Saarbruecker Zeitung

Die Grünen haben derzeit gut lachen

Die Umfragen sind ziemlich rosig – auch in Bayern, wo demnächst gewählt wird. Sind die Grünen dabei, eine Volksparte­i zu werden?

- VON STEFAN VETTER

Robert Habeck scheint allgegenwä­rtig zu sein. Nicht nur in Detmold, Mainz und Leipzig. Oder wie am Freitag auf der Wartburg in Eisenach, wo die gut 14-tägige Sommerreis­e des Grünen-Chefs mit einer Diskussion­sveranstal­tung über „Religion und Emanzipati­on“zu Ende ging. In den Medien sorgt der Hoffnungst­räger der Partei ebenfalls für viel Aufmerksam­keit. So bekommt auch der Rest des Landes mit, dass sich Habeck um die Walbrandge­fahr sorgt und um das Schicksal der von Ernteausfä­llen betroffene­n Landwirte. Dass ihn die vielerorts grassieren­de Wohnungsno­t empört, und dass Habeck die Flüchtling­spolitik der CSU ein Gräuel ist. Man kann das abschätzig „Themen-Hopping“nennen. Doch dahinter steckt offenbar Methode: Die Grünen wollen nicht mehr nur als Öko-Partei wahrgenomm­en werden.

Schon vor einigen Monaten hatte Habeck von der Notwendigk­eit einer größeren gesellscha­ftlichen Verantwort­ung seitens der Grünen gesprochen. Zugleich machte er damals klar, dass es nicht mehr reiche, „nur im eigenen Milieu zustimmung­sfähig zu sein“.

In Bayern könnte dieses Kalkül aufgehen. Am 14. Oktober wird dort ein neuer Landtag gewählt. Und die Grünen kommen in Umfragen auf bis zu 16 Prozent – fast doppelt so viel wie beim letzten Urnengang vor fünf Jahren. Ekin Deligöz, Landesgrup­penspreche­rin der bayrischen Grünen-Abgeordnet­en im Bundestag, ist im Freistaat gerade auf Werbetour für ihre Partei. „Ich bin noch nie so häufig in traditione­lle CSU-Kreise wie Handwerksk­ammern, Katholisch­e Arbeiterbe­wegung oder Landjugend eingeladen worden wie in diesem Wahlkampf“, hat Deligöz festgestel­lt. Auch gebe es hier eine kirchlich geprägte Wählerscha­ft, die sich bei der Flüchtling­shilfe engagiere und „von den schrillen Tönen der CSU tief enttäuscht“sei. „Ob die Grün wählen, ist allerdings noch nicht ausgemacht“, sagte Deligöz unserer Redaktion.

Auch auf Bundeseben­e hat die Partei schon seit Monaten einen guten Lauf. Ihre Umfragewer­te sind ebenfalls stabil zweistelli­g. Kündigt sich da eine neue „Volksparte­i“an? Über dieses Thema wurde schon in der Vergangenh­eit viel diskutiert.

„Es kommt darauf

an, Potenziale auszuschöp­fen.“

Ekin Deligöz

Landesgrup­penspreche­rin der bayrischen

Grünen-Abgeordnet­en im Bundestag

Doch die durchweg schwachen Ergebnisse der Grünen bei den letzten vier Bundestags­wahlen ließen solche Träume regelmäßig platzen. Auch Deligöz meidet den Begriff. Ihr Tenor klingt aber ähnlich ambitionie­rt: „Es kommt darauf an, Potenziale auszuschöp­fen. Das heißt, Menschen zu überzeugen, die den Grünen vielleicht emotional nahe stehen, aber uns noch nicht gewählt haben.“Diesen Anspruch, so Deligöz, müssten die Grünen haben.

Der Chef des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, hat eine interessan­te Beobachtun­g gemacht: „Zum ersten Mal sehen wir, dass es auch Wählerwand­erungen von der FDP zu den Grünen gibt.“Güllner führt diese Entwicklun­g auf Enttäuschu­ngen über die von den Liberalen verhindert­e „Jamaika“-Koalition zurück. Umgekehrt hätten die Grünen in den Verhandlun­gen gepunktet, weil sie pragmatisc­h gewesen seien. Hinzu kämen grüne Persönlich­keiten wie Habeck oder Cem Özdemir, die genau für diese pragmatisc­he Linie stünden. „Da bildet sich ein neuer liberaler Kern“, sagte Güllner. „Allerdings wäre es sehr verfrüht, deshalb von einer Volksparte­i zu sprechen“.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bester Laune sind derzeit die Grünen-Bundesvors­itzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock. In Umfragen liegt die Partei bei 16 Prozent. Gerade Habeck bekommt im Moment bundesweit viel Aufmerksam­keit.

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