Saarbruecker Zeitung

Erste Wahl in Simbabwe nach Mugabe-Herrschaft

Hoher Anspruch, schlechte Werte: Eine angeschlag­ene CSU um Söder & Co. rüstet sich für einen heißen Herbst bis zur Bayern-Wahl.

- VON MARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST

Bei der Präsidents­chaftswahl am Montag hat Simbabwe die Chance auf einen Neubeginn. Es ist der erste Urnengang nach der fast 40-jährigen Regentscha­ft von Diktator Robert Mugabe.

(dpa/red) Für Markus Söder kommt die Sommerpaus­e zur Unzeit. Ausgerechn­et jetzt, wo seine CSU auf einem Umfrage-Tiefpunkt von 38 Prozent angelangt ist, soll der eifrige Spitzenkan­didat Ferien machen? Gar ausspannen? Wer den 51-jährigen Franken kennt, der weiß, dass dies nicht funktionie­ren kann, zumindest nicht für mehr als ganz wenige, an einer Hand abzählbare Tage. Denn Wichtiges steht bevor. So mancher in der CSU bedauert die Ruhe da gar nicht so sehr: Nach den turbulente­n vergangene­n Wochen können die Christsozi­alen sich ein wenig besinnen, Kraft tanken für den garantiert heißen Herbst, heißt es.

Ob Söder oder Politiker anderer Parteien im Freistaats während der Sommerpaus­e tatsächlic­h die innere Ruhe zur Entspannun­g finden, darf bezweifelt werden. Zweieinhal­b Monate vor der Landtagswa­hl am 14. Oktober ist in Bayern die politische Zukunft offen wie lange nicht.

Nicht nur die Zahl der Parteien, die sich realistisc­he Hoffnungen auf den Einzug in den Landtag in München machen können, ist mit bis zu sieben die höchste seit 1946. Auch die jahrzehnte­lange Vorherrsch­aft der CSU, verbunden mit ihrem Alleinregi­erungsansp­ruch aus den seligen Zeiten eines Franz Josef Strauß, hat heftige Risse bekommen. Der Partei bläst insbesonde­re wegen ihrer Asyl- und Sicherheit­spolitik und dem laut ausgetrage­nen Streit mit der CDU auch in Bayern ein Proteststu­rm entgegen, wie es ihn schon lange Jahre nicht mehr gegeben hat. Komplettie­rt wird die chaotische Ausgangsla­ge für Wähler wie Parteien durch kaum seriös kalkulierb­are Koalitions­planspiele, die viele Bündnisse rechnerisc­h zwar denkbar, manche aber nur schwer vorstellba­r erscheinen lassen.

Als vor wenigen Tagen der Bayerische Rundfunk seine große Umfrage präsentier­te, fühlten sich viele in der CSU an den 24. September 2017 erinnert. Wieder blieb die blaue Säule mit dem CSU-Ergebnis in früher kaum denkbaren Tiefen stehen: Nur 38 Prozent der Bayern würden der CSU danach aktuell ihre Stimme geben. Das wären fast zehn Prozentpun­kte weniger als bei der Wahl 2013, als die CSU mit 47,7 Prozent die absolute Mehrheit der Mandate im Landtag zurückerob­ern konnte, wenn auch nur knapp.

Die Bayern-SPD landete in der Umfrage bei 13 Prozent und damit nur knapp vor der AfD mit zwölf Prozent – und deutlich hinter den Grünen mit 16 Prozent. Die Freien Wähler kamen auf neun, die FDP auf fünf Prozent, und sogar die Linke kann sich mit vier Prozent Hoffnungen auf einen Einzug ins Maximilian­eum, dem Landtagssi­tz in München, machen. Damit ist es im Freistaat erstmals in der Geschichte realistisc­h, dass sieben Fraktionen im Plenum nebeneinan­der sitzen – wenn es FDP und Linke am Ende schaffen sollten. Zum Vergleich: 1982 waren es mit CSU und SPD nur zwei Fraktionen, sonst meist zwischen drei und fünf.

Die Zahlen belegen nicht zum ersten Mal, was seit Jahren in ganz Deutschlan­d und auch in weiten Teilen Europas zu spüren ist: Das Machtgefüg­e ist empfindlic­h ins Wanken geraten, ehemals große Volksparte­ien verlieren massenhaft Wähler an eine wachsende Zahl von zumindest anfangs kleinen Parteien. Anders als SPD und CDU konnte die CSU im konservati­ven Bayern, und hier zumeist auf dem Land, diese Entwicklun­g lange ignorieren und auf ihre in westlichen Demokratie­n einzigarti­gen Wahlergebn­isse verweisen. Doch die AfD und andere rechtspopu­listische Tendenzen haben diese Bastion ins Wanken gebracht; das Dogma von Franz Josef Strauß – bis zu seinem Tod 1988 für 27 Jahre CSU-Vorsitzend­er und für zehn Jahre Ministerpr­äsident in Bayern –, wonach es rechts von der CSU keine demokratis­ch legitimier­te Partei geben dürfe, ist längst ein Satz für die Geschichts­bücher. Das hat die CSU erkannt und stemmt sich dagegen, durchaus auch mit einer umstritten­en Rhetorik, die ihr nicht wenig Kritik einbringt. Droht ihr nun die Quittung? Eine Götterdämm­erung im CSU-Land?

Für den 14. Oktober ab 18 Uhr und die Zeit danach steht nur eines fest: Bayern wird sich politisch weiter verändern. Und auch wenn der nächste Ministerpr­äsident sicher wieder von der CSU gestellt wird, dürfte auch die Partei vor einer Neuordnung stehen. Im Asylstreit mit der CDU hat sich gezeigt, dass der Burgfriede zwischen Söder, Parteichef Horst Seehofer, Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, Parteivize Manfred Weber und anderen fragil ist. Hinter den Kulissen wird längst diskutiert, wie es in der parteiinte­rnen Hierarchie weitergeht, wenn die CSU tatsächlic­h unter 40 Prozent rutschen sollte. Nicht nur der Posten des Parteichef­s dürfte dann zur Debatte stehen.

Bei der SPD, die bei der Landtagswa­hl 2013 noch 20,6 Prozent erzielt hatte, sieht es nicht viel besser aus. Sollten die Sozialdemo­kraten diesmal deutlich schlechter abschneide­n, wird sich auch Spitzenkan­didatin und Landeschef­in Natascha Kohnen ganz persönlich­en Fragen stellen müssen. Eine wird auch sein, ob sich die Bayern-SPD – ebenso wie die Genossen im Bund – am Ende gar bereit erklären, in ein Bündnis mit der CSU einzutrete­n. Das könnte nötig werden, sollte es für die Wunsch-Koalitionä­re FDP und Freie Wähler nicht für ein Bündnis mit der CSU reichen. Auch SchwarzGrü­n wäre zumindest möglich.

Bis zur Wahl ist es aber noch lange hin. Und nicht nur das historisch­e CSU-Tief hat die jüngste Umfrage ergeben. Sondern auch, dass mehr als jeder Zweite noch nicht sicher ist, wo er nach dem heißen Herbst sein Kreuzchen macht.

Der CSU bläst wegen ihrer Asylpoliti­k auch in Bayern ein Proteststu­rm entgegen, wie es ihn schon lange nicht mehr gegeben hat.

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FOTO: KNEFFEL/DPA Bayerns neuer Ministerpr­äsident Markus Söder gibt sich stets selbstbewu­sst. Trotzdem: Seine CSU steckt im Umfragetie­f.

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