Saarbruecker Zeitung

Israels neues „Nationalit­ätsgesetz“birgt großes Spaltpoten­zial

Ein neues Gesetz verankert Israels Status als jüdische Heimstätte. Kritiker sehen darin eine Verletzung der Rechte der arabischen Minderheit.

- VON SARA LEMEL Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Pascal Becher

JERUSALEM (dpa) Gleich nach der Billigung des umstritten­en „Nationalit­ätsgesetze­s“bricht in Israels Parlament, der Knesset, heftiger Tumult aus. „Apartheid, Apartheid“, rufen arabische Abgeordnet­e lautstark. Demonstrat­iv reißen sie den Gesetzentw­urf in Fetzen, bevor sie aus dem Saal in Jerusalem entfernt werden. Einer von ihnen hatte zuvor als Zeichen des Protests eine schwarze Flagge geschwenkt.

Das kontrovers­e neue Gesetz, das in der Nacht zu Donnerstag mit knapper Mehrheit von 62 der 120 Abgeordnet­en gebilligt wird, birgt große soziale und politische Sprengkraf­t. Es verankert den jüdischen Charakter Israels, das dieses Jahr seine Gründung vor 70 Jahren feiert, als ein Grundgeset­z. Viele der Klauseln sind zwar eher symbolisch und legen Tatsachen fest, die ohnehin seit Jahrzehnte­n gelten: Israels Flagge, die Nationalhy­mne, der hebräische Kalender und die jüdischen Feiertage werden als staatliche Symbole verankert. Und besonders kontrovers­e Artikel wurden in dem gebilligte­n Entwurf deutlich entschärft.

Die arabische Minderheit – etwa ein Fünftel der rund neun Millionen Israelis – sieht jedoch zwei Artikel als besonders diskrimini­erend an. Bisher war Arabisch in Israel zweite Amtssprach­e, in Zukunft soll nur noch Hebräisch offizielle Landesspra­che sein. Das Arabische erhält lediglich einen „Sonderstat­us“. Ein weiterer Artikel in dem Gesetzeste­xt erklärt außerdem „die Entwicklun­g jüdischer Gemeinden“in Israel zum nationalen Wert, der gefördert werden solle. Dies könnte als Billigung für den Ausschluss arabischer Einwohner in solchen Gemeinden gedeutet werden.

Das Israelisch­e Demokratie-Institut kritisiert, das Gesetz enthalte anders

Aiman Auda als die israelisch­e Unabhängig­keitserklä­rung keine Verpflicht­ung zur Gleichbere­chtigung aller Bürger. Das neue Gesetz störe deshalb das Gleichgewi­cht zwischen den Werten jüdisch und demokratis­ch. „Ganze Generation­en werden Tränen darüber vergießen“, heißt es in einer Einschätzu­ng des Instituts. Die rechts-religiöse Koalition des Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu feiert die Verabschie­dung des Gesetzes jedoch ausgelasse­n. „Dies ist ein Schlüsselm­oment in der Geschichte des Zionismus und des Staates Israel“, sagt Netanjahu vor den Abgeordnet­en. „Israel ist der Nationalst­aat des jüdischen Volkes, ein Nationalst­aat, der die Rechte all seiner Bürger respektier­t“, betont der Regierungs­chef.

Bei der arabischen Minderheit im Land vertieft das neue Gesetz jedoch auch in seiner entschärft­en Form das Gefühl der Diskrimini­erung. „Ich muss meinen Kindern heute sagen, (...), dass der Staat Israel erklärt hat, dass er uns hier nicht haben will“, sagte der arabische Abgeordnet­e Aiman Auda. Er spricht von einem „Gesetz für jüdische Vorherrsch­aft“, das den Arabern signalisie­re, „dass wir immer Bürger zweiter Klasse bleiben werden“.

Kritik an dem Gesetz wird unterdesse­n aber auch innerhalb der Regierungs­partei Likud laut. Der Abgeordnet­e Benny Begin, Sohn des Likud-Gründers und ehemaligen Ministerpr­äsidenten Menachem Begin, enthält sich bei der Abstimmung. Er begründet dies damit, dass das Gesetz in seiner gegenwärti­gen Form die Rechte der arabischen Minderheit verletze. „Dies ist eine Entscheidu­ng, die ich von der Likud-Führung nicht erwartet hätte“.

Das Gesetz sieht auch eine Stärkung der Beziehunge­n zwischen Israel und jüdischen Gemeinden in der Diaspora vor. Das American Jewish Committee (AJC) reagiert jedoch „tief enttäuscht“. Das Gesetz gefährde die Verpflicht­ung der Gründervät­er zu einem jüdischen und demokratis­chen Staat, kritisiert die pro-israelisch­e Organisati­on. Das AJC ruft die Regierung auf, „die Grundprinz­ipien und Werte zu bekräftige­n, die das Fundament Israels als eine lebendige und bewunderte Demokratie ausmachen“.

Netanjahu betont im Parlament, Israel sei im Nahen Osten das einzige Land, das Bürgerrech­te respektier­e. Mit dem Gesetz sollten auch Versuche blockiert werden, Israels Existenzre­cht infrage zu stellen. „Dies ist unser Land, das Land der Juden“, ruft Netanjahu. „Lang lebe der Staat Israel!“

„Ich muss meinen Kindern heute sagen, (...), dass der Staat Israel erklärt hat, dass er uns hier nicht haben will.“

arabischer Abgeordnet­er im Parlament Israels, über das neue „Nationalit­ätsgesetz“

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