Saarbruecker Zeitung

Zwei Kapitäne und ein lauernder Dritter

Wer gewinnt die Tour de France 2018 – Thomas oder Froome (beide Sky) oder Zeitfahr-Weltmeiste­r Dumoulin?

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(sid) Der historisch­e fünfte Tour-Sieg? Unwichtig. Das Ende seiner jahrelange­n Dominanz? Nebensächl­ich. Chris Froome lächelte genügsam, als der Titelverte­idiger der Tour de France seinem Edelhelfer Geraint Thomas vor den letzten Prüfungen in den Pyrenäen alle Unterstütz­ung im Kampf um das Gelbe Trikot zusicherte. Ob er für Thomas auf seine eigenen Ambitionen verzichten würde, wurde Froome am zweiten Ruhetag gefragt. Die Antwort war kurz und deutlich: „Ja.“Muss der Gesamtführ­ende Thomas ihm im Falle einer Schwächeph­ase helfen? „Nein. Solange ein Sky-Fahrer in Paris oben auf dem Podium steht, bin ich glücklich.“

Froome erteilte seinem langjährig­en Teamkolleg­en und Kumpel, mit dem er am Montag öffentlich Nettigkeit­en austauscht­e, überrasche­nd die Erlaubnis, selbst auf Sieg zu fahren. Die Teamhierar­chie ist auf den Kopf gestellt, die Debatte um die Kapitänsfr­age bei Sky beendet. „Wir sind in einer großartige­n Position. Es ist nicht unsere Aufgabe zu attackiere­n. Die anderen Fahrer müssen versuchen, Zeit auf uns gutzumache­n“, sagte Froome.

Oder war doch alles nur ein großer Bluff? „Wer weiß . . .“, sagte Froome, bevor er sich lachend zu einer Trainingsf­ahrt um Carcassonn­e aufmachte. Sky und im Speziellen Froome sind seit Beginn der Tour de France wegen der Asthmamitt­el-Affäre steten Anfeindung­en ausgesetzt. Buhrufe und Pfiffe sind noch die harmlosest­en Auswüchse der Unmutsbeku­ndungen. Es ist gut möglich, dass Sky, bekannt für penible Planungen, Froome möglichst lange das Gelbe Trikot ersparen und den 33-Jährigen so schützen will.

Ein Freifahrts­chein für den Helfer wäre ein Novum bei der britischen Équipe. 2012 etwa hatte Froome zugunsten des schwächere­n Bradley Wiggins auf die Siegchance verzichten müssen. Im Vorjahr, bei Froomes viertem Gesamtsieg, war der Spanier Mikel Landa der Leidtragen­de. Am Samstag steht auf der 20. Etappe ein hügeliges Zeitfahren auf dem Plan. Womöglich würde Froome erst dann ins Maillot jaune fahren – und schließlic­h in Paris feiern.

Die größte Gefahr für Froome und Thomas kommt nicht aus den eigenen Reihen. Sie heißt Tom Dumoulin. Der Niederländ­er vom in Deutschlan­d lizenziert­en Team Sunweb fährt eine glänzende Tour. Er liegt in der Gesamtwert­ung auf Rang drei, 1:50 Minuten hinter Thomas, nur elf Sekunden hinter Froome. In den Alpen bewegte er sich stets auf einem Level mit dem SkyDuo. Auch auf den Überführun­gsetappen in Südfrankre­ich zeigte Dumoulin keine Schwächen. Doch wird das so bleiben? Dumoulin, 27, steckt der Giro d‘Italia in den Knochen, den er im Mai als Zweiter hinter Froome beendete. Die Belastunge­n des Doubles sind für ihn neu.

Die Gefahr, dass dem Zeitfahrwe­ltmeister in den Pyrenäen die Kräfte ausgehen, ist real. Dumoulin sieht allerdings keinen Kräftevers­chleiß – im Gegenteil. „Ich bin besser als beim Giro, komme die Berge besser hinauf“, sagte er. Sorgen bereitet Dumoulin dagegen Froome – aus gutem Grund. Schon bei der Italien-Rundfahrt fuhr der Brite zwei Wochen verhalten und ohne die gewohnte Dominanz. Dann kam der Colle delle Finestre. Froome zog davon, setzte zu einem 80 Kilometer langen Sensations-Solo an und legte den Grundstein für den Gesamtsieg. „Es könnte wieder passieren, aber ich hoffe, dass es nicht so kommt“, sagte Dumoulin.

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FOTO: PACHOUD/AFP Tour-Spitzenrei­ter Geraint Thomas (links) hat seine Herausford­erer Tom Dumoulin (Mitte) und Chris Froome (rechts) genau im Blick.

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