Der mühsame Kampf an der Heimatfront
Mangelnde Akzeptanz, Ende der Wehrpflicht: Die Truppe hat es nicht leicht – und setzt auf offensive Eigenwerbung.
BERLIN (dpa) Wer hierzulande mit Soldaten über ihren Status in der Gesellschaft spricht, hört schnell wiederkehrende Klagen. In den USA bekämen Uniformierte auf der Straße Schulterklopfer und in Bars Drinks spendiert, heißt es häufig. In Deutschland ziehe man die Uniform außerhalb der Kaserne lieber aus, weil man keine Lust habe, in der Bahn angepöbelt zu werden. Die Soldaten klagen über mangelnde Akzeptanz und Solidarität der Menschen, deren Schutz sie sich verpflichtet haben.
Horst Köhler beschrieb das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Armee als Bundespräsident einmal als „freundliches Desinteresse“. Damals, 2005, verankerte die Wehrpflicht noch die Truppe in der Gesellschaft. Früher musste jeder zur Musterung, heute kommt eine ganze Generation nicht mehr direkt in Berührung mit dem Militär. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, sieht auch deswegen die Gefahr, „dass der Gesellschaft das Militärische fremd wird“.
In der Tat bleibt das Verhältnis der Deutschen zur Bundeswehr mehr als 60 Jahre nach ihrer Gründung schwierig. Soldaten werden in der öffentlichen Debatte gern als Brunnenbauer und Entwicklungshelfer dargestellt. Die Debatte über das Kämpfen, Töten und Sterben wird gemieden. Statt vom „Krieg“reden Politiker hierzulande gerne von „Friedensmissionen“. Wer im Einsatz sein Leben verliert, gilt nicht als Held, sondern als Opfer.
Für die deutsche Kultur der militärischen Zurückhaltung gebe es einen guten Grund, sagt Bartels mit Blick auf zwei verschuldete Weltkriege. Es gebe hier zu Recht keinen „angelsächsischen Hurra-Patriotismus“. Aber mit Aussetzung der Wehrpflicht sei das Risiko der Entfremdung der Truppe von der Gesellschaft gewachsen. „Die Wehrpflicht war eine wunderbare Klammer“, sagt Bartels. Früher habe es 250 000 Wehrpflichtige im Jahr gegeben, heute müsse die Truppe 25 000 Soldaten für den Dienst gewinnen. Was nicht leicht fällt, auch in neuen Feldern wie dem Kampf gegen Cyberattacken.
„Die Kontakte und der lebendige Austausch werden spärlicher“, warnt auch der Militärhistoriker Klaus Naumann. Das Verständnis dafür, was Soldaten in Auslandseinsätzen machten, sei in der Gesellschaft begrenzt. Er kritisiert dabei auch die Öffentlichkeitsarbeit des Verteidigungsministeriums. „Sicherheitspolitik muss begründen, warum gehen wir da hin, was machen wir da“, sagt Naumann.
Hinzu kommen Ausrüstungsprobleme und Skandale wie die Ausbildungspraktiken in der Kaserne in Pfullendorf oder die Vorfälle um den rechten Oberleutnant Franco A., die das öffentliche Bild der Truppe prägen. Oder es wird über den Wehretat diskutiert, der nach Vorstellung von US-Präsident Donald Trump kräftig steigen soll und über dessen Höhe sich die große Koalition seit Monaten streitet.
Dabei genießt die Bundeswehr als Institution weiterhin hohe Imagewerte. Vier Fünftel der Bevölkerung stehen ihr positiv gegenüber, wie eine Umfrage des Zentrums für Militärgeschichte der Bundeswehr 2017 ergab. Die Studie sprach indes auch von einem schwindenden Kontakt zwischen Gesellschaft und Truppe. Dabei kann man der Bundeswehr nicht gerade Kontaktscheue unterstellen. Sie geht zunehmend offensiv mit der Ablehnung um, die ihr entgegenschlägt. Mit modernem, teils aggressivem Marketing wirbt die Truppe auf Messen oder Marktplätzen um Nachwuchs, bespielt die sozialen Medien, heimst Preise ein für Kampagnen. Dabei spricht sie auch ihre Gegner direkt an. „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“, lautet einer der trotzigen Plakatslogans, mit der die Truppe wirbt. Auch um Akzeptanz.