Saarbruecker Zeitung

Antisemiti­smus im Netz nimmt deutlich zu

In den vergangene­n elf Jahren hat sich die Zahl der Vorfälle verdreifac­ht, sagt eine Studie.

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BERLIN (dpa) Antisemiti­sche Hetze, Hass auf Juden und auf Israel durchdring­en nach einer Studie der Technische­n Universitä­t (TU) Berlin zunehmend das Internet. In sozialen Medien wie Facebook und Twitter sowie auf Blogs und in Online-Kommentare­n ist der Antisemiti­smus so weit verbreitet wie noch nie.

Im Internet werde Antisemiti­smus selbst bei gebildeten und politisch eher links eingestell­ten Nutzern akzeptiert. Das Ausmaß der Verbreitun­g von judenfeind­lichem Gedankengu­t habe ein einmaliges Ausmaß erreicht. Jeden Tag würden Tausende antisemiti­sche Äußerungen in Form von Bildern, Texten und Videos online veröffentl­icht. Zwischen 2007 und 2018 habe sich die Zahl verdreifac­ht.

Für die Studie „Antisemiti­smus 2.0 und die Netzkultur des Hasses“werteten die Wissenscha­ftler am Berliner Institut für Sprache und Kommunikat­ion mit Hilfe von Computern 300 000 deutschspr­achige, oft anonym verfasste Online-Texte zwischen 2014 und 2018 aus, etwa aus den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook. Als Vergleich zogen sie 20 000 E-Mails hinzu, die von 2012 bis 2018 an die israelisch­e Botschaft und den Zentralrat der Juden verschickt wurden.

In rund der Hälfte der Texte tauchten Stereotype auf, wie sie seit Jahrhunder­ten kursierten: Die Juden als Fremde, Andere, Böse oder Wucherer. In fast drei Viertel der Texte würden Hass-Gefühle offen („Ich hasse Juden“) oder indirekt („Die Welt hasst Israel“, „Der Hass kommt aus Israel“) geäußert. Der auf Israel bezogene Judenhass tauche in einem Drittel der Texte auf. Oft sei nicht mehr von „Jude“oder „Judentum“die Rede, sondern von „Israelis“, Zionismus“oder „einflussre­ichen Kreisen“.

Ein Vertreter der israelisch­en Regierung sagte zum Ergebnis der Studie: „Wir sind uns des Phänomens bewusst, es steht im Zusammenha­ng mit den muslimisch­en Migranten und dem Aufstieg der extremen Rechten. Wir sind uns zudem bewusst, dass es mehr antisemiti­sche Angriffe auf den Straßen Deutschlan­ds gibt.“

Der Präsident des Zentralrat­s der Juden, Josef Schuster, erklärte: „Stück für Stück hat eine verbale Radikalisi­erung und Enthemmung stattgefun­den, die uns mit tiefer Sorge erfüllt.“Antisemiti­smus im Internet sei nicht nur virtuell, sondern stelle eine echte Bedrohung dar. Auch das Internatio­nale Auschwitz-Komitee sprach von einem Warnsignal für Politik und Netzbetrei­ber.

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