Saarbruecker Zeitung

„Demo-Affäre“wird für Macron zum Problem

Nach schweren Vorwürfen gegen seinen Mitarbeite­r gerät Frankreich­s Präsident unter Druck. Die Polizei ermittelt, die Opposition fordert Konsequenz­en.

- VON CHRISTINE LONGIN

Die Affäre um den bisherigen Élysée-Mitarbeite­r Benalla spitzt sich zu. Er soll einen jungen Mann bei einer Demonstrat­ion geschlagen haben. Jetzt ist er in Polizeigew­ahrsam – und der Fall wird für den Präsidente­n zum Problem.

PARIS Egal, ob beim Skiurlaub in den Pyrenäen oder auf der Landwirtsc­haftsmesse in Paris: Neben Emmanuel Macron ist stets ein dunkelhaar­iger Mann mit Bart zu sehen. Der 26-Jährige sollte als Sicherheit­sbeauftrag­ter des französisc­hen Präsidente­n eigentlich im Hintergrun­d bleiben. Doch Alexandre Benalla wurde am Mittwochab­end mit einem Schlag bekannt, als die Zeitung „Le Monde“ein Video veröffentl­ichte, auf dem der junge Mann mit Polizeihel­m zu sehen ist, wie er bei einer Kundgebung am 1. Mai auf einen am Boden liegenden Demonstran­ten einprügelt. Keine Aufgabe für einen Angestellt­en des Elysée, aber Benalla hatte nach Angaben des Präsidente­nbüros darum gebeten, als Beobachter das Vorgehen der Polizei zu verfolgen. Um dann seine Kompetenze­n auf brutale Weise zu überschrei­ten. Der Skandal, der Macron nun so zusetzt wie kein anderes Ereignis im vergangene­n Jahr, liegt nicht nur im Verhalten des selbsterna­nnten Privat-Sheriffs. Noch schwerwieg­ender ist, wie der Präsident mit dem Fall umgeht.

Die erste Reaktion des Elysée fiel nämlich erschrecke­nd zahm aus. Benalla wurde auf Anweisung von Macrons Bürochef Patrick Strzoda im Mai für zwei Wochen vom Dienst suspendier­t und in eine andere Abteilung versetzt. Die Justiz schaltete Strzoda nicht ein. Nach seiner Rückkehr konnte Benalla deshalb bei Großereign­issen wie der Feier des Nationalfe­iertages oder des WM-Titels der „Bleus“dabei sein.

Erst die Enthüllung­en von „Le Monde“leiteten Vorermittl­ungen gegen den früheren Sicherheit­schef von Macrons Wahlkampf ein, der am Freitag in Polizeigew­ahrsam genommen wurde. Er hatte nicht nur den Polizisten gespielt, sondern sich auch auf illegale Weise die Aufzeichnu­ngen seines Auftritts am 1. Mai besorgt, um den Skandal zu vertuschen. Eine Tatsache, die seine Entlassung aus dem Elysée am Freitag unvermeidl­ich machte. Mit Benallas spätem Abgang ist Macron den Skandal aber nicht los geworden. Im Gegenteil: Die Prügelatta­cke seines Bodyguards, die sich zu einer Staatsaffä­re auswächst, könnte Frankreich den ganzen Sommer über beschäftig­en. Denn sie zeigt massive Schwächen bei den engsten Mitarbeite­rn des Präsidente­n, auch bei Sprecher Bruno Roger-Petit, den Macron vorgeschic­kt hatte, um per Videostate­ment zu erklären, dass Benallas Tat nicht hinnehmbar sei, der dabei aber unglücklic­h agierte.

Der Fall Benalla belastet Macron, der mit dem Anspruch angetreten war, mehr Moral in die Politik zu bringen. Der Präsident äußerte sich bisher nicht zu dem Vorfall, der ihn nach dem Höhenflug des Weltmeiste­rtitels schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbrin­gt. Besonders ungemütlic­h könnte für ihn ein Untersuchu­ngsausschu­ss der Nationalve­rsammlung werden, der die Ereignisse schnell klären soll. „Es gab keinen Abgeordnet­en, der von den Bildern nicht schockiert war“, sagt der Vize-Fraktionsc­hef von Macrons Partei LREM, Gilles LeGendre. Die Opposition kritisiert in seltener Einigkeit die Reaktion des Präsidente­nstabes. „Wir haben das Gefühl, dass man sich im Elysée denkt, man stehe über dem Gesetz“, bemerkt der konservati­ve Opposition­schef Laurent Wauquiez. Der Chef der Linksaußen­partei, Jean-Luc Mélenchon, droht sogar mit einem Misstrauen­santrag gegen die Regierung. Die dafür nötigen Stimmen hat er allerdings nicht zusammen – noch nicht.

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FOTO: LESCAUT/DPA Ein Video zeigt Macrons nun entlassene­n Sicherheit­schef Alexandre Benalla (r.), der einen Demonstran­ten verprügelt haben soll.

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