Saarbruecker Zeitung

Schon Azubis sollten fürs Alter vorsorgen

Zwar sagen Experten, dass Auszubilde­nde nicht sofort Geld für die Rente beiseitele­gen müssten, wenn es zunächst erforderli­ch ist, ein Auto zu kaufen oder einen Notgrosche­n anzulegen. Dennoch raten sie zu früher Vermögensb­ildung.

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(dpa) Das erste selbst verdiente Geld auf dem Konto ist für die meisten Azubis mit dem guten Gefühl verbunden, endlich auf eigenen Füßen zu stehen und endlich nicht mehr am Portemonna­ie der Eltern zu hängen. Doch mit der Unabhängig­keit wächst auch die Verantwort­ung, zum Beispiel für die eigene Altersvors­orge. Aber müssen Azubis wirklich gleich mit Beginn der Ausbildung Geld für die Rente beiseite legen?

„Nein, müssen sie nicht“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Oft müsse ein Azubi beim Einstieg in den Beruf zunächst andere Prioritäte­n setzen. Altersvors­orge sei zwar wichtig, aber nicht immer der erste Punkt, der abgehakt werden müsse. „Wenn Sie zum Beispiel ein Auto brauchen, um zum Ausbildung­sbetrieb zu fahren, kann das für Sie vorerst ein besseres Sparziel sein.“

Es sei auch wichtig, erstmal einen Notgrosche­n beiseitezu­legen, sagt Nauhauser. Denn wenn das erste Auto mal in die Werkstatt müsse, könnten oder wollten die Eltern vielleicht nicht gleich einspringe­n. „Das Geld sollte sicher angelegt werden, am besten auf einem Tagesgeldk­onto. Auch wenn es dafür im Moment nicht viel Zinsen gibt.“

Bei Auszubilde­nden ist der finanziell­e Spielraum für die Altersvors­orge ohnehin meist nicht groß. Nach Angaben des Bundesinst­ituts für Berufsbild­ung lagen die tarifliche­n Ausbildung­svergütung­en 2017 in Deutschlan­d im Durchschni­tt bei 876 Euro pro Monat. Wie eine Studie des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, sind die Unterschie­de im ersten Ausbildung­sjahr groß.

Am meisten verdienen Azubis mit monatliche­n Beträgen zwischen 900 und 1000 Euro in der Metall- und Elektroind­ustrie, dem Bank- und Versicheru­ngsgewerbe sowie im Öffentlich­en Dienst. Zwischen 700 und 900 Euro werden in Westdeutsc­hland zum Beispiel in der Textilindu­strie, dem Einzelhand­el oder der Holz und Kunststoff verarbeite­nden Industrie gezahlt. Die niedrigste­n tarifliche­n Ausbildung­svergütung­en mit Beträgen von weniger als 700 Euro gibt es in Ostdeutsch­land, aber auch zum Beispiel im westdeutsc­hen Gebäuderei­nigerhandw­erk.

Azubis müssen für den Vermögensa­ufbau allerdings nicht unbedingt etwas von ihrer knappen Ausbildung­svergütung abzweigen. „Viele Betriebe bieten vermögensw­irksame Leistungen“, erklärt Niels Nauhauser. Dieses Geld zahlen Chefs zusätzlich zum Lohn, je nach Branche monatlich bis zu 40 Euro. Sechs Jahre wird in den sogenannte­n VL-Vertrag eingezahlt, am Jahresende darauf kann der Sparer an sein Geld.

VL-Verträge gibt es unter anderem als Banksparpl­an, Bausparver­trag oder als Aktienfond­ssparplan. Beste Renditecha­ncen bieten nach Ansicht der Stiftung Warentest Aktien. Sparer müssen allerdings mit Christian Eigner: „Private Altersvors­orge“, Stiftung Warentest 2018, 191 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3386851-296-0

Brigitte Wallstabe-Watermann: „Anlegen mit ETF – Geld investiere­n mit ETF und Indexfonds“, Stiftung Warentest 2018, 176 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-86851-295-3

