Saarbruecker Zeitung

Kartenproj­ekt beweist Massaker an Aborigines

- Produktion dieser Seite: Christoph Schreiner Dietmar Klosterman­n

(dpa) Die Täter kamen mit Schwertern, Pistolen, Bajonetten oder Gift: Australisc­he Forscher haben Beweise für Massaker an Tausenden Ureinwohne­rn des Kontinents gefunden, verübt von Regierungs­beamten der damaligen britischen Kolonialma­cht. In nur einem Jahr entdeckten die Historiker Belege für 250 Orte, an denen sechs oder mehr Menschen auf einmal umgebracht wurden. 6200 der Opfer waren Aborigines, weniger als 100 der Toten weiße Siedler, teilten die Forscher von der australisc­hen Universitä­t Newcastle am Freitag mit.

Selbst unter strengsten Ansprüchen an die Beweislage gebe es vermutlich noch einmal genauso viele weitere Tatorte, sagte Lyndall Ryan, Geschichts­professori­n und Leiterin des Kartograph­ieprojekts „Colonial Frontier Massacres Map“. Ihre eigene anfänglich­e Skepsis gegenüber Berichten von Massakern sei der überwältig­enden Faktenlage gewichen. „Den meisten Australier­n wurde beigebrach­t, dass die Besiedlung Australien­s größtentei­ls friedlich war“, sagte Ryan. „Aber die Geschichte ist komplizier­ter, die Massaker waren sehr weit verbreitet und es gab mehr von ihnen, als ich mir je vorgestell­t hatte.“

Es ist das nach eigenen Angaben erste groß angelegte australisc­he Forschungs­projekt, das die Besiedlung des Kontinents im 18. und 19. Jahrhunder­t unter dem Gesichtspu­nkt von Kriegsverb­rechen dokumentie­rt und als Karte aufbereite­t. Die Vorfälle von 1788 bis in die 1930er Jahren sind mitsamt Quellen zugänglich. Der Staat hat die Geschichte der sogenannte­n Grenzkrieg­e zwischen Siedlern und Ureinwohne­rn bislang kaum aufgearbei­tet. Seit einigen Jahren steigt aber das Bewusstsei­n für das Unrecht, das Aborigines durch europäisch­e Neuankömml­inge widerfuhr.

Kommende Woche soll das australisc­he Parlament einen Zwischenst­and im lange währenden Prozess der ausdrückli­chen Anerkennun­g der Ureinwohne­r in der Verfassung Australien­s vorlegen.

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