Saarbruecker Zeitung

„Viele Badegäste überschätz­en sich“

Eine Rettungssc­hwimmerin erklärt, wie sich Menschen unbewusst in Gefahr bringen und warum viele Unfälle vermeidbar wären.

- DIE FRAGEN STELLTE SARAH KONRAD

Bundesweit ertrinken jedes Jahr hunderte Menschen. Oftmals stufen sie ihre Schwimmfäh­igkeit nicht richtig ein und unterschät­zen die Gefahren im Wasser. Auch am Bostalsee haben es die Mitglieder der Deutschen Lebensrett­ungs-Gesellscha­ft (DLRG) immer wieder mit leichtsinn­igen und übermütige­n Badegästen zu tun. Kathrin Angnes, Sprecherin des DLRG-Landesverb­andes, zieht eine erste Saisonbila­nz und gibt Tipps für mehr Sicherheit im Wasser.

Frau Angnes, diesen Monat sind in Deutschlan­d schon mehrere Menschen ertrunken. Warum gibt es in letzter Zeit so viele Badeunfäll­e?

In den vergangene­n Wochen ist tolles Wetter. Das lockt viele Menschen in die Bäder und an die Seen. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen nicht richtig schwimmen können.

Woran liegt das?

Es werden immer wieder Schwimmbäd­er geschlosse­n. Viele Grundschul­en haben daher keine Möglichkei­t mehr, Schwimmunt­erricht anzubieten. Außerdem führen die Schließung­en dazu, dass die Menschen weniger schwimmen gehen. Es ist heutzutage nicht ungewöhnli­ch, dass Kinder, die eingeschul­t werden, noch kein Schwimmbad von innen gesehen haben.

Wann und wie sollten Kinder denn das Schwimmen lernen?

Das funktionie­rt am besten ab dem fünften Lebensjahr. Kinder, die frühzeitig ans Wasser gewöhnt werden, sind meist früher in der Lage, sich an der Wasserober­fläche zu halten. Daher ist es wichtig, dass Eltern mit ihrem Nachwuchs möglichst oft ins Schwimmbad gehen.

Ab wann bezeichnen Sie eine Person als einen sicheren Schwimmer?

Wenn derjenige das Schwimmabz­eichen in Bronze hat.

Was muss man dafür können?

Kinder müssen 200 Meter in höchstens 15 Minuten schwimmen. Zwei Meter tief nach einem Ring tauchen und zum Schluss noch vom Ein-Meter-Brett springen. Und sie müssen die Baderegeln kennen.

Die DLRG-Statistik zeigt, dass besonders viele Flüchtling­e in Badeunfäll­e verwickelt sind.

Viele Flüchtling­e sehen die Gefahr gar nicht und springen völlig bedenkenlo­s ins Wasser. Dabei schaffen sie es gerade mal, sich krampfhaft an der Wasserober­fläche zu halten. Viele überschätz­en sich. Das ist aber nicht nur ein Problem von Flüchtling­en.

Sind Badegäste zu leichtsinn­ig?

Ja, aber interessan­terweise betrifft das nicht nur die Jüngeren. Oft sind es auch Senioren, die sich überschätz­en und unüberlegt handeln. Ein Beispiel: Ein älterer Mann möchte, wie jedes Jahr im Urlaub, den See schwimmend durchquere­n. Beim x-ten Mal geht es leider schief.

Wie verlief die Badesaison bisher am Bostalsee?

Insgesamt hat die DLRG dort in diesem Jahr 6500 Stunden Wachdienst geleistet. In der Zeit kam es zu 128 leichten Erste-Hilfe-Fällen. Es ereigneten sich sechs Unfälle, bei denen der Rettungsdi­enst gerufen werden musste. Außerdem haben die Rettungssc­hwimmer am See bereits 56 Mal Wasserspor­tler unterstütz­t. Sechs Mal mussten sie Schwimmern zur Hilfe kommen. Zwei davon haben sie aus Lebensgefa­hr gerettet. Hinzu kommt noch das Unglück mit dem gekenterte­n Solarkatam­aran. Hier waren 38 Personen betroffen, davon elf Kinder.

Was sind die typischen Einsätze?

