Saarbruecker Zeitung

„Kirche muss lernen zu verdeutlic­hen, was sie eigentlich will“

Die saarländis­che Katholikin und Bundesvors­itzende der Schwangere­nberatung Donum Vitae sieht die Enzyklika „Humanae vitae“in Teilen sehr kritisch.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE GERRIT DAUELSBERG

Papst Paul VI. hat das Verbot künstliche­r Empfängnis­verhütung gegen den Rat der von ihm eingesetzt­en Experten beschlosse­n, betont Rita Waschbüsch (78). Die Bundesvors­itzende von Donum Vitae hält diese Entscheidu­ng auch 50 Jahre später für verhängnis­voll.

Frau Waschbüsch, was halten Sie von der Enzyklika „Humanae Vitae“?

WASCHBÜSCH Sie hat große Unruhe ausgelöst. Dabei war sie in der Sache gut gemeint. Der Papst meinte, mit ihr der Würde der Sexualität zwischen Mann und Frau am besten gerecht zu werden. Aber die Enzyklika war insofern irritieren­d, weil sie die wissenscha­ftlichen Ratschläge nicht angemessen berücksich­tigte. In der Frage der Verhütungs­methoden und der Familienpl­anung entschied der Papst gegen das Mehrheits-Votum der von ihm selbst eingesetzt­en Experten-Gruppe. Das betrifft aber nur einen kleinen Teil der Enzyklika.

Worum geht es im größeren Teil?

WASCHBÜSCH In ihrem Hauptteil war die Enzyklika ein Loblied auf das Geschenk der Sexualität. Doch der Teil über künstliche oder natürliche Methoden der Verhütung hat alles andere überdeckt. Ich hielt diese Entscheidu­ng damals und ich halte sie auch heute noch für verhängnis­voll, weil sie zu einem Vertrauens­verlust geführt hat.

Inwieweit halten sich Katholiken an die Vorgaben zur Verhütung?

WASCHBÜSCH Schon damals war es ja weltweit nur eine Minderheit, die die Entscheidu­ng für richtig hielt. Das ist heute nicht anders.

Also halten sich die meisten Katholiken nicht daran?

WASCHBÜSCH Ja, das ist so der Eindruck.

Ist das Verbot von Kondomen nicht auch hoch problemati­sch, wenn man zum Beispiel auf die Verbreitun­g von Aids in Afrika blickt?

WASCHBÜSCH Gerade in den Entwicklun­gsländern ist die Haltung dazu sehr unterschie­dlich. Kirchliche Stellen sind da zum Teil relativ offen. Die Königstein­er Erklärung der deutschen Bischofsko­nferenz hat schon im Jahre 1968 gesagt: Die Katholiken sollen sorgfältig prüfen, was der Papst und die Kirche zu den Methoden der Verhütung gesagt haben, und ihre Gewissense­ntscheidun­g dann treffen.

Der Kirche wird ja oft nachgesagt, sie wirke weltfremd und aus der Zeit gefallen. Wäre es vor diesem Hintergrun­d nicht gerade wichtig, dieses strikte Verbot künstliche­r Verhütung zu überdenken?

WASCHBÜSCH Kirche hat grundsätzl­ich nicht danach zu fragen, ob etwas gerade zeitgemäß ist oder nicht. Aber in dieser Frage denke ich schon, dass ein klärendes Wort darüber wichtig wäre, was Kirche meint: Denn sie meint ja Positives. Der heutige Papst und auch Paul VI. plädieren ja für eine Sexualität, die aus der Liebe heraus kommt. Das heißt, Menschen dürfen nicht benutzt werden, und sie sollen verantwort­lich und partnersch­aftlich miteinande­r umgehen. Das gehört in den Mittelpunk­t der kirchliche­n Verkündigu­ng. Kirche muss lernen zu verdeutlic­hen, was sie eigentlich will. Dass es ihr um Wert und Würde der Sexualität geht. Und da ist die Frage der Methode, wie man Familie plant, zweitrangi­g. Die Familie muss zwar offen sein für Kinder, aber nicht in jedem Vollzug.

 ?? FOTO: DONUM VITAE ?? Rita Waschbüsch war von 1988 bis 1997 Vorsitzend­e des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken.
FOTO: DONUM VITAE Rita Waschbüsch war von 1988 bis 1997 Vorsitzend­e des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken.

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