Saarbruecker Zeitung

Vom engsten Freund zum ärgsten Feind

Warum sein früherer Anwalt Michael Cohen für den US-Präsidente­n Donald Trump plötzlich zur größten Bedrohung geworden ist.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Gerrit Dauelsberg

Michael Cohen, der frühere Leibanwalt und enge Vertraute von Präsident Donald Trump, hatte eine Angewohnhe­it, die viele Rechtsvert­reter im Bundesstaa­t New York pflegen: Gespräche mit Mandanten ohne deren Wissen mitzuschne­iden. Das ist dort kurioserwe­ise nicht strafbar, solange eine der beteiligte­n Parteien – was auch der Anwalt sein kann – einverstan­den ist. Mehr als 100 Bänder, von der Justiz bei den laufenden Ermittlung­en gegen Cohen wegen Betrugsver­dachts bei Privatgesc­häften beschlagna­hmt, werden derzeit ausgewerte­t, berichten US-Medien. Mehrfach ist darin zu lesen: Was auf den Bändern auch von Trump zu hören ist, könnte neben weiteren Aussagen Cohens für den Präsidente­n und seine Familie zur größten Gefahr seiner Amtszeit werden.

Das liegt zum einen an den Mitschnitt­en, die zahlreiche pikante Details enthüllen sollen. Zum einen soll auf ihnen zu hören sein, wie sich ein frustriert­er Cohen in immer bitteren Tönen bei seinem wichtigste­n Klienten beschwert, dass dieser nach seinem Wahlsieg nicht ihn, sondern Familienmi­tglieder wie Tochter Ivanka oder Schwiegers­ohn Jared Kushner als wichtige Berater ins Weiße Haus berufen hat.

Andere Bänder belegen offenbar, wie Trump und Cohen das Prozedere bereden, um ein Schweigege­ld zu zahlen, damit Aussagen des früheren Playboy-Models Karen McDougal nicht an die Öffentlich­keit geraten. Trump hatte 2006 mit der Dame nach ihren Angaben eine Affäre, dementiert­e dies jedoch stets. 150 000 Dollar sollten das Thema kurz vor der Wahl 2016 beerdigen, und Cohen und Trump diskutiert­en offensicht­lich die Modalitäte­n – in bar, wie es Trump auf dem Band fragt, oder als Scheck, wie es Cohen vorschlägt. Das deutet darauf hin, dass das Affären-Dementi Trumps eine weitere Präsidente­nlüge gewesen ist – obwohl der derzeitige Trump-Anwalt Rudolph Giuliani am Wochenende plötzlich behauptete, die Aufzeichnu­ng sei manipulier­t worden.

Lügen ist auch für einen Präsidente­n so lange nicht strafbar, wie es nicht unter Eid geschieht – was einst Bill Clinton in der Lewinsky-Affäre zum Verhängnis wurde. Doch die Bänder sollen auch Details zu den Privatgesc­häften der Trump-Familie enthalten – mit der Begleitfra­ge, ob es dabei steuerlich immer mit rechten Dingen zuging. Bekanntlic­h hält Trump – anders als seine Vorgänger – seine persönlich­en Steuererkl­ärungen eisern unter Verschluss.

Noch gefährlich­er dürfte ein Kernaspekt der Ermittlung­en gegen Cohen sein. Der Anwalt, dessen Wohnung, Haus und Hotelzimme­r in einer spektakulä­ren Aktion durchsucht wurden, scheint nicht mehr an Loyalität gegenüber Trump interessie­rt

„Sieht mir so aus, als würde da jemand Geschichte­n erfinden, um sich aus einer anderen Klemme zu befreien.“

Donald Trump

auf Twitter über seinen Ex-A nwalt Cohen

zu sein. Stattdesse­n sei er entschloss­en, so berichtet etwa die „New York Times“, mit den Ermittlern zu kooperiere­n, um Strafmilde­rung zu erreichen. Sein Interesse gelte nun seiner Familie und dem Vaterland, ließ Cohen selbst verlauten – ohne den Präsidente­n zu erwähnen. Das ist deshalb relevant, weil die Cohen-Aussagen nun auch Robert Mueller zur Verfügung stehen werden, dem Sonderermi­ttler in der Russland-Affäre. Und Cohen soll Berichten zufolge bereit sein, eines zu bestätigen: Dass der damalige Präsidents­chaftskand­idat Trump entgegen seines Dementi vorab von jenem so anrüchigen Treffen im Trump-Tower gewusst habe, bei dem sich Trump-Sohn Donald jr. im Juni 2016 offenbar von einer dem Kreml nahestehen­den Anwältin belastende­s Material zu Gegenkandi­datin Hillary Clinton erhofft hatte.

Dieses Treffen wird bisher als wichtigste­s Indiz für eine Kollaborat­ion des Trump-Teams mit Moskau gesehen, das ja – wie Wladimir Putin in Helsinki offen einräumte – Trump als Wahlsieger sehen wollte. Nun hatte Trump-Sohn Donald allerdings unter Eid vor einem Kongressau­sschuss ausgesagt, sein Vater sei von dem Treffen vorab nicht informiert gewesen. Sollten nun neben Cohen weitere Zeugen dem widersprec­hen, drohen Trump Junior strafrecht­liche Ermittlung­en wegen Meineids – und dem Präsidente­n weiter bohrende Fragen.

Die Strategie des aufgeschre­ckten Weißen Hauses zielt deshalb nun darauf ab, den potenziell­en Kronzeugen Cohen als unglaubwür­dig darzustell­en. Zum einen beteuerte der Präsident am Freitag über Twitter: „Ich wusste NICHTS von dem Treffen mit meinem Sohn.“Zum anderen legte er auch gegen seinen Ex-Anwalt nach, ohne diesen zu nennen: „Sieht mir so aus, als würde da jemand Geschichte­n erfinden, um sich aus einer anderen Klemme zu befreien.“Keine Frage: Im Weißen Haus herrscht derzeit wegen Cohen höchste Nervosität.

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FOTO: AFP Michael Cohen könnte seinen Ex-Klienten Trump schwer belasten.
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FOTO: AFP Donald Trump versucht, seinen Ex-Anwalt unglaubwür­dig zu machen.

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