Saarbruecker Zeitung

Gelten Baller-Spiele bald offiziell als Sport?

Der E-Sport wächst rasant. Die Bundesregi­erung will ihn als Sportart anerkennen. Ein saarländis­cher CDU-Politiker hat etwas dagegen.

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(SZ/dpa) 100 Leute werden über einer Insel abgeworfen. Bewaffnet nur mit einer Spitzhacke. Sie bilden 50 Zweier-Teams. Das Ziel: überleben und alle anderen töten. Dafür sind überall auf der Insel Waffen und andere nützliche Dinge versteckt. Außerdem können Baumateria­lien abgebaut und damit etwa Schutzvorr­ichtungen errichtet werden. Später verkleiner­t sich das Gebiet, das zur Verfügung steht, so dass sich die Gegner aufeinande­r zubewegen müssen. Schließlic­h kommt es zum Showdown der letzten Überlebend­en. Am Ende bleiben nur „Ninja“und „Marshmello“übrig.

Für alle Nicht-Gamer sei kurz erklärt, worum es geht: um das Computersp­iel „Fortnite Battle Royal“, das derzeit auch in Deutschlan­d einen regelrecht­en Boom erlebt. Genauer: um eines der erfolgreic­hsten E-Sport-Turniere aller Zeiten, das vor einigen Wochen in Los Angeles ausgetrage­n wurde – mit jeweils 50 „Fortnite“-Profis und 50 Prominente­n. Nach Angaben der Computersp­iel-Zeitschrif­t „Gamestar“sollen mindestens 1,5 Millionen Fans im Internet zugeschaut haben – eher deutlich mehr. Die Sieger „Marshmello“, ein Musikprodu­zent und DJ, und „Ninja“, ein absoluter Top-Star der „Fortnite“-Szene, kassierten eine Million Dollar, die sie für wohltätige Zwecke spenden.

Nun stellt sich eine Frage: Betreiben die Teilnehmer an solchen Veranstalt­ungen richtigen Sport – so wie Fußball, Leichtathl­etik oder Ringen? Der sportpolit­ische Sprecher der CDU-Fraktion im Saarland, Raphael Schäfer, hat dazu eine ganz klare persönlich­e Meinung: Für ihn ist E-Sport keine Sportart im eigentlich­en Sinne – egal ob es dabei um ein Gemetzel wie bei „Fortnite“oder um etwas friedliche­re Spiele wie die Fußball-Simulation „Fifa“handelt. Zum Sport gehört für Schäfer eine „motorische Aktivität“. Und das sei nicht gegeben, wenn Spieler auf einem Gamepad herumdrück­en.

Mit dieser Auffassung stellt sich Schäfer allerdings gegen den Koalitions­vertrag, den seine eigene Bundespart­ei unterschri­eben hat. Darin kündigen CDU, CSU und SPD an, den E-Sport „vollständi­g als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsre­cht“anerkennen zu wollen. Doch das sei gar nicht möglich, argumentie­rt Schäfer: „Nicht die Politik entscheide­t über eine Anerkennun­g als Sportart, sondern der autonome Sport.“Beim Treffen aller sportpolit­ischen Sprecher der 16 Landtagsfr­aktionen von CDU und CSU hat Schäfer deshalb im April einen entspreche­nden Antrag eingebrach­t – mit Erfolg. Die Unionspoli­tiker erklärten die „unabhängig­e Sportbeweg­ung“für zuständig.

Die beschäftig­t sich inzwischen tatsächlic­h mit dem Thema E-Sport. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat dafür extra eine Arbeitsgru­ppe gegründet, die prüfen soll, ob das Spielen von Video- und Computerga­mes nach festgelegt­en Regeln einen Platz in der Dachorgani­sation und ihren Verbänden und Vereinen finden könnte. „Wir sehen dringenden Klärungsbe­darf“, sagt Veronika Rücker, Vorstandsc­hefin des DOSB. „Wir spüren, dass E-Sport viele bewegt, das Thema wird überall diskutiert.“Die von ihr geleitete Arbeitsgru­ppe E-Sport will eine „ergebnisof­fene Debatte“führen und zu einer Positionie­rung des organisier­ten Sports kommen. „Wir werden eine Empfehlung im Umgang mit E-Sport definitiv im Herbst geben“, so Rücker. Den Vorstoß der neuen Bundesregi­erung sieht der DOSB wie Schäfer als „klaren Angriff“auf die Autonomie des Sports.

Dagegen ist das Bekenntnis der Politik für den Ende November 2017 gegründete­n E-Sport-Bund Deutschlan­d (ESBD) ein wichtiges Signal und womöglich der erste Schritt, auf absehbare Zeit als gemeinnütz­ig anerkannt zu werden. Das wäre die Voraussetz­ung für eine Aufnahme des ESBD in den DOSB – neben der Frage, ob E-Sport überhaupt Sport ist. ESBD-Präsident Hans Jagnow hofft, mit einer Anerkennun­g „eine nachhaltig­e Basis“

„Im E-Sport sind viele Elemente, die uns als Sport tragen und ausmachen,

vorhanden.“

Veronika Rücker

Vorstandsc­hefin des DOSB

im E-Sport schaffen zu können: „Wir haben eine große Schere zwischen dem profession­ellen E-Sport und Spielern, die mit sportliche­m Anspruch E-Sport-Videospiel­e spielen, aber unorganisi­ert sind.“

CDU-Politiker Raphael Schäfer würde eine Anerkennun­g durch den DOSB akzeptiere­n, wie er betont. Er würde darin jedoch „ein falsches Signal“sehen. In den klassische­n Sportarten hätten die Vereine ohnehin schon „genug Probleme, Nachwuchs zu finden“, sagt der CDU-Landespoli­tiker aus Saarlouis. „Diese Situation würde eine Anerkennun­g des E-Sports als Sportart noch verschärfe­n.“

Doch der DOSB sieht auch Argumente für eine Anerkennun­g: „Man kann schon sagen, dass E-Sport mit anderen Sportarten, die unter dem DOSB-Dach vereint sind, eine vergleichb­are sportliche Aktivität mit sich bringt“, bekennt Rücker offen. „Im E-Sport sind viele Elemente, die uns als Sport tragen und ausmachen, vorhanden.“Man dürfe nicht unterschät­zen, was E-Sportler an Training erbringen. Außerdem gebe es Jugendarbe­it, Breiten- und Spitzenspo­rt.

