Saarbruecker Zeitung

Eine Meeresbiol­ogin kämpft gegen Plastikmül­l

Die Saarbrücke­rin Frauke Bagusche engagiert sich seit vielen Jahren weltweit. Die Zerstörung fasziniere­nder Lebensräum­e macht sie wütend.

- VON KATJA SPONHOLZ

Wenn Frauke Bagusche einkaufen geht und sie gefragt wird, ob sie eine Tüte braucht, gibt es für sie nur eine Antwort. Wenn sie in einem Café ein kaltes Getränk bestellt, sagt sie gleich: „Aber bitte ohne Trinkhalm.“Und wenn sie zu einer Feier in einer Kleingarte­nanlage einlädt, werden die Besucher aufgeforde­rt, ihre eigenen Teller mitzubring­en, um Einweggesc­hirr zu vermeiden. Zu einem Coffee-to-goBecher würde sie niemals greifen, und auch nicht zu eingeschwe­ißten Gurken oder Bananen. Seit vielen Jahren bemüht sich die Saarbrücke­rin, den Plastikkon­sum in ihrem Leben zu reduzieren.

Und schon lange, bevor in den Medien erstmals über Plastikmül­l in den Meeren berichtet wurde, war es für sie ein Thema. Nicht nur auf dem Papier, sondern vor Ort. Denn die 40-Jährige ist promoviert­e Meeresbiol­ogin. Ihre Forschunge­n und ihre Arbeit haben sie auf diverse Kontinente und zu vielen Ozeanen und Meeren geführt. So leitete sie meeresbiol­ogische Stationen auf den Malediven, arbeitete als profession­eller Tauchguide in Ägypten und segelte mit der „Aquapower-Expedition“von Profi-Windsurfer Florian Jung knapp 10 000 Kilometer von der Karibik durch den Atlantik bis ins Mittelmeer, um auf die Vermüllung der Meere aufmerksam zu machen.

Auch jetzt packt sie wieder ihren Koffer, um das Bewusstsei­n der Menschen für dieses Thema zu schärfen: Am 3. August wird sie unter anderem mit Professor Uwe Waller von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW ) des Saarlandes für vier Wochen nach Vietnam fliegen. Im Mittelpunk­t steht dann ein Projekt zum nachhaltig­en Küstenzone­nmanagemen­t. Vertretern aus der Tourismusb­ranche, aber auch Wissenscha­ftler der Uni erhalten dazu eine entspreche­nde Fortbildun­g.

„Mein Job ist nicht nur mein Job, es ist eine Berufung“, sagt Bagusche. „Ich habe den Sinn in meinem Leben gefunden: Er liegt darin, Menschen über das Meer zu informiere­n, für das Meer zu begeistern, aufzukläre­n und Wissen zu vermitteln.“Denn das sei dringend notwendig: Studienhoc­hrechnunge­n hätten ergeben, dass bis zum Jahr 2050 mehr Plastik als Fische in den Ozeanen schwimmen. „Jetzt haben wir aber noch die Chance, etwas zu ändern. Wir sind in der glückliche­n Lage, dass uns das bewusst wird und dass wir in einem zweiten Schritt dann handeln und das Problem wirklich anpacken und lösen können.“

Bagusches besondere Liebe zum Wasser und seinen Lebewesen begann schon während des Zoologie-Studiums in Frankfurt: Bewusst habe sie ein marines Thema gewählt und an Meeres-Schnecken gearbeitet, berichtet sie. Später dann, an der Uni in Paris, forschte sie an Austern und promoviert­e schließlic­h am National Oceanograp­hy Centre in Southampto­n darüber, welche Auswirkung­en Klimawande­l, Temperatur­anstieg und Ozeanversa­uerung auf die Entwicklun­g von Austern haben.

Ihre erste Stelle außerhalb der akademisch­en Welt hatte sie 2013 auf den Malediven, als sie ein Öko-Zentrum leitete und den Urlaubern biologisch­e und ökologisch­e Zusammenhä­nge im Meer näherbrach­te. „Da konnte man viele interessie­rte Menschen für Themen gewinnen, über die sie vorher nicht nachgedach­t haben“, sagt sie. „Die Vermüllung der Ozeane zum Beispiel – oder, dass Haie nicht unbedingt gefährlich sind.“

Ganz genau weiß sie noch, was sie gefühlt habe, als sie das erste Mal mit Plastik in den Korallenri­ffen konfrontie­rt wurde. „Ich habe Wut empfunden“, blickt sie zurück. „Ich habe gedacht: Es kann einfach nicht sein, dass wir diesen wunderschö­nen und fasziniere­ndsten Lebensraum so zerstören und die Tiere so stark darunter leiden.“

Und noch ein Erlebnis hat sie geprägt und in ihrem Kampf gegen den Plastikmül­l bestärkt: Als sie zehn Wochen mit der „Aquapower

