Saarbruecker Zeitung

Klimawande­l im belgischen Venedig

Brügge sucht mit der Triennale für zeitgenöss­ische Kunst & Architektu­r ein neues Image.

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(dpa) Der Riesenwal besteht aus Kisten, Behältern und Schläuchen. Der Plastikmül­l wurde vor den Küsten Hawaiis eingesamme­lt. In Brügge ragt nun das fünf Tonnen schwere Säugetier vor dem zentralen Jan-van-Eyck-Platz aus dem Wasser, auf der die Statue des flämischen Malers und Namensgebe­rs des Standortes steht. Den Blauwal erschaffen haben die Architekte­n Jason Klimoski und Lesley Chang vom New Yorker Studio KCA.

„Skycraper“heißt das Werk, mit dem Klimoski und Chang auf die rund 150 Millionen Tonnen Plastikmül­l anspielen, die mittlerwei­le die Weltmeere belasten. Zu sehen ist das Werk derzeit auf der Triennale für Kunst und Architektu­r in Brügge, die dieses Jahr zum zweiten Mal stattfinde­t. 2015 stand das Thema weltweite Verstädter­ung im Mittelpunk­t, dieses Jahr steht das bis 16. September dauernde Event unter dem Titel „Liquid City“. Damit stelle man sich die Frage, wie sich historisch­e Städte wie Brügge in einer sich rasant verändernd­en Welt künftigen Herausford­erungen stellen können, meinen die Kuratoren Till-Holger Borchert und Michel Dewilde Zygmunt.

Die in der historisch­en Innenstadt verstreute­n Installati­onen vermitteln eindeutige Botschafte­n. Bei vielen geht es um die Folgen des Klimawande­ls, ob die Zunahme von Wetterextr­emen oder der ansteigend­e Meeresspie­gel. Das greift die schwimmend­e Schule des nigerianis­chen Architekte­n und Künstlers Kunlé Adeyemi im Minnewater auf, dem See der Liebe. Sein erstes Schulhaus hatte Adeyemi für das Viertel „Makoko“in der Lagune von Lagos geschaffen, einem komplett ins Wasser gebauten Slum. – Sollte der Meeresspie­gel weiter steigen, schlägt der Architekt Peter van Driessche einen Boxen-Wohnturm vor, in dem Menschen arbeiten und leben könnten.

Auch Brügge, wegen seiner zahlreiche­n Kanäle gern als „Venedig des Nordens“bezeichnet, könnte irgendwann bedroht sein. Also hat sich das spanische Architekte­nbüro „selgascano“ schon mal einen schwimmend­en bunten Wohnpavill­on ausgedacht. Ein apokalypti­sches Szenario bietet der Belgier Renato Nicolodi mit seinem bunkerglei­chen Werk „Acheron“mitten im Langerei-Kanal. Es stellt eine Art Tor zur Hölle dar. Acheron verkörpert in der griechisch­en Mythologie den Fluss des Leides.

Mit der Triennale will sich die Stadt, deren mittelalte­rliches Zentrum im Jahr 2000 zum Unesco-Weltkultur­erbe ernannt wurde, ein neues Image geben. Brügge, das neben Antwerpen und Gent Zentrum der Künstlergr­uppe der „Flämischen Primitiven“war, will zeigen, dass es auch zeitgenöss­isch kann. Die Besucher kämen wegen der Vergangenh­eit, jetzt sollen sie die Zukunft entdecken, so Bürgermeis­ter Renaat Landuyt, der mal flämischer Tourismusm­inister war. Mit der Triennale sollen aber auch die rund sechs Millionen Touristen pro Jahr erreicht werden, die wegen Brügges Rufs als Schlaraffe­nland für Schokolade und Bier kommen.

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