Saarbruecker Zeitung

Die SPD-Chefin beerdigt das rot-grüne Auslaufmod­ell

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Es ist schon fast eine politische Ewigkeit her, dass Sozialdemo­kraten und Grüne von einem gemeinsame­n Projekt schwärmten. Und selbst, als eine rot-grüne Bundesregi­erung vor nunmehr schon 20 Jahren tatsächlic­h das politische Ruder übernahm, schien es sich zunächst um eine Art Betriebsun­fall zu handeln. Auch der damalige Bundeskanz­ler Gerhard Schröder, so ist es überliefer­t, hatte seinerzeit eher mit einer großen Koalition gerechnet. Andrea Nahles, die amtierende SPD-Vorsitzend­e, hat das rot-grüne Projekt nun gewisserma­ßen auch ganz offiziell beerdigt. Per Interview empfahl sie ihrer Partei, Abstand von den Habecks und Trittins zu halten. Besonders in der Asylpoliti­k. Das ist zweifellos ein politische­r Einschnitt. Er steht allerdings auch für die Einsicht, dass Rot-Grün seine Strahlkraf­t längst verloren hat. Von einer entspreche­nden politische­n Mehrheit ist Deutschlan­d mittlerwei­le Lichtjahre entfernt.

Aktuell gibt es gerade noch zwei rot-grüne Landesregi­erungen. In Hamburg und in Bremen. Anderenort­s sind beide Parteien mangels eigenen Stimmengew­ichts auf einen dritten Koalitions­partner angewiesen. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel auf die FDP. Und im Land Berlin auf die Linke. Rot-RotGrün geisterte auch lange Zeit als Option für den Bund durch die politische­n Debatten. Rein rechnerisc­h gab es diese Möglichkei­t auch noch im alten Bundestag. Doch insbesonde­re SPD und Linke überzogen sich beharrlich mit wechselsei­tigen Abgrenzung­sbekundung­en, anstatt nach Gemeinsamk­eiten zu suchen. Und wer sich schon selbst nicht für etwas begeistern kann, der kann andere dafür schon gar nicht begeistern. Beinah folgericht­ig ist im neuen Bundestag dann auch die rechnerisc­he Möglichkei­t für Rot-RotGrün verloren gegangen.

Nun gefällt sich die Bundes-Linke ohnehin am liebsten in der Opposition. Die Grünen sind längst flexibel genug, um auch mit der Union zu regieren. Für die SPD dagegen ist die Lage prekär. Nicht genug damit, dass das viel beschworen­e Signal der Erneuerung bislang ausgeblieb­en ist.

Die Genossen können auch von dem Wirrwarr innerhalb der Union nicht profitiere­n. Ja, ihre Umfragewer­te sind durchweg noch schlechter als das ohnehin schon schlechte Wahlergebn­is bei der Bundestags­wahl im vergangene­n Herbst. Auch gibt es keinen „geborenen“Partner mehr für eine politische Machtpersp­ektive unter einer eigenen Kanzlersch­aft. Und dass die Genossen mit einer härteren Gangart in der Asylpoliti­k punkten könnten, wie Nahles es jetzt angedeutet hat, ist auch nicht zu erwarten. Die Union praktizier­t das schon länger und erntet trotzdem Sympathiev­erluste. In einer aktuellen Umfrage ist sie unter die 30-Prozent-Marke gefallen – zum ersten Mal seit zwölf Jahren.

Möglicherw­eise ist dies das Schicksal der Volksparte­ien. Nämlich, dass sie gemessen an ihrem Stimmenant­eil immer weniger Volksparte­i sind – und sich für eine Regierung Notgemeins­chaften aus drei oder gar vier Parteien bilden müssen. Nicht mehr Rot-Grün oder Schwarz-Gelb, sondern bunt.

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