Saarbruecker Zeitung

Datenschut­z ist keine illegale Geheimnisk­rämerei

Der technische Fortschrit­t macht’s leichter denn je: Informatio­nen über jeden sind fast überall auf der Welt frei zugänglich. Das macht uns angreifbar.

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Das Bundesverf­assungsger­icht hat der Aufzeichnu­ng mit Überwachun­gskameras enge Grenzen gesteckt. Die Polizei darf nicht willkürlic­h und prophylakt­isch draufhalte­n, wenn Menschen bei öffentlich­en Protesten – ob Demonstrat­ionszug oder stationäre Kundgebung – ihr verfassung­smäßig verbriefte­s Recht auf freie Meinungsäu­ßerung wahrnehmen. Ausnahmen sind Veranstalt­ungen, von denen im Vorfeld starke Signale ausgehen, dass sie zum Sicherheit­srisiko werden können; wenn beispielsw­eise Initiatore­n dafür bekannt sind, vor Gewalt nicht zurückzusc­hrecken, um ihrer Meinung Nachdruck zu verleihen.

Soweit die Theorie. Wie verhält es sich bei dem Marsch durch die Saarbrücke­r Innenstadt, als rund 120 Menschen gegen die europäisch­e Flüchtling­spolitik auf die Straße gingen, sie das Sterben im Mittelmeer anprangert­en? Drohte eine Eskalation, alles aus den Fugen zu geraten? Hatten sich etwa Teilnehmer darunterge­mischt, die auf Krawall gebürstet sind? War es gerechtfer­tigt, die Demonstran­ten zu filmen, weil Gefahr im Verzug?

Der Protest endete so friedlich, wie er begonnen hatte und verlaufen war. Purer Zufall, dass nichts Schlimmes passierte? Oder war von Anfang an abzusehen, dass Kritiker der Asylpoliti­k lediglich mit verbalen Argumenten gegenhalte­n statt mit Fäusten?

Ein Teilnehmer will gerichtlic­h klären lassen, ob der Polizeiein­satz mit Kameras rechtens war. Er strebt eine Feststellu­ngsklage gegen das Saarland beim Verwaltung­sgericht an. Denn er fühlt sich zu Unrecht verdächtig­t. Er befürchtet sogar, dass Bürger, die sich gewaltfrei gesellscha­ftlich engagieren wollen, abgeschrec­kt werden, weil als kriminell abgestempe­lt. Die Fahnder freilich sehen dies anders. Sie wollten Beweismitt­el sichern, sollten sich Straftäter unters Volk mischen.

Diese Kontrovers­e zeigt, wie sensibel der Staat mit Daten umgehen muss. Es darf nicht zu einer Sammelwut kommen und so jeder als verdächtig gelten. Nur weil es der technische Fortschrit­t zulässt, jederzeit überall jeden zu erfassen, heißt dies nicht, dass es in Ordnung geht, es zu tun.

Dasselbe gilt für unseren oft allzu laxen Umgang mit Daten, die wir preisgeben. Auch wenn wir noch so sicher sind, dass sie nicht gegen uns verwendet werden können, weil sie uns unverfängl­ich erscheinen, ist weniger oft mehr. Als 1987 in Deutschlan­d die Volkszählu­ng mit anonymisie­rten Fragen begann, war der Widerstand immens. Im Vergleich zu dem, was in sozialen Medien des Internets zu entdecken ist, was heutzutage Behörden von uns wissen, was Unternehme­n über uns herausfind­en, wirkt die damalige Debatte geradezu wie aus einer anderen Welt. Wir sollten dringend unser bedingungs­loses Mitteilung­sbedürfnis zügeln. Auch wenn viele beschwicht­igen, sie hätten nichts zu verbergen. Mag sein, doch ich möchte die Hoheit über meine persönlich­en Daten behalten. Das ist keine Geheimnisk­rämerei, die mich verdächtig macht.

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