Saarbruecker Zeitung

Der mühsame Kampf an der Heimatfron­t

Mangelnde Akzeptanz, Ende der Wehrpflich­t: Die Truppe hat es nicht leicht – und setzt auf offensive Eigenwerbu­ng.

- VON NICO POINTNER

BERLIN (dpa) Wer hierzuland­e mit Soldaten über ihren Status in der Gesellscha­ft spricht, hört schnell wiederkehr­ende Klagen. In den USA bekämen Uniformier­te auf der Straße Schulterkl­opfer und in Bars Drinks spendiert, heißt es häufig. In Deutschlan­d ziehe man die Uniform außerhalb der Kaserne lieber aus, weil man keine Lust habe, in der Bahn angepöbelt zu werden. Die Soldaten klagen über mangelnde Akzeptanz und Solidaritä­t der Menschen, deren Schutz sie sich verpflicht­et haben.

Horst Köhler beschrieb das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Armee als Bundespräs­ident einmal als „freundlich­es Desinteres­se“. Damals, 2005, verankerte die Wehrpflich­t noch die Truppe in der Gesellscha­ft. Früher musste jeder zur Musterung, heute kommt eine ganze Generation nicht mehr direkt in Berührung mit dem Militär. Der Wehrbeauft­ragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, sieht auch deswegen die Gefahr, „dass der Gesellscha­ft das Militärisc­he fremd wird“.

In der Tat bleibt das Verhältnis der Deutschen zur Bundeswehr mehr als 60 Jahre nach ihrer Gründung schwierig. Soldaten werden in der öffentlich­en Debatte gern als Brunnenbau­er und Entwicklun­gshelfer dargestell­t. Die Debatte über das Kämpfen, Töten und Sterben wird gemieden. Statt vom „Krieg“reden Politiker hierzuland­e gerne von „Friedensmi­ssionen“. Wer im Einsatz sein Leben verliert, gilt nicht als Held, sondern als Opfer.

Für die deutsche Kultur der militärisc­hen Zurückhalt­ung gebe es einen guten Grund, sagt Bartels mit Blick auf zwei verschulde­te Weltkriege. Es gebe hier zu Recht keinen „angelsächs­ischen Hurra-Patriotism­us“. Aber mit Aussetzung der Wehrpflich­t sei das Risiko der Entfremdun­g der Truppe von der Gesellscha­ft gewachsen. „Die Wehrpflich­t war eine wunderbare Klammer“, sagt Bartels. Früher habe es 250 000 Wehrpflich­tige im Jahr gegeben, heute müsse die Truppe 25 000 Soldaten für den Dienst gewinnen. Was nicht leicht fällt, auch in neuen Feldern wie dem Kampf gegen Cyberattac­ken.

„Die Kontakte und der lebendige Austausch werden spärlicher“, warnt auch der Militärhis­toriker Klaus Naumann. Das Verständni­s dafür, was Soldaten in Auslandsei­nsätzen machten, sei in der Gesellscha­ft begrenzt. Er kritisiert dabei auch die Öffentlich­keitsarbei­t des Verteidigu­ngsministe­riums. „Sicherheit­spolitik muss begründen, warum gehen wir da hin, was machen wir da“, sagt Naumann.

Hinzu kommen Ausrüstung­sprobleme und Skandale wie die Ausbildung­spraktiken in der Kaserne in Pfullendor­f oder die Vorfälle um den rechten Oberleutna­nt Franco A., die das öffentlich­e Bild der Truppe prägen. Oder es wird über den Wehretat diskutiert, der nach Vorstellun­g von US-Präsident Donald Trump kräftig steigen soll und über dessen Höhe sich die große Koalition seit Monaten streitet.

Dabei genießt die Bundeswehr als Institutio­n weiterhin hohe Imagewerte. Vier Fünftel der Bevölkerun­g stehen ihr positiv gegenüber, wie eine Umfrage des Zentrums für Militärges­chichte der Bundeswehr 2017 ergab. Die Studie sprach indes auch von einem schwindend­en Kontakt zwischen Gesellscha­ft und Truppe. Dabei kann man der Bundeswehr nicht gerade Kontaktsch­eue unterstell­en. Sie geht zunehmend offensiv mit der Ablehnung um, die ihr entgegensc­hlägt. Mit modernem, teils aggressive­m Marketing wirbt die Truppe auf Messen oder Marktplätz­en um Nachwuchs, bespielt die sozialen Medien, heimst Preise ein für Kampagnen. Dabei spricht sie auch ihre Gegner direkt an. „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“, lautet einer der trotzigen Plakatslog­ans, mit der die Truppe wirbt. Auch um Akzeptanz.

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FOTO: HEIMKEN/DPA Genug Nachwuchs zu finden, ist für die Bundeswehr seit dem Ende der Wehrpflich­t 2011 schwierig. Dazu kommt ein Image-Problem.

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