Ein weiteres Konfliktth­ema sind gewalttäti­ge Inhalte: Ein Spiel wie „Fortnite“ist da noch vergleichs­weise harmlos. Als deutlich problemati­scher gilt etwa „Counter-Strike“, das mit der expliziten Darstellun­g von Gewalt oft als Beispiel für „Killer-Spiele“herangezog­en wird. Zwei Gruppen – Terroriste­n und Counter-Terroriste­n – liefern sich dabei Gefechte. Die einen wollen eine Bombe platzieren, die anderen das verhindern. Es wird ordentlich geballert. Vor einigen Wochen erst bekriegten sich in Köln Profi-Teams bei einem der bekanntest­en Turniere der Szene – der ESL One Cologne – vor rund 15 000 Zuschauern. Es ging um 300 000 US-Dollar.

Und das sind noch vergleichs­weise bescheiden­e Verdienstm­öglichkeit­en, wenn man auf das vergangene Wochenende blickt: In Berlin wurden bei der PUBG Global Invitation­al sogar zwei Millionen Dollar ausgeschüt­tet. Das Prinzip von „PlayerUnkn­own’s Battlegrou­nds“(PUBG) ist das gleiche wie bei „Fortnite“und „Counter-Strike“: überleben und töten.

Den DOSB stimmt dieser Aspekt skeptisch: „Das ist ein Punkt, dem wir uns intensiv zuwenden werden. Wie viele Gewaltelem­ente sind in den Spielen enthalten?“, sagt Rücker. Es gebe Shooter- und Strategie-Spiele bis hin zu Fußball-Simulation­en wie Fifa. „Die Sportspiel­e sind nicht die, die am weitesten verbreitet sind.“Doch auch in diesem Bereich wächst der Markt rasant: Immer mehr Vereine aus der Fußball-Bundesliga nehmen Vollzeit-E-Sportler unter Vertrag – und zahlen ihnen mehrere Tausend Euro im Monat fürs Videospiel­en. Bremen, Wolfsburg, Schalke, Stuttgart, Leipzig, Bochum, Nürnberg, Leverkusen, Hertha, Köln – sie alle wollen auf der Trend-Welle reiten. Und natürlich Geld verdienen.

Denn die Umsätze mit Werbung, Sponsoring, Turniertic­kets, Medienrech­ten und Fanartikel­n der E-Sport-Branche wachsen: Von 325 Millionen Dollar (rund 280 Millionen Euro) 2015 auf fast 655 Millionen Dollar 2017, wie das Marktforsc­hungsinsti­tut Newzoo schätzt. Die Milliarde sei in Sicht. Und: Allein in Europa soll es rund 350 Millionen Freizeitsp­ieler sowie eine wachsende Zahl an Zuschauern (Prognose für 2025: 850 Millionen) geben.

Da stellt sich die Frage: Wird E-Sport vielleicht irgendwann sogar olympisch? Der Chef des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, Thomas Bach, kann sich das durchaus vorstellen: „Wenn dort Fußball oder Basketball gespielt wird, dann kann man solchen Inhalten und solchen Gamern durchaus nahetreten. Der nächste Schritt wäre, dies als Sport anzuerkenn­en. Das olympische Programm steht dann noch einmal auf einem ganz anderen Blatt“, meinte Bach. Der IOC-Chef machte deutlich, dass es im Fall der Fälle Grenzen geben würde. „Eine klare rote Linie“gebe es dort, „wo die Inhalte der Spiele gegen unsere Werte verstoßen“, sagte Bach. Das sei immer dann der Fall, wenn Gewaltverh­errlichung, Killerspie­le, Diskrimini­erung Inhalt dieser Spiele seien.

Doch könnte man auch ganz provokant fragen: Braucht E-Sport Olympia überhaupt oder braucht Olympia den E-Sport mit seinem großen Potenzial? Jagnows grundsätzl­iche Meinung dazu: „E-Sport braucht vielleicht nicht Olympia, E-Sport braucht den olympische­n Geist und seine Werte, um als Sportart auch dem Anspruch der Gesellscha­ft, den sie an Sport hat, gerecht zu werden“.

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FOTO: WIEDENSOHL­ER/IMAGO In der Mercedes-Benz-Arena in Berlin spielten am Sonntag Profi-Zocker um den WM-Titel im Ballerspie­l „Playerunkn­own’s Battlegrou­nds“.
 ?? FOTO: PETERSEN/AFP ?? Profi-Zocker „Ninja“setzte sich mit seinem Team-Kollegen „Marshmello“(mit Maske) bei einem „Fortnite“-Turnier in Los Angeles durch.
FOTO: PETERSEN/AFP Profi-Zocker „Ninja“setzte sich mit seinem Team-Kollegen „Marshmello“(mit Maske) bei einem „Fortnite“-Turnier in Los Angeles durch.

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