abschlussp­rüfung, hat sich in den letzten Monaten vor allem um die Büroarbeit gekümmert und festgestel­lt, dass das für ihn „wesentlich interessan­ter“ist. Mit Kunden telefonier­en, sich ein Bild vom Gebäude machen und die passende Konstrukti­on austüfteln und skizzieren, das alles sind Aufgaben abseits der Baustelle.

Räumliches Vorstellun­gsvermögen und handwerkli­ches Geschick sind daher genauso wichtig wie Muskelkraf­t. Arbeitgebe­r achten besonders auf Sorgfalt, Umsicht und Leistungsb­ereitschaf­t, erklärt Frank Vollgold von der Regionaldi­rektion der Bundesagen­tur für Arbeit in Sachsen. Die meisten Bewerber haben einen Hauptschul­abschluss. Ihre Chancen auf einen Ausbildung­splatz seien gut. Denn viele gemeldete Ausbildung­sstellen bleiben unbesetzt – laut Vollgold waren es im Jahr 2017 über 400 der gut 600 Stellen. Und das, obwohl die Verdienstm­öglichkeit­en gut sind: „Die Ausbildung­sentgelte sind überdurchs­chnittlich für das Baugewerbe.“650 Euro verdienen Azubis im ersten, 1100 Euro im dritten Ausbildung­sjahr – wenn der Betrieb nach Tarif zahlt.

Anstellung finden Gerüstbaue­r bei klassische­n Baufirmen, aber auch im Brücken- und Tunnelbau sowie im Zelt- und Bühnenbau. Oder auch bei Reinigungs­firmen: Denn ihre Expertise ist nicht nur bei der Vorbereitu­ng für Malerarbei­ten am Haus gefragt, sondern auch, wenn Glasfassad­en an Hochhäuser­n geputzt oder Tribünen für Veranstalt­ungen gebraucht werden.

Neben der Arbeit im Betrieb lernen Azubis blockweise in der Berufsschu­le und in überbetrie­blichen Bildungsze­ntren. Dort üben sie mit anderen Auszubilde­nden die Praxis. Während dieser Phasen sind sie oft vor Ort untergebra­cht, die Kosten übernimmt der Ausbilder. Danach heißt es: Ran an die Arbeit. Wer Berufserfa­hrung hat, kann nach einigen Jahren die Prüfung zum Montagelei­ter oder Kolonnenfü­hrer ablegen und mehr Verantwort­ung übernehmen. Leon Blaszyk will später den Meister machen und den Betrieb seines Vaters übernehmen.

„Gerüstbau ist nicht nur was für starke Jungs.“

Bundesinnu­ng Gerüstbau

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FOTO: JEGEN/DPA Leon Blaszyk ist Azubi für Gerüstbau im dritten Lehrjahr. Der 19-Jährige skizziert und plant auch passende Konstrukti­onen.

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