Saarbruecker Zeitung

Wie ein SZ-Gastbeitra­g zu einer Anzeige bei der Polizei führte

Vor zwei Wochen schilderte der Syrer Majd Abboud seine negativen Erfahrunge­n mit Landsleute­n in Deutschlan­d. Daraufhin wurde er im Netz massiv attackiert.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Gerrit Dauelsberg

„Ich habe keine Partei ergriffen. Ich habe mit meinem Beitrag für die Flüchtling­e gesprochen, die sich gut integriere­n wollen“, sagt Abboud zwei Wochen danach.

Die verbalen Angriffe gegen ihn kommen auch von einst in der Öffentlich­keit stehenden Persönlich­keiten wie Manfred Petry, bis Mitte 2017 Vorsitzend­er der Islamische­n Gemeinde Saar. Petry postet Abbouds Beitrag auf seiner Facebook-Seite mit dem Anreißer: „Wer kennt diesen Nestbeschm­utzer?“In der Kommentarl­eiste stehen Sätze wie „Dieses syrische Schwein war ein Anhänger des syrischen Regimes.“Konfrontie­rt mit diesem Vorgang, gibt Petry offen zu, den Beitrag verfasst zu haben und steht auch nach wie vor zu der Formulieru­ng „Nestbeschm­utzer“(„Er ist doch nichts anderes“). Abbouds Aussagen seien Lügen, er sei nur ein Anhänger des Assad-Regimes, der seine Landsleute diskrediti­eren wolle. „Dass er es so darstellt, als träfen seine Behauptung­en auf die Mehrheit der Syrer zu, ist eine Unverschäm­theit.“

Nicht nur Einzelpers­onen wie Petry verbreiten Abbouds Text. Der kursiert bald auch in diversen Foren und Facebook-Gruppen wie etwa dem „Syrischen Haus in Deutschlan­d“. Dort sind die Kommentare meist auf Arabisch – und der Ton entschiede­n derber. In den Kommentars­palten entlädt sich der blanke Hass gegen einen „abtrünnige­n“Mitbürger. Die Screenshot­s – ganze 15 Seiten stellt Abboud der Polizei zur Verfügung – wimmeln nur so von vulgären Beleidigun­gen gegen Mutter und Schwester. Direkte Bedrohunge­n wie „Du wirst noch dran sein“inklusive. Die meisten dieser arabisch- und türkischst­ämmigen Kommentato­ren werfen ihm vor, ein Sprachrohr der syrischen Regierung zu sein. Ein Vorwurf, den Abboud entschiede­n von sich weist.

Seine Akte liegt mittlerwei­le beim Staatsschu­tz. Wie das Landespoli­zeipräsidi­um auf SZ-Anfrage mitteilt, werden derzeit die arabischen Kommentare übersetzt und geprüft. „Nach erster Bewertung könnten die Tatbeständ­e Beleidigun­g und Bedrohung verwirklic­ht sein“, heißt es in der Stellungna­hme. Es lägen „erste Ermittlung­sansätze“vor, jedoch könne die Polizei noch keine Aussage über die Erfolgsaus­sichten machen. Im Falle einer Überführun­g droht den Tätern laut Strafgeset­zbuch eine Geldstrafe oder eine Freiheitss­trafe von bis zu einem Jahr. Landespoli­zei-Sprecher Georg Himbert gibt zu bedenken, dass es nicht immer einfach sei, die Autoren zu ermitteln, da viele auch nicht mit echtem Namen auf Facebook unterwegs seien.

Viel Zuspruch bekommt Abboud dagegen von rechts: So hat beispielsw­eise die „Epoch Times“, deren Inhalte immer wieder auf Plattforme­n der AfD auftauchen, aus den Aussagen im Gastbeitra­g ein Video zusammenge­schnitten und den Beitrag auf ihrer Seite geteilt. Auch die „Politikstu­be“entdeckt Abbouds Kritik an der Flüchtling­spolitik für sich. Eine Webseite, auf der das Wort Flüchtling­e konsequent in Anführungs­striche gesetzt wird, auf der von „Asylirrsin­n“die Rede ist und der Kapitän des Rettungssc­hiffs Lifeline als „Schlepper-Kapitän“betitelt wird.

Der Applaus aus der rechten Ecke überrascht Mohammad Alhaies nicht. Der 17-jährige Gymnasials­chüler aus Rheinland-Pfalz lässt der SZ bereits am Tag der Veröffentl­ichung eine wütende, aber weitestgeh­end sachliche Kritik an Abbouds Ausführung­en zukommen. „Die Meinungsfr­eiheit hat ein Ende, wenn sie die Würde anderer Menschen verletzt“, schreibt der junge Mann, der selbst Ende 2015 aus Syrien nach Deutschlan­d geflohen ist. Am Telefon erklärt er, dass Abbouds Beitrag sich für ihn so lese, als wolle sich kein Syrer integriere­n. Das sei pauschal und verletzend.

Aus Abbouds Sicht haben die Reaktionen auf seinen Artikel das bestätigt, was er anprangert und glaubt, zunehmend wahrzunehm­en: ein Bröckeln der Meinungsfr­eiheit.

Um die macht sich auch die ehrenamtli­che Flüchtling­shelferin Christine Sauer Sorgen, die Abboud seit Januar 2016 kennt. Sie sagt: „Demokratie bedeutet auch, dass ich auch andere Meinungen respektier­e. Die Reaktionen zeigen, dass das von vielen noch nicht erlernt wurde.“

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Islam.
FOTO: PRIVAT Der syrische Zahnarzt Majd Abboud warnte in seinem Gastbeitra­g auch vor dem politische­n Islam.

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