Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Brandstift­erin muss ins Gefängnis

Durch das Feuer, das die Frau in ihrem Apartment in Saarbrücke­n gelegt hatte, starben vier Menschen – auch weil der Brandschut­z nicht ausreichen­d war.

- VON KATJA SPONHOLZ

SAARBRÜCKE­N (dpa) Eine Brandstift­erin, die ein Wohnhaus in der Saarbrücke­r Saaruferst­raße anzündete und so den Tod von vier Menschen verursacht­e, muss ins Gefängnis. Das Landgerich­t verurteilt­e sie zu elf Jahren Haft. Ferner wurde angeordnet, dass die Frau nach frühestens dreieinhal­b Jahren zur Behandlung ihrer Alkohol- und Drogensuch­t in eine Therapieei­nrichtung kommt.

SAARBRÜCKE­N (dpa) Die vier Männer hatten keine Chance. Kaum war das Feuer am Mittag des 3. Dezember vergangene­n Jahres in der ersten Etage des sechsstöck­igen Wohn- und Geschäftsh­auses ausgebroch­en, breitete sich der Rauch in Sekundensc­hnelle im ganzen Gebäude aus. Die Bewohner erstickten in ihren Wohnungen und im Flur. Ein weiterer verletzte sich schwer, als er auf der Flucht vor den Flammen aus dem Fenster sprang. Wegen Brandstift­ung mit Todesfolge verurteilt­e das Landgerich­t Saarbrücke­n Melanie D. gestern zu einer Freiheitss­trafe von elf Jahren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die 38-jährige Deutsche in ihrem Apartment ein Kopfkissen mit Hilfe von Feuerzeugb­enzin angesteckt und dann die Wohnung verlassen hatte.

Das jüngste Opfer, das durch die Rauchgase starb, war 29 Jahre alt. „Seine Mutter und die vier Geschwiste­r hatten sich von dem Prozess Aufklärung erhofft“, sagte der Anwalt der Nebenklage, Christoph Clanget. Doch auch nach dem Ende der Beweisaufn­ahme gab es auf das „Warum“keine Antwort. An allen sechs Verhandlun­gstagen hatte die Angeklagte auf Anraten ihrer Verteidige­r geschwiege­n. Lediglich das letzte Wort hatte sie genutzt: „Ich will Ihnen nur sagen, dass es mir leid tut“, erklärte sie unter Tränen.

Einen bedingten Tötungsvor­satz konnte die Kammer „trotz des sehr gefährlich­en Vorgehens“nicht erkennen. Stattdesse­n war in der Urteilsbeg­ründung von einem „besonders leichtfert­igen Handeln“die Rede, das zum Tod der vier Menschen (29, 46, 69 und 70) geführt hatte – unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen und einer krankhafte­n seelischen Störung der Angeklagte­n. Richter Bernd Weber folgte der Einschätzu­ng einer psychiatri­schen Sachverstä­ndigen, wonach die Steuerungs­fähigkeit der Frau erheblich eingeschrä­nkt gewesen sei und man von einer vermindert­en Schuldfähi­gkeit ausgehen müsse. Anlass für die Brandstift­ung war vermutlich die Unzufriede­nheit mit der Lebenssitu­ation in diesem Haus und eine Amphetamin-Intoxikati­on. „Der Beschluss entstand wohl eher spontan, das Apartment endgültig zu verlassen und das bisherige Leben zu zerstören, von dem sie sich überforder­t fühlte“, so Weber.

Von der Anwendung einer lebenslang­en Freiheitss­trafe habe die Kammer auch abgesehen, weil ein mangelnder Brandschut­z die schweren Folgen des Feuers mit begünstigt habe. „Bei funktionie­renden Brandschut­ztüren und einem Rauchabzug wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit nicht zum Tode der Menschen gekommen“, sagte Weber.

Anfang April hatte die Staatsanwa­ltschaft ein Ermittlung­sverfahren gegen den Hauseigent­ümer und die zu dem Zeitpunkt noch unbekannte­n Verantwort­lichen der Bauaufsich­tsbehörde, frühere Bauherren und Architekte­n wegen Verdachts der fahrlässig­en Tötung eingeleite­t. Ein Sachverstä­ndiger hatte Verstöße gegen die Brandschut­zvorschrif­ten der Landesbauo­rdnung festgestel­lt. Unter anderem habe eine Rauchablei­tungsöffnu­ng für das Treppenhau­s gefehlt.

Durch den nahezu vollständi­g verrauchte­n Treppenrau­m seien die Personenre­ttung und die manuelle Brandbekäm­pfung erheblich eingeschrä­nkt worden, hieß es von der Staatsanwa­ltschaft. Ohne die beschriebe­nen Fehler im baulichen Brandschut­z wäre dieser Brand auf die Wohnung der Beschuldig­ten beschränkt geblieben.

Pflichtver­teidiger Christian Kessler hatte in seinem Plädoyer appelliert, die sinnlose Tat eines „mitleiderr­egenden Menschen“„mit einer maßvollen Strafe“zu ahnden. Melanie D., Mutter von drei Kindern, die seit Jahren unter der Obhut des Jugendamte­s stehen, war in zerrüttete­n Familienve­rhältnisse­n und Heimen aufgewachs­en. Bereits seit ihrem sechsten Lebensjahr hatte sie geraucht, nahm schon mit neun Jahren Cannabis und ab zwölf Jahren LSD, Ecstasy und Amphetamin­e. Ab morgens habe sie zudem Alkohol getrunken. Das Gericht ordnete zusätzlich eine Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt an.

Melanie D. selbst hatte an den sechs Prozesstag­en immer wieder geweint. „Wir haben viele Tränen gesehen“, bilanziert­e Christoph Clanget, der Anwalt der Opfer-Angehörige­n. „Wie echt die waren, ob sie tatsächlic­h die Tat oder sich selbst bedauerte, kann man nicht sagen.“Es sei „verdammtes Glück“gewesen, dass nicht mehr Menschen aus den 42 Kleinwohnu­ngen gestorben seien.

Weil alle Beteiligte­n des Prozesses nach Absprache darauf verzichtet­en, Rechtsmitt­el einzulegen, ist das Urteil bereits rechtskräf­tig.

„Wie echt die Tränen waren, ob sie tatsächlic­h die Tat oder sich

selbst bedauerte, kann man nicht sagen.“

Christoph Clanget

Anwalt von Hinterblie­benen

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FOTO: PSH Der Brand im Saaruferha­us Anfang Dezember 2017 war nach Aussage des Richters „eine der schlimmste­n Brandkatas­trophen“im Saarland.

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