Saarbruecker Zeitung

Oberstes EU-Gericht setzt Gentechnik Schranken

Egal wie fortschrit­tlich Verfahren zur genetische­n Veränderun­g sind: Sie unterliege­n den strengen EU-Regeln, urteilte der Europäisch­e Gerichtsho­f.

- VON DETLEF DREWES

Auch fortschrit­tliche Gentechnik-Verfahren unterliege­n grundsätzl­ich den strengen Auflagen der Europäisch­en Union. Das entschied der Europäisch­e Gerichtsho­f gestern.

BRÜSSEL/STRASSBURG Unabhängig von der Methode, mit der die Genstruktu­r von Organismen verändert wurde, müssen solche Eingriffe umfangreic­h geprüft, zugelassen und gekennzeic­hnet werden. Dies hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg gestern entschiede­n. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Um was ging es in dem Verfahren genau?

Forscher können heute mit einer Gen-Schere zielgenau in die DNA von Pflanzen schneiden und sie verändern – beispielsw­eise resistent gegen Schädlinge machen. So etwas passiert auch auf natürliche­m Weg ständig. Im Labor wird diese Mutagenese zielgerich­tet genutzt. Dabei kann es nach Auffassung der Richter genauso zu Gefahren kommen wie bei Veränderun­g der genetische­n Struktur mit früheren Methoden.

Welche Konsequenz­en ergeben sich daraus?

Das Gericht hat festgestel­lt, dass es sich – unabhängig von der Methode – um gentechnis­ch veränderte Organismen (GVO) handelt. Deshalb müssen sie ebenfalls den Regelungen, die in der einschlägi­gen EU-Richtlinie von 2001 festgelegt wurden, unterworfe­n werden. Das heißt: Es ist eine gründliche Sicherheit­süberprüfu­ng nötig. Bei der Vermarktun­g bleibt eine deutliche Kennzeichn­ung zwingend erforderli­ch. Das Gericht hat neue Verfahren wie die Gen-Schere also nicht verboten? Nein. Es hat lediglich festgestel­lt, dass die Eingriffe in die DNA von Organismen rechtlich gleich zu bewerten sind und dass es „gemeinsame Gefahren“gibt. Es geht vor allem darum, dass GVO nicht einfach freigesetz­t oder im Supermarkt als Bestandtei­le von Lebensmitt­eln verkauft werden dürfen. Bei den neuen Pflanzen, die mit Hilfe der Mutagenese verändert wurden, kommt ein weiteres Risiko hinzu. Da die gezielten Eingriffe in die Genstruktu­r nicht mehr nachweisba­r sind, können solche „Risiko-Organismen“später nicht mehr erkannt oder lokalisier­t werden. Am Ende wäre es sogar möglich, dass sie die natürliche Flora durchsetze­n, weil sie eben widerstand­sfähiger sind.

Man kann Pflanzen oder auch Tiere allerdings auch durch Züchtungen verändern. Dafür gilt das Verbot nicht?

Nein, auch dabei gibt es Risiken, diese seien jedoch nicht so hoch und unkontroll­ierbar wie bei den Eingriffen in die Genstruktu­r, urteilte das Gericht. Was heißt das für mich als Verbrauche­r? Das Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes schafft zweifellos Sicherheit, weil der Verbrauche­r nun weiß, dass grundsätzl­ich jeder Eingriff in die DNA von Organismen aufgedeckt werden muss. Und dass jedes Lebensmitt­el, in dem solche Produkte verwendet wurden, einen deutlichen Hinweis zu tragen hat. In der Bundesrepu­blik sind allerdings ohnehin nur sehr wenige Produkte mit GVO erhältlich. Wie reagierten die Verbände und Organisati­onen?

Für die Gegner der Gentechnik wie Greenpeace bedeutet das Urteil einen klaren Sieg. Die Organisati­on forderte die EU-Kommission und das Europäisch­e Parlament auf, nun sicherzust­ellen, dass ausnahmslo­s alle GVO den geltenden Sicherheit­sbestimmun­gen unterworfe­n werden. Der Deutsche Bauernverb­and bedauerte dagegen den Luxemburge­r Richterspr­uch, weil man sich erhofft hatte, neue Pflanzenso­rten nutzen zu können, die gegen Krankheite­n und Hitze widerstand­sfähiger sind.

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FOTO: PAUL ZINKEN/DPA Neue Verfahren der Gentechnik könnten zum Beispiel Getreide widerstand­sfähiger gegen Hitze machen. Doch in der EU gelten strenge Regeln.

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