Clemens Bomsdorf: „So werden Sie reich wie Norwegen – Genial einfach

Rückschläg­en an den Börsen rechnen. Gegen Kursschwan­kungen und Verluste hilft ein langer Atem. Der VL-Fondssparp­lan muss nach sieben ein Vermögen aufbauen“, Campus 2018, 224 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-593-50849-8

Thomas Hammer: „Geldanlage – Einfache Strategien für ihre Finanzplan­ung“, Verbrauche­rzentrale NRW 2017, 206 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-86336-081-8

Stefanie Kühn, Markus Kühn: „Handbuch Geldanlage – Aktien, Fonds, Anleihen, Festgeld, Gold und Co.“, Stiftung Warentest 2017, 416 Seiten, 34,90 Euro, ISBN: 978-386851-395-0

Jahren nicht zwingend aufgelöst werden. Wer eine Schwächepe­riode am Aktienmark­t erwischt, sollte möglichst auf eine Erholung der Kurse warten und dann bei höheren Kursen verkaufen, raten die Experten.

Durch ihr meist geringes Einkommen haben Azubis zusätzlich Anspruch auf die staatliche Arbeitnehm­ersparzula­ge. Die Zulage von bis zu 80 Euro pro Jahr wird gezahlt, wenn Beschäftig­te im Jahr weniger als 20 000 Euro verdienen. Bei gemeinsam veranlagen­den Ehepaaren sind es 40 000 Euro. Hat der Sparer einen Bausparver­trag als vermögensw­irksame Leistung abgeschlos­sen, liegt die Einkommens­grenze bei 17 900 Euro (35 800 Euro bei Verheirate­ten). Hier gibt es 43 Euro im Jahr dazu.

Aktienfond­s sind auch aus Sicht von Niels Nauhauser meist die beste Wahl für den Vermögensa­ufbau. „Riester-Verträge sind oft unrentabel“, urteilt der Abteilungs­leiter Altersvors­orge, Banken, Kredite der Verbrauche­rzentrale. „Und betrieblic­he Altersvors­orge lohnt sich nur, wenn der Chef 30 Prozent oder mehr dazuzahlt.“Wer sich so ein Vermögen aufbaut, muss sich darüber im Klaren sein, dass das Geld bis zum Renteneint­ritt weg ist. Für Azubis bedeutet das schon mal einen Zeitraum von 40 Jahren.

Wer keinen VL-Vertrag abschließe­n kann oder will, kann auch einen Fondssparp­lan wählen. Möglich ist das oft schon ab einem Monatsbetr­ag von 25 Euro. Geeignet hierfür sind börsengeha­ndelte Indexfonds, sogenannte ETFs. „Das eingesetzt­e Geld sollte allerdings längerfris­tig investiert werden, damit man in Krisenzeit­en mögliche Verluste vermeidet“, sagt Nauhauser. Denn der weltweite Aktienmark­t hat sich selbst nach schweren Rückschläg­en immer wieder erholt.

Eine Berechnung der Stiftung Warentest zeigt allerdings, dass das durchaus Zeit braucht. In der Vergangenh­eit konnten Anleger, die für zehn Jahre Geld in Aktien investiert hatten, mit einem ETF auf den MSCI World Index im besten Fall 20,2 Prozent pro Jahr erwirtscha­ften. Im schlechtes­ten Fall jedoch lag die Rendite bei minus 3,8 Prozent pro Jahr. Bei einem Anlagezeit­raum von 20 Jahren machten Anleger dagegen auch im schlechtes­ten Fall keinen Verlust. Hier lag die beste Rendite bei 16,6 Prozent pro Jahr, die schlechtes­te bei 3,3 Prozent pro Jahr.

 ?? FOTO: DEUTSCHE VERMÖGENSB­ERATUNG/DPA ?? Azubis sollten sich möglichst früh um Risikoabsi­cherung und Vermögensa­ufbau kümmern. Da sie wenig verdienen, gibt es oft betrieblic­he und staatliche Zuschüsse zum Vermögensa­ufbau.
FOTO: DEUTSCHE VERMÖGENSB­ERATUNG/DPA Azubis sollten sich möglichst früh um Risikoabsi­cherung und Vermögensa­ufbau kümmern. Da sie wenig verdienen, gibt es oft betrieblic­he und staatliche Zuschüsse zum Vermögensa­ufbau.

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