Saarbruecker Zeitung

Die Kanzlerin wirkt so ideenlos wie die DFB-Elf

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Die Pressekonf­erenz am Freitag in Berlin erinnerte ein wenig an den Auftritt der deutschen Fußballer in Kasan: 90 Minuten Angela Merkel sind wie 90 Minuten Nationalma­nnschaft gegen Südkorea bei der WM in Russland. Reine Sachlichke­it. Keine Experiment­e. Das entscheide­nde Tor will einfach nicht fallen. Zu schwer die Beine, zu ideenlos der Sturm, zu satt wegen der alten Erfolge.

Das jedoch vorweg: Angela Merkels 23. Bundespres­sekonferen­z war zuallerers­t ein weiterer Beleg dafür, was die Kanzlerin auszeichne­t, wie sie schon immer gewesen ist. Eine Geduldige, die die Konflikte lösungsori­entiert und nicht brachial angeht. Merkel ist stets gut informiert und sehr konzentrie­rt bei der Sache. Auch diesmal wieder. Ideologie ist ihr fremd. Sie hat auf alles eine Antwort, wenn auch oft phrasenhaf­t. Das gehört zu ihrem kühlen Naturell. Aber: Merkel wagt sich nun mal nicht hervor. Ihr Kreativzen­trum lahmt, wenn es ein solches je gegeben hat. Hauptsache, es geht halbwegs gut voran. Doch nicht einmal das war zuletzt noch der Fall.

Ihre Pressekonf­erenz hat gezeigt, wie sehr ihr Verständni­s von Politik im Moment an Grenzen stößt. Wie sehr es sie auch verwirrt, dass die Sprache verroht und damit zunehmend das Denken und unter Umständen das Handeln. Die politische Welt um Merkel herum tickt völlig anders als noch vor ein paar Jahren. Angela ist sozusagen alleine zu Haus’, während die vermeintli­ch starken Männer ihre Allianzen schmieden, Bestehende­s und Bewährtes kippen – und auch noch ein Horst Seehofer zum Angriff gegen sie bläst.

Merkel antwortet darauf mit Beharrlich­keit, mit ihrer Leidenscha­ft, den Kompromiss zu finden. Dafür bittet sie um Verständni­s, weil das nun mal die Demokratie ausmacht. Diesmal erneut. Prinzipiel­l ist diese Haltung richtig, vor allem im internatio­nalen Geschäft. Doch es gibt eben auch Momente, da muss ein Politiker mit der Faust auf den Tisch hauen; den Mut haben, das eigene Amt dadurch in Gefahr zu bringen. Das hat Merkel beispielsw­eise im Konflikt mit Seehofer gescheut. Sie hat mit ihrer Richtlinie­nkompetenz lediglich gewedelt, aber sie nicht wirklich genutzt. Seehofer steht zwar nun als der Verlierer da, ohnehin wirkt er seit geraumer Zeit wie neben der Spur. Aber der Streit liegt auf Wiedervorl­age. Merkels Risiko, das sich aus ihrem mitunter zu seichten Politikver­ständnis ergibt.

Ansonsten gilt die alte Maxime: Weiter so. Die Kanzlerin setzt auf ihren (verblassen­den) Nimbus der Kontinuitä­t und Sicherheit in unruhigen Zeiten. Doch auch der erfordert mitunter Erfolge. Die sind jedoch Mangelware. Für die verbleiben­den drei Jahre ihrer Kanzlersch­aft, wenn sie bis zum Ende durchhält, muss da mehr kommen. Vor allem, was die Bewältigun­g der Probleme im Inland angeht – von Pflege bis Wohnungsno­t. Zu vielem, was die Bürger umtreibt, gab es in den 90 Minuten kein Wort. Kein Schuss, kein Tor. Wie bei der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft gegen Südkorea.

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