Saarbruecker Zeitung

„Der Schuss ging nach hinten los“

Die Sportrepor­ter-Legende hat kein Verständni­s für Mesut Özil. Gleichwohl habe auch DFB-Präsident Reinhard Grindel Fehler gemacht.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE HAGEN STRAUSS.

„Ich werde nicht mehr

für Deutschlan­d auf internatio­naler Ebene spielen, solange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlos­igkeit verspüre.“

Mezut Özil

Ilkay Gündogan

Joachim Löw

Herr Hartmann, haben Sie Verständni­s für Mesut Özil?

HARTMANN Zunächst einmal habe ich kein Verständni­s für den Tag seiner Erklärunge­n. Denn er ist direkt danach mit Arsenal nach Singapur geflogen. Damit entzieht sich Özil allen Rückfragen oder Nachfragen. Das ist feige. Und für einen Großteil seiner Äußerungen habe ich auch kein Verständni­s.

Sie kennen Özil. Was ist er für ein Typ?

HARTMANN Ich bin mir sicher, seine Erklärunge­n sind ihm nicht selbst eingefalle­n. Das waren seine Berater. Ich verfolge seinen Werdegang schon lange. Er ist kein politische­r Mensch, er hat fast nur den Ball im Kopf. Aber er hätte mittlerwei­le verstehen müssen, ob gewollt oder nicht, dass sein Foto mit Erdogan politisch verstanden worden ist. In der gesamten Diskussion kommt mir übrigens ein Umstand zu kurz: Özil und Jogi Löw haben denselben Berater.

Was wollen Sie damit andeuten? Hat Löw deswegen Özil mit zur WM genommen?

HARTMANN Nein, das will ich damit nicht sagen. Aber: Der Independen­t hat mal geschriebe­n, Özil ist der beste Mittelfeld­spieler der Welt, wenn du 2:0 führst. Er ist ein exzellente­r Fußballer. In großen Spielen sieht man ihn aber seit einigen Jahren nicht mehr brillieren. Deswegen wird Özil auch zum Teil von den Arsenal-Fans verspottet. Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann.

Das ist die sportliche Seite. Politisch steht nun Özils Vorwurf des Rassismus im Raum – speziell gegen den DFB und seinen Präsidente­n Reinhard Grindel. Was sagen Sie dazu?

HARTMANN Ich bin mir sicher: Özil und seine Berater haben diesen Vorwurf kalkuliert erhoben. Auch sie haben mitbekomme­n, dass Rassismus in Deutschlan­d gerade ein hochsensib­les Thema ist. Mein Eindruck ist, man wollte sich damit in die Opferrolle begeben. Nur ist dieser Schuss jetzt nach hinten losgegange­n.

Schaut man jedoch, wie im Netz über Özil hergezogen wird, kann man durchaus Verständni­s für ihn haben.

HARTMANN Das Netz ist für mich ein qualliger Begriff. Was sich dort abspielt, ist überhaupt kein Argument. Wenn irgendwelc­he 300 Volldeppen sich äußern, ist das angeblich schon das Netz und Volkes Meinung. So ein Quatsch.

Der am Sonntag zurückgetr­etene

Fußball-Nationalsp­ieler

„Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild

ein politische­s Statement abzugeben.“

Wird es eng für DFB-Präsident Grindel?

HARTMANN Grindel hat elementare Fehler in der Aufarbeitu­ng der Affäre gemacht. Die muss er erklären. Er hat Özil im Regen stehen lassen. Das ist wahr. Auch ist es falsch von Grindel gewesen, vor der WM den Vertrag mit Jogi Löw zu verlängern. Da muss ich doch erst einmal den Verlauf der Veranstalt­ung abwarten. Ich bin aber keiner, der nach Rücktritte­n schreit.

Spieler bei der deutschen Nationalel­f

„Es war keine glückliche Aktion. Wenn

man für Deutschlan­d spielt, dann vertritt man das Land und die deutschen Werte.“

Fußball-Nationaltr­ainer

 ?? FOTO: KIESELBACH/DPA ?? Der deutsche Sport-Journalist Waldemar Hartmann
FOTO: KIESELBACH/DPA Der deutsche Sport-Journalist Waldemar Hartmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany