Gelebter Feminismus mit Pussy Riot
„Ich bin frei, doch wie sieht es mit Ihnen aus?“: Der Saarbrücker Auftritt des russischen Protestkunst-Kollektivs gerät zum großen Punk-Manifest.
bringt Alyokhina ihre Geschichte jetzt auf die Bühne, tourt damit weltweit. Dass „Riot Days“auch in Saarbrücken Halt macht, hat einen besonderen Hintergrund. Im Rahmen der feministischen Ausstellung „In the Cut“haben Stadtgalerie und Garage Pussy Riot eingeladen – um gelebten Feminismus erlebbar zu machen.
Neben Maria Alyokhina stehen drei weitere auf der Bühne. Nastya und Max des Musikduos Awott und Kyril Masheka, der als einziger nicht an früheren Aktionen von Pussy Riot beteiligt war. Seiner Überzeugungskraft tut dies keinen Abbruch. Vor Beginn des Stückes weist Alexander Cheparukhin noch einmal darauf hin, dass das Stück nicht bloß eine Memoire sei, sondern ein ganzes „Punk-Manifest“. Man darf sich wohl zurecht fragen, was Punk und Theater nun gemeinsam haben, doch den circa 100 Zuschauern in der Garage (das Thema Feminismus scheint in Saarbrücken leider nicht allzu gefragt zu sein) wird schnell klar: Was sich da auf der Bühne abspielt, ist eine Stunde Punk pur. Gepaart mit einer Stunde Gänsehaut. Mal laut schreiend, mal kläglich wimmernd, erzählen die vier in Form von Sprechgesang die Geschichte von Pussy Riot, in all ihren unangenehmen Details. Sie erinnern an die „40 Sekunden Verbrechen“in der Christ-Erlöser-Kathedrale, verkünden stolz „in Russland gibt es keine Priesterinnen, in Russland gibt es Pussy Riot“. Alyokhina erzählt, wie sie ihren Sohn zurücklassen musste, erzählt von Einzelhaft für politische Gefangene und menschenunwürdigen Haftbedingungen, Leibesvisitationen inklusive. „Der erste Hungerstreik ist wie die erste Liebe“, johlt die Gruppe. Es sind Sätze wie dieser, die so einfach und doch so poetisch den Geist von Pussy Riot transportieren. Die einem Stunden nach der Performance noch im Kopf umherschwirren, einen nachdenklich stimmen. Das komplette Stück ist in russischer Sprache gehalten. Der Zuschauer muss die Übersetzung auf einer Leinwand mitlesen. Ein Störfaktor? Im Gegenteil. Es ist wohl nur in der Muttersprache möglich, so viel Herzblut
heraus in die Welt zu schreien. Ebenfalls bemerkenswert: Es gibt weder Absperrungen, noch Sicherheitspersonal. Pussy Riot bewegen sich so nah am Publikum wie nur möglich. Angst scheint ein Fremdwort zu sein. „Wir sind eine riesige Gruppe, so können wir uns zwischen dem WM-Finale und Saarbrücken aufteilen“, erklärt Cheparukhin lachend. Der Applaus scheint ewig zu währen. Das Stück endet mit Alyokhinas Haftentlassung. Sie stellt fest: „Ich bin frei – Doch wie sieht es mit Ihnen aus?“