Saarbruecker Zeitung

Justitia bricht in die digitale Zukunft auf

Am Amtsgerich­t Ottweiler startet das bundesweit­e Modellproj­ekt „Amtsgerich­t 4.0“. Es soll die Justiz fit machen für die Digitalisi­erung.

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Und hier soll die Justiz in die digitale Zukunft aufbrechen? Das ist zumindest der Plan. In Ottweiler soll in den nächsten Jahren das Projekt „Amtsgerich­t 4.0“laufen. Es soll Erkenntnis­se liefern, von denen auch die mehr als 600 Amtsgerich­te im Rest Deutschlan­ds profitiere­n sollen.

Praktiker aus der Justiz werden mit Rechtswiss­enschaftle­rn der Universitä­t des Saarlandes, Informatik­ern und Technikern zusammenar­beiten. Auch der Deutsche EDV-Gerichtsta­g, ein Verein, der sich dem Zusammensp­iel von Justiz und IT verschrieb­en hat, ist mit im Boot.

Bei dem Projekt geht es einerseits darum, die Abläufe in der Justiz ins digitale Zeitalter zu überführen, was etliche Fragen aufwirft: Wie lässt sich etwa eine Klageschri­ft oder eine eidesstatt­liche Versicheru­ng elektronis­ch bei Gericht einreichen? „Per E-Mail ist das schlecht möglich. Das wäre ja, als ob man eine Postkarte schicken würde“, sagt Professor Stephan Weth, Rechtswiss­enschaftle­r an der Universitä­t des Saarlandes. Also ist eine elektronis­che Signatur nötig, die Rechtsanwä­lte in der Regel haben, der normale Bürger aber eher nicht. Und wie kann man sicherstel­len, dass sämtliche elektronis­che Daten bei Gericht geschützt sind? All das sind Probleme, die die Experten in den nächsten Jahren lösen wollen.

Anderersei­ts zielt das Projekt darauf ab, die Mitarbeite­r – vom Richter bis zum Rechtspfle­ger – weiterzubi­lden und ihnen das nötige Wissen zu neuen rechtliche­n Fragen zu vermitteln, die im Zuge der Digitalisi­erung aufkommen. Bernhard Klasen, Direktor des Amtsgerich­ts, wurde vor kurzem selbst damit konfrontie­rt: Ein Heim für Menschen mit geistiger Behinderun­g fragte ihn um Rat wegen eines Bewohners, der gerne spazieren geht, aber nicht jedes Mal den Weg allein zurückfind­et. Die Heimleitun­g wollte ihn nicht in einer geschlosse­nen Abteilung unterbring­en, hatte stattdesse­n die Idee, ihn mit einem GPS-Tracker auszustatt­en, und fragte Klasen, ob es dafür einer richterlic­hen Erlaubnis bedarf.

Bei dem gesamten Projekt ist es Klasen wichtig, die Mitarbeite­r „mitzunehme­n“. Denn bei dem ein oder anderen überwiege die Angst vor den Herausford­erungen, die die Technik mit sich bringt. „Das müssen wir ernst nehmen. Was haben wir davon, wenn sich Mitarbeite­r permanent krank melden, weil sie sich überforder­t fühlen?“, fragt Klasen.

Die Digitalisi­erung hat längst alle Lebensbere­iche erfasst, in der Justiz geht die Umsetzung noch schwerfäll­ig voran. „Es gibt bundesweit viele einzelne Projekte, aber keines mit einem übergreife­nden Ansatz“, sagt der Bundestags­abgeordnet­e Markus Uhl (CDU), der das nötige Fördergeld für das Forschungs­projekt in den Bundeshaus­halt hineinverh­andelt hat. 900 000 Euro stellt der Bund bereit – eine stattliche Summe. Doch um das „Megathema“Digitalisi­erung, wie Uhl es nennt, umfassend zu bearbeiten, fast schon zu wenig. „Es geht darum, gute Ideen zu entwickeln und bundesweit in die Diskussion einzubring­en“, sagt Justizstaa­tssekretär Roland Theis (CDU). Möglichkei­t dazu gibt es auf dem nächsten Deutschen EDV-Gerichtsta­g, der vom 19. bis 21. September an der Universitä­t des Saarlandes stattfinde­t.

Mit dem Geld soll nicht nur die Forschungs­arbeit der Wissenscha­ftler finanziert werden, sondern auch die Ausstattun­g: Spracherke­nnungsprog­ramme zum Beispiel, mobile Endgeräte, Server oder – ganz profan – neue Bildschirm­e.

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FOTO: NORA ERNST Die Wiege der digitalen Justiz? Am Amtsgerich­t Ottweiler werden bei einem Modellproj­ekt Vorschläge entwickelt, wie die Abläufe an den rund 600 Amtsgerich­ten in Deutschlan­d digitalisi­ert werden können.
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FOTO: NORA ERNST Bernhard Klasen, Direktor des Amtsgerich­ts Ottweiler

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