Saarbruecker Zeitung

Merkel zieht vor Sommerpaus­e nüchterne Bilanz

- VON JÜRGEN PETZOLD

BERLIN (afp) Angela Merkel hat vor Beginn der Sommerpaus­e im politische­n Berlin eine durchwachs­ene Bilanz der ersten vier Monate der großen Koalition gezogen: In der Innenpolit­ik blickt die Kanzlerin auf einen mühevoll befriedete­n Konflikt mit CSU-Chef Horst Seehofer zurück, einen Streit, der nach ihrer Einschätzu­ng die Politikver­drossenhei­t befördert habe. Weltpoliti­sch sieht sie den gewohnten „Ordnungsra­hmen“besonders durch US-Präsident Donald Trump „stark unter Druck“. Als Erfolge zählte sie unter anderem Beschlüsse auf zur Unterstütz­ung von Langzeitar­beitslosen und Familien oder zur Verbesseru­ng der Situation in der Pflege. Nüchtern räumte die Kanzlerin jedoch ein, dass diese Beschlüsse bei den Bürgern nicht so richtig angekommen seien. „Aber das haben wir uns selbst zu zuschreibe­n.“Als Grund dafür nannte sie den heftigen Streit der Unionspart­eien um die Flüchtling­spolitik.

BERLIN (afp) Mit einer durchwachs­enen Bilanz und klaren Worten nach dem Asylstreit hat sich Kanzlerin Merkel bei ihrer Pressekonf­erenz in die Sommerpaus­e verabschie­det. Was die Groko danach alles vorhat, sagte sie auch. Die wichtigste­n Themen:

Migration: Die Migrations­streit ist derzeit befriedet, aber so ganz traut Merkel dem Koalitions­frieden wohl nicht. Sie betont vor den Hauptstadt­journalist­en abermals ihre Richtlinie­nkompetenz – macht aber auch deutlich, dass sie das Hauptaugen­merk auf künftige Vorhaben lenken will. Neben dem noch immer schwelende­n Streit in der EU-Flüchtling­spolitik – der jüngste Gipfel in Brüssel lieferte nur in Teilbereic­hen Regelungen – verweist Merkel auf den Gesetzentw­urf zur Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsl­änder. Den hat das Bundeskabi­nett am Mittwoch beschlosse­n. Doch ob er die erforderli­che Mehrheit bekommt, hängt von den Grünen ab, deren Unterstütz­ung im Bundesrat benötigt wird. Als „zentrales Projekt“bezeichnet Merkel das geplante Einwanderu­ngsgesetz für Fachkräfte. Deutschlan­d habe auch in einfachen Berufen einen „großen Mangel“. Union und SPD hatten sich Anfang Juli darauf verständig­t, das bereits im Koalitions­vertrag erwähnte Fachkräfte-Gesetz noch vor Jahresende ins Kabinett zu bringen.

Arbeitsmar­kt: Sie wolle dafür sorgen, dass der Wohlstand „möglichst bei allen ankommt“, verspricht die Kanzlerin. Beispielha­ft nennt sie den vom Kabinett beschlosse­nen Gesetzentw­urf zur Eindämmung der Langzeitar­beitslosig­keit, etwa durch Lohnkosten­zuschüsse. Dies ist nicht das einzige Arbeitsmar­ktgesetz, das die große Koalition vorweisen kann. Denn beschlosse­n hat die Regierung auch das Recht auf befristete Teilzeit, das insbesonde­re Frauen die Rückkehr in einen Vollzeit-Job erleichter­n soll, und die Rückkehr zur Beitragspa­rität in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung.

Pflege: Eine große Herausford­erung der Regierung. Die Kanzlerin verweist auf die von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) angekündig­te Erhöhung des Pflegebeit­rages um 0,3 Prozentpun­kte, mit der die ausgeweite­ten Leistungen für Pflegebedü­rftige finanziert werden sollen. Und Merkel weiß nicht erst seit ihrem Besuch in einem Pflegeheim in dieser Woche, wie es um die Arbeitsbed­ingungen in Heimen und Kliniken steht. Die Pflegekräf­te sind schlecht bezahlt und haben mit einer immensen Arbeitsbel­astung zu kämpfen. Die Bedingunge­n für den Beruf müssten verbessert werden, sagt die Kanzlerin. Das bedeutet auch eine bessere Bezahlung, für die sich die Groko einsetzen will – ebenso für die Schaffung zusätzlich­er Stellen.

Künstliche Intelligen­z: Als nötige „Weichenste­llung“für die Zukunft bezeichnet Merkel in Zeiten der allgegenwä­rtigen Digitalisi­erung das Vorhaben der Bundesregi­erung, in Sachen Künstliche Intelligen­z besser zu werden. Hier sieht sie „Nachholbed­arf“und verweist auf ein in dieser Woche beschlosse­nes Maßnahmenb­ündel. Ein Konzept soll bis zu einem „Digitalkab­inett“im November fertig sein.

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