Auf dieser Insel steht die Zeit still
Wer Urlaub auf Skopelos machen will, muss übers Wasser anreisen. Einen Flughafen oder eine Brücke gibt es nicht.
SKOPELOS Frühmorgens kräht von irgendwoher ein Hahn, draußen weht die Wäsche der Nachbarn im Morgenwind auf der Leine, und in der Ferne nähert sich übers Mittelmeer die erste Fähre des neuen Tages. Aus einem Radio wehen leise Strophenfetzen von griechischen Schmacht-Schlagern herüber. Das lauteste Geräusch ist der dumpfe Aufschlag einer reifen Orange, die vom Baum im Innenhof herunterfällt. Der gestrige Abend in der Taverne, der Geruch nach gegrilltem Fisch, die Gitarrenmusik, das Plätschern der Wellen an der Kaimauer von Skopelos-Stadt, die vielen entspannten Gesichter: alles Geschichte. Fürs Erste. Wie gut, dass all das einen Dreivierteltag später wieder auf dem Spielplan stehen wird. Wie immer um diese Jahreszeit auf Skopelos in den Nördlichen Sporaden, diesem Eiland, auf der nur 5000 Menschen leben.
Inseln fühlen sich anders an, wenn sie keinen Flughafen haben. Und keine Brücke. Wenn die Ankömmlinge erst noch aufs Boot umsteigen müssen und erst recht, wenn das auch noch im Ruf steht, nie pünktlich zu sein. Die ganz Eiligen, die Hektischen und all die Wochenend-Kurzurlauber kommen dann nicht. Es sei denn, sie besitzen eine eigene Yacht.
Wer nach Skopelos reist, bleibt meist für ein oder zwei Wochen, schaltet wirklich ab und strahlt das auch aus. Und als sollte all das noch unterstrichen werden, gibt es im Hauptort Skopelos-Stadt nicht mal wirkliche Adressen: kaum Straßennamen, keine Hausnummern, nur so etwas wie „erste links neben der Taverne mit der hellblauen Markise, dann zweite rechts, das weiße Haus mit der dunklen Holztür und den Bougainvillea“. Das hat immer gereicht, um am Ende zu finden, was man sucht. Noch heute ist das so. Und auch der Postbote kommt damit klar.
Um nach Skopelos zu kommen, müssen Reisende erst nach Athen oder Thessaloniki, dann auf die kleinere Schwesterinsel Skiathos fliegen, von dort das Schiff nehmen und nochmal eine Dreiviertelstunde über die Wellen rauschen. Wer weiter will bis nach Alonissos, muss sogar nochmal umsteigen. Zur Belohnung wird er es dort aber noch ruhiger, noch authentischer haben.
Etliche Privathäuschen werden auf der Sporadeninsel rund 150 Kilometer Luftlinie von Athen an Touristen vermietet, manche davon mitten im historischen Zentrum von Skopelos-Stadt. Im Schnitt sind sie rund 40 bis 50 Quadratmeter groß, zwei bis drei Geschosse hoch, mit eigener Küche, Dusche, Toilette, olivenholzbefeuertem Kamin für die Wintermonate, mit Innenhof oder Balkon – keines in Allerweltseinrichtung, alle geprägt vom Geschmack des Besitzers.
Die Häuser gehören oft Griechen, die hier auf der Insel geboren sind und jetzt in anderen Teilen der Welt leben. Sie selber kommen nur für ein paar Wochen im Jahr auf die Heimatinsel zurück. Wäscheleinen und durchhängende Stromkabel ziehen sich von Haus zu Haus. Kinder spielen auf kleinen Plätzen Fußball. Krämerläden verkaufen Schafskäse, Oliven, Wein, kleine Alltagsköstlichkeiten für die Momente, wenn die Tavernen noch geschlossen sind.
Skopelos ist grüner als die Nachbarinseln, verfügt über Steilküsten und Strände, Haine aus Mandel-, Pflaumen- und Feigenbäumen, dichte Wälder und ein Netz an asphaltierten Straßen von weniger als fünfzig Kilometern auf diesem 96 Quadratkilometer kleinen Eiland. Wanderer stapfen auf schmalen Sandwegen durch die Berge, durch Olivenhaine und können in Klöstern Station machen. Was sie dabei aber von fast überall sehen? Das Mittelmeer. Und manchmal auch das Boot mit den Neuankömmlingen, mit dem nächsten Schwung der Teilzeit-Aussteiger, auf der Suche nach Ruhe. www.skopelostravel.net www.visitgreece.gr/en