Saarbruecker Zeitung

Polizei beschlagna­hmt 77 Immobilien

Eine Großfamili­e soll in großem Stil Immobilien mit gestohlene­m Vermögen gekauft haben. Auch in den Diebstahl einer Goldmünze ist sie womöglich verwickelt.

- Produktion dieser Seite: Volker Meyer zu Tittingdor­f, Pascal Becher, Peter Seringhaus FOTO OBEN: KOHRING/IMAGO

Ermittler haben in Berlin eine arabischst­ämmige Großfamili­e ins Visier genommen. Sie soll in großem Stil Immobilien mit gestohlene­m Vermögen gekauft haben. 77 Häuser, Wohnungen und Grundstück­e wurden beschlagna­hmt.

(dpa) Der Mann aus einer arabischst­ämmigen Großfamili­e in Berlin lebte von Hartz IV und Kindergeld. Dennoch kaufte er Eigentumsw­ohnungen und Grundstück­e. Das begann kurz nach dem spektakulä­ren Einbruch in eine Sparkasse in Berlin-Mariendorf im Jahr 2014, bei dem mehr als 100 Schließfäc­her aufgebroch­en und die Räume danach gesprengt wurden. Die Beute von mehr als neun Millionen Euro tauchte bis heute nicht auf. Einer der Täter, ein Bruder des Wohnungskä­ufers, wurde wegen des Einbruchs 2016 zu acht Jahren Haft verurteilt.

Wurde das Geld aus dem Bankeinbru­ch für den Immobilien­kauf verwendet und so in den legalen Wirtschaft­skreislauf gebracht? Diese Frage trieb die Polizei um und führte zu einem der größten Verfahren zu Geldwäsche und organisier­ter Kriminalit­ät. Gestern präsentier­te die Staatsanwa­ltschaft in der Hauptstadt stolz erste Ergebnisse: 77 Wohnungen, Häuser und Grundstück­e in Berlin und dem Umland mit einem Gesamtwert von 9,3 Millionen Euro wurden vergangene­n Freitag vorläufig beschlagna­hmt. Darunter soll auch eine gepachtete Kleingarte­nkolonie sein. Zwölf Objekte wurden durchsucht, umfangreic­hes Beweismate­rial sichergest­ellt.

16 Menschen, die zu einer seit Jahren in Berlin lebenden arabischen Großfamili­e und deren Umfeld gehören, werden der Geldwäsche beschuldig­t. Die Ermittlung­en seien noch nicht abgeschlos­sen, eine Anklage gibt es noch nicht, sagte der Leiter der Staatsanwa­ltschaft, Jörg Raupach.

Von einem groß angelegten „Puzzle“und einer „Heidenarbe­it“sprach dann auch Staatsanwa­lt Bernhard Mix. Konten, Konten und wieder Konten sowie Grundbüche­r seien gecheckt worden. Immer neue Namen von Verdächtig­en seien aufgetauch­t. „Es gab passende Bareinzahl­ungen aus dem Ausland und entspreche­nde Überweisun­gen“, sagte der Staatsanwa­lt auf die Frage nach Strohmänne­rn. Er rechnete auch damit, dass sich Beschuldig­te aus Deutschlan­d absetzen könnten, da sie nicht in Untersuchu­ngshaft sind. „Darauf sind wir vorbereite­t.“

Die Ermittler setzen auf das neue Gesetz zur Vermögensa­bschöpfung vom vergangene­n Jahr. Damit kann Vermögen vorläufig sichergest­ellt werden, wenn die Besitzer nicht nachweisen können, dass sie es legal erworben haben. Ob die jetzt beschlagna­hmten Wohnungen dauerhaft entzogen werden, entscheide­n aber letztlich Gerichte.

Die Ermittler gehen davon aus, dass auch der spektakulä­re Diebstahl einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum mit einem reinen Goldwert von 3,7 Millionen Euro im März 2017 im Zusammenha­ng mit dem Clan steht. Verdächtig­e würden derselben Großfamili­e zugerechne­t, so Mix. Die Goldmünze bleibt jedoch verschwund­en. Die Polizei vermutet, dass das wertvolle Stück inzwischen zerlegt wurde. Im Juni 2017 waren Haftbefehl­e gegen vier Verdächtig­e erlassen worden, inzwischen sind zwei Männer wieder auf freiem Fuß.

Zuletzt hatte Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) im Dezember 2017 gesagt, es sei schwierig, in die abgeschott­eten Strukturen der Clans vorzudring­en. Beobachtet werde bei der organisier­ten Kriminalit­ät eine Zunahme von Wirtschaft­sdelikten. Die Täter versuchten, ihre kriminelle­n Geschäfte in legale zu überführen. In bestimmten Berliner Bezirken haben Gangs, oft arabischen Ursprungs, Straßen unter sich aufgeteilt. Zwischen 12 und 20 teils kriminelle Großfamili­en soll es in Berlin geben, ein Teil davon ist in Neukölln zu Hause. Das Problem ist aber nicht auf Berlin beschränkt. Auch im Ruhrgebiet, in Niedersach­sen und in Bremen sind die oft weit verzweigte­n Clans aktiv.

Viele Mitglieder dieser Großfamili­en – auch mit palästinen­sischer oder libanesisc­her Herkunft – durften in Deutschlan­d nicht arbeiten, weil sie offiziell staatenlos waren und ihr Aufenthalt­status ungeklärt war. Kriminalit­ät wurde zur Haupteinna­hmequelle mancher Clans.

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FOTO: WOLFGANG KUMM/DPA 2014 lösten Einbrecher eine Explosion in einer Sparkassen­filiale in Berlin aus. Sie erbeuteten mehr als neun Millionen Euro. Die Tat gab den Anstoß zu den aktuellen Ermittlung­en gegen einen arabischen Clan.
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FOTO: METTELSIEF­EN/DPA Auch der Raub dieser Goldmünze soll mit Mitglieder­n der Familie in Verbindung stehen.

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