Angnes

In Not geratenen Schwimmern zu helfen, ist nur ein kleiner Teil unserer Arbeit. Oft kleben wir Pflaster auf aufgeschür­fte Knie, behandeln Wespenstic­he oder helfen dabei, Personen zu finden, die im Getümmel verloren gegangen sind.

Wo passieren die meisten Unfälle?

An Gewässern, an denen es keine Aufsicht gibt und die Leute trotzdem baden gehen.

Wie soll man sich verhalten, wenn man im Wasser in Schwierigk­eiten gerät?

Zuerst einmal sollte man versuchen, Ruhe zu bewahren und auf sich aufmerksam zu machen. Wenn man beispielsw­eise zu weit rausgeschw­ommen ist und müde wird, sollte man sich auf den Rücken legen und kurz Pause machen. Dabei kann man nach Booten oder der DLRG Ausschau halten.

Wie erkenne ich vom Ufer aus, ob jemand in Schwierigk­eiten ist?

Wenn man am Ufer steht und sieht, dass jemand weiter draußen schwimmt, sollte man denjenigen im Auge behalten. Dann sieht man ja, wie er sich verhält und ob er zwischendu­rch hin und wieder untertauch­t. In dem Fall sollte man rechtzeiti­g Alarm schlagen. Wenn Menschen im tiefen Wasser in Not geraten, haben sie selten noch genug Kraft, um Hilfe zu rufen oder die Arme hochzureiß­en und zu winken.

Baderegeln sollen solchen Notsituati­onen vorbeugen. Können Sie die wichtigste­n aufzählen?

Man sollte wegen den unberechen­baren Strömungen nie in Flüssen baden. Für sonstige Gewässer gilt: Nur an ausgewiese­nen und bewachten Stellen schwimmen gehen. Bevor man ins Wasser springt, sollte man sich abkühlen. Wenn man kein sicherer Schwimmer ist, sollte man nur bis zum Bauch ins Wasser gehen. Ganz wichtig ist auch, dass Luftmatrat­zen, Schwimmrin­ge und Schwimmflü­gel keine vertrauens­würdigen Hilfen sind. Eltern sollten ihre Kinder immer beaufsicht­igen und mit ihnen ins Wasser gehen. Es reicht nicht, am Rand herumzuste­hen und ab und zu mal einen Blick auf den Nachwuchs zu werfen. Zudem sollte man das Wetter im Auge behalten und das Wasser verlassen, wenn ein Gewitter aufzieht.

Würden sich alle Badegäste an diese Regeln halten, wie viele Unfälle könnten dann vermieden werden?

Passieren kann immer etwas. Aber ich denke, wenn jeder die Baderegeln kennen und sich daran halten würde, könnte die Zahl der

Unfälle deutlich reduziert werden.

Im Jahr 2017 sind bundesweit 310 Männer und 83 Frauen ertrunken. Wie erklären Sie sich das?

Männer sind einfach risikofreu­diger. Frauen gehen vorsichtig­er an die Sache heran.

Das Saarland gilt laut Statistik als eines der sichersten Bade-Bundesländ­er. Woran liegt das?

Daran, dass das Saarland das kleinste Bundesland ist und wir nur zwei Badeseen haben. Die geringe Zahl der tödlichen Badeunglüc­ke hat nichts damit zu tun, dass die Gewässer bei uns besser bewacht werden als in anderen Bundesländ­ern oder die Menschen hier besser schwimmen können.

Tun die Kommunen genug für die Sicherheit der Badegäste?

An den Seen und Freibädern sind wir gut aufgestell­t. Da sind immer Rettungssc­hwimmer der DLRG vor Ort. In den Freibädern unterstütz­en sie oft die Mitarbeite­r der Gemeinden. Aber es ist wichtig, dass die Kinder wieder besser schwimmen lernen. Daher sollten sich die Kommunen für den Bau und Erhalt von Schwimmbäd­ern einsetzen.

 ?? FOTO: EVELYN SCHNEIDER ?? Die Rettungssc­hwimmer der DLRG überwachen die Badegäste am Strandbad in Gonnesweil­er.
FOTO: EVELYN SCHNEIDER Die Rettungssc­hwimmer der DLRG überwachen die Badegäste am Strandbad in Gonnesweil­er.
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FOTO: MICHAEL ANGNES Kathrin Angnes

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