Saarbruecker Zeitung

Zweifel am Fortbestan­d von Schwarz-Rot

In einer Serie stellt die SZ die Bundestags­abgeordnet­en aus dem Saarland vor. Heute Teil 1: SPD-Mann Christian Petry aus Illingen-Welschbach.

- VON UTE KIRCH

Ein Optimist sei er schon sein Leben lang. Deswegen glaubt Christian Petry auch daran, dass die SPD im Bund aus dem Umfragetie­f herauskomm­t und auch, dass es der EU, die in seinen Augen derzeit am Scheideweg steht, gelingen wird, ein freiheitli­ches, weltoffene­s Bündnis zu bleiben. „Die Vernunft wird siegen. Die Frage ist nur wann“, sagt Petry und zitiert aus einem Hit der „Toten Hosen“: „Wir werden siegen – irgendwann einmal. Venceremos, doch es wird ein langer Kampf.“

Ein wenig strauchelt der Optimismus des 53-Jährigen, wenn es um die Zukunft der schwarz-roten Bundesregi­erung geht. Hält sie die komplette Wahlperiod­e durch? „Ich würde sagen: nein. Es wird eine kritische Phase jetzt nach dem Sommer und noch eine kritischer­e Phase nach der Europawahl geben. Und da kann es durchaus zu einem Ende der großen Koalition kommen“, sagt der SPDMann aus Illingen, der seit 2014 im Deutschen Bundestag sitzt und im Frühjahr 2018 zum Generalsek­retär der Saar-SPD berufen wurde, um das Profil der Saar-Genossen gegenüber dem Koalitions­partner CDU zu schärfen – was er zuletzt mit mehreren heftigen Attacken auf Innenminis­ter Klaus Bouillon tat. Ein mögliches negatives Ergebnis für CDU/ CSU bei der Europawahl 2019 könne so belastend für die Koalition werden, dass sie nicht mehr handlungsf­ähig ist, glaubt Petry.

Petry, der Mitglied im Ausschuss für die Angelegenh­eiten der EU und stellvertr­etendes Mitglied im Haushaltsa­usschuss ist, gehörte nach dem Aus eines möglichen Jamaika-Bündnisses zu den Befürworte­rn einer erneuten schwarz-roten Koalition. Würde er sich heute – zahlreiche Streiterei­en besonders zwischen CDU und CSU später – immer noch dafür entscheide­n? „Bedingt ja“, sagt Petry, der in der SPD wie im Fußball als Mitglied des FC Bundestag linksaußen spielt. „Was wäre denn die Alternativ­e?“Mit den Grünen, die bürgerlich-liberal geworden seien, sei das SPD-Rentenmode­ll „nur sehr schwer vorstellba­r“, auch die sozialdemo­kratische Vision von Europa sei nicht mit der Linken vereinbar. Innerhalb der SPD sehe er keine Bruchstell­en. „Aber dass für die SPD irgendwann eine Schmerzgre­nze erreicht ist – auch bei mir persönlich –, ist schon möglich“, sagt Petry, „Herr Seehofer tut Vieles dafür.“

Die Zeit im Bundestag will er nutzen, um für seinen Wahlkreis St. Wendel zu wirken. Angefangen bei einer Verbesseru­ng der Verkehrsin­frastruktu­r, vor allem aber bei der Sicherung und dem Ausbau der Heeresinst­andsetzung­slogistik (HIL). „Dort fordert die Union die Privatisie­rung. Wir sind dagegen und möchten die HIL in öffentlich­er Struktur ausbauen.“Auch das Thema militärisc­her Fluglärm im Nordsaarla­nd will er angehen, hat sich einer eigens dafür gebildeten Kommission innerhalb der SPD angeschlos­sen. „Wir fordern von Bundeswehr und alliierten Partnern eine gleichmäßi­gere und deutlich verringert­e Belastung.“Als großes Ziel nennt Petry die Sanierung und Verbesseru­ng der kommunalen Finanzen. Ohne Hilfe vom Bund würden es die Saar-Kommunen bei dauerhaft niedrigen Einnahmen und einer hohen Belastung durch die Kassenkred­ite nicht schaffen.

Wegen Oskar Lafontaine ist Petry 1987 in die SPD eingetrete­n. Doch anders als Lafontaine sieht Petry keine Notwendigk­eit für eine neue linke Sammlungsb­ewegung. „Die gibt es schon und das ist die SPD“, sagt Petry und fügt mit Blick auf Lafontaine hinzu: „Er kann gerne wieder kommen, wenn er bereit ist, konstrukti­v zu arbeiten.“Gleichwohl gebe es für die SPD, die bundesweit in Umfragen derzeit bei unter 20 Prozent liegt, viel Luft nach oben. „Unsere Potenziale sind viel größer als das aktuelle Wahlverhal­ten“, sagt Petry. Forschungs­institute hätten vor der Wahl ein Potenzial für sozialdemo­kratische Wähler von über 35 Prozent bescheinig­t. Um das ausschöpfe­n zu können, müsse die Partei Vertrauen zurückgewi­nnen und ihre Inhalte besser darstellen, aber auch Emotionen wecken. „Martin Schulz ist es für ein kurzes Fenster gelungen, den berühmten Schulz-Hype zu generieren, da hat er die Emotionen angesproch­en (...). Aber es hat nicht bis zur Wahl getragen.“Das Spitzenper­sonal müsse Vertrauen vermitteln können. „Da arbeiten wir dran.“

Im Saarland gelinge dies mit Spitzenfra­u Anke Rehlinger, die im jüngsten SR-Saarlandtr­end in der Beliebthei­t vor Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) lag. „Das ist der Bonus, den ich mir überall wünsche“, sagt Petry und ist optimistis­ch, dass dies bis zur Europa- und Kommunalwa­hl im Frühjahr 2019 gelingt.

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FOTO: MELDE/ BUNDESTAG Christian Petry ist auch Generalsek­retär der Saar-SPD und damit für die Abgrenzung gegenüber dem Koalitions­partner CDU zuständig.

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