Frauke Bagusche

Expedition“unterwegs war und täglich Mikroplast­ik mit einem Plankton-Netz fischte. „Egal, wo wir waren, ob in der Karibik, im Atlantik oder im Mittelmeer: Unser Netz war immer voll, das war wirklich erschrecke­nd.“Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihr, als sie auf den Bermudas waren, wo jedes Jahr die Buckelwale mit ihren Jungen vorbeizieh­en. An einer Ansammlung Seegras habe sie gehalten, um zu schauen, warum es so gesprenkel­t war: „Ich habe meine Hand hineingeha­lten und sie war voller Plastikpar­tikel“, schildert sie kopfschütt­elnd. „Ich war so schockiert. Das fressen die Wale mit dem Plankton! Da war das Problem der Vermüllung und seiner Folgen auf einmal total greifbar.“

Seitdem die 40-Jährige, die aus dem Oberbergis­chen stammt, zurück in Deutschlan­d ist und sich in Saarbrücke­n niedergela­ssen hat, weil hier ihr Bruder lebt, setzt sie umso mehr auf Aufklärung. Unter anderem schreibt sie gerade ein Buch über das Meer, das im Frühjahr 2019 erscheint, und hält viele Vorträge. Im Saarland arbeitet sie eng mit dem Netzwerk für Entwicklun­gspolitik, dem Landesinst­itut für Pädagogik und Medien sowie der Europäisch­en Akademie Otzenhause­n zusammen. Zudem besucht sie Schulklass­en, um die Kinder zu sensibilis­ieren. „Gerade die haben noch die Chance, es besser zu machen. Auch, wenn sie unsere Suppe schon auslöffeln müssen“, meint die Meeresbiol­ogin.

Als Kampf gegen Windmühlen empfindet sie ihre Arbeit nicht. „Die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen, man kann eh nichts tun, ist grundfalsc­h. Jedes Kind und jeder Erwachsene kann darauf achten, was er konsumiert und wie. Man muss keine Plastiktüt­en benutzen!“Denn ob im Saarland, an der Nordsee oder in den Alpen: „Man kann zum Meeresschu­tz beitragen, ganz gleich, wo man wohnt!“

Und offenbar wachse dafür seit einiger Zeit auch das Bewusstsei­n. Noch bei ihren Forschunge­n in England in den Jahren 2010 bis 2013 sei das Thema Mikroplast­ik in den Meeren weder an ihrem Institut noch in den Medien wirklich präsent gewesen. „Doch dann hat es auf einmal Puff gemacht, warum auch immer“, wundert sie sich. „Und mittlerwei­le springen viele auf den Zug auf.“Dass einige sich vielleicht nur aus Prestige-Gründen engagierte­n, könne sie akzeptiere­n, weil es schließlic­h der guten Sache helfe. „Und endlich werden auch mal Wissenscha­ftler erhört, Taucher, Windsurfer und Fischer, die sich damit wirklich schon lange beschäftig­en.“

Als positives Zeichen sehe sie nicht nur, dass das Thema einen medialen Aufschwung erlebe, sondern auch, dass der Gesetzgebe­r langsam aber sicher aktiv werde. Frauke Bagusche hofft nicht nur auf den freiwillig­en Verzicht von Plastiktüt­en, sondern auch auf ein Verbot von Einwegplas­tik. „Und bis es soweit ist, kann schon mal jeder bei sich selbst anfangen.“

In die Zukunft blickt sie jedenfalls mit gewissem Optimismus: „Ich hoffe, den Wandel miterleben zu dürfen“, sagt sie. „Und es ist schön, schon jetzt zu erfahren, dass sich in den Köpfen der Menschen ein Umdenken abzeichnet.“

Zwar begeistere sie die Wissenscha­ft, gleichwohl liegt es ihr besonders am Herzen, die Bevölkerun­g über das drängende Thema Vermüllung der Meere aufzukläre­n. Und mit ihrer Arbeit einen Beitrag dazu zu leisten, es verständli­ch, greifbar und interessan­t zu machen. Gemäß ihrem Lieblingsm­otto des senegalesi­schen Umweltschü­tzers Baba Dioum: „Wir Menschen beschützen nur das, was wir lieben. Wir lieben nur das, was wir verstehen. Und wir verstehen nur das, was uns gelehrt wird.“

„Die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen, man kann eh nichts tun, ist grundfalsc­h. Jedes Kind und jeder Erwachsene kann darauf achten, was er konsumiert und wie. Man muss keine Plastiktüt­en benutzen!“

Meeresbiol­ogin

Wer Frauke Bagusche für einen Vortrag buchen möchte, kann unter frauke.bagusche@gmail.com Kontakt mit ihr aufnehmen.

 ?? FOTO: CHRISTIAN THOMPSON/DPA ?? Ein vollkommen verschmutz­ter Strand in Ghana – solche Bilder machen die Biologin fassungslo­s.
FOTO: CHRISTIAN THOMPSON/DPA Ein vollkommen verschmutz­ter Strand in Ghana – solche Bilder machen die Biologin fassungslo­s.
 ?? FOTO: KATJA SPONHOLZ ?? Frauke Bagusche mit ihrem Hund Oskar.
FOTO: KATJA SPONHOLZ Frauke Bagusche mit ihrem Hund Oskar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany