Saarbruecker Zeitung

Hat der Kreml Trump in der Hand?

Die schnelle Einladung des US-Präsidente­n an Putin schockiert auch Trumps Berater. Es kursieren mehrere Thesen zum Schmusekur­s mit Russland.

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WASHINGTON Die Einladung des Weißen Hauses an Russlands Staatschef Wladimir Putin zu einem weiteren Gipfel im Herbst diesen Jahres in Washington hat auch engste Mitarbeite­r des US-Präsidente­n kalt erwischt und schockiert. Die Offerte von Donald Trump soll nicht nur intern nicht abgestimmt worden sein, so das „Wall Street Journal“. Sie kommt auch zu einem Zeitpunkt, wo noch immer nicht klar ist, was beim jüngsten Treffen in Helsinki von beiden Staatschef­s unter vier Augen besprochen worden ist.

Trump scheint sich dazu weiter bedeckt zu halten – noch nicht einmal sein Geheimdien­stdirektor Dan Coats ist eingeweiht worden. Auch von der Einladung an Putin wusste er nichts. Diese Entwicklun­gen haben in Washington die Diskussion befeuert, was der Grund für den weitgehend kritiklose­n und von Geheimhalt­ung geprägten Schmusekur­s Trumps mit dem Kreml-Chef ist. Hier die wichtigste­n Thesen, die derzeit von Insidern und Beobachter­n in Erwägung gezogen werden:

Möglichkei­t eins: Trump will sich bewusst anders als frühere Präsidente­n geben. Was gerne vergessen wird, ist dies: Donald Trumps Erfolg im Wahlkampf 2016 fußte im Wesentlich­en darauf, dass er dem politische­n Establishm­ent in Washington den Kampf ansagte. „Den Sumpf trockenleg­en“war sein wichtigste­r Schlachtru­f. Das treibt den Präsidente­n an, mit seinem Verhalten „normale“Verhaltens­normen im Weißen Haus zu ignorieren.

Möglichkei­t zwei: Der Kreml hält belastende­s Material über Trump in den Hand. Die Frage einer möglichen Erpressbar­keit des Präsidente­n rückt immer mehr in den Vordergrun­d. Ein von den US-Demokraten mitfinanzi­ertes Dossier des früheren britischen Geheimagen­ten Christophe­r Steele erwähnt etwa ein angebliche­s Video, gedreht im Ritz Carlton in Moskau. Es soll Trump bei perversen Sexpraktik­en mit Prostituie­rten zeigen. Kein Geheimnis ist, dass der KGB permanent bei Prominente­n versucht, kompromitt­ierendes Material zu gewinnen. Ob das Video tatsächlic­h existiert, ist unklar. Möglich ist auch, dass sich Moskau Kopien der von Trump bisher unter Verschluss gehaltenen Steuererkl­ärungen gesichert hat, die über anrüchige Geschäfte Auskunft geben könnten.

Möglichkei­t drei: Trump will Zweifel an der Legitimitä­t seines Sieges verwischen. Erst mit einem unglaubwür­digen Korrekturv­ersuch („Ein Verspreche­r“) hatte Trump versucht, den Eindruck vom Tisch zu wischen, dass er den eigenen Geheimdien­sten in Sachen Wahlbeeinf­lussung nicht glaubt – sondern Putins in Helsinki wiederholt­es Dementi für bare Münze nimmt. Ob der US-Präsident, wie er jetzt in einem CBS-Interview sagte, Putin im Vier-Augen-Gespräch in Sachen Einmischun­g tatsächlic­h abgemahnt hat, wissen nur Trump, Putin und die beiden Dolmetsche­r. Die US-Demokraten wollen die Trump zugeteilte Übersetzer­in nun zu einer Anhörung vorladen lassen – doch das Weiße Haus dürfte dies mit aller Kraft blockieren, um die Vertraulic­hkeit des Gesprächs zu wahren und möglicherw­eise heikle Aussagen nicht bekannt werden zu lassen.

Möglichkei­t vier: Trump ist ein „Maulwurf“und russischer Agent. Ja, auch diese einem Hollywood-Drehbuch ähnelnde These wird in der US-Hauptstadt debattiert. Zum Beispiel sorgt Trumps Politik für Argwohn, die Nato in Frage zu stellen. Seine Vergangenh­eit sorgt ebenfalls für Misstrauen. Schon 1987 hielt sich der Geschäftsm­ann Trump erstmals in Moskau auf. Kurze Zeit später fing er erstmals an, sich politisch zu engagieren.

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FOTO: NIKOLSKYL/AFP Noch immer ist unklar, was Donald Trump und Wladimir Putin in Helsinki besprochen haben.

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