Saarbruecker Zeitung

„Mini-Olympia“als Testlauf für Tokio

Sieben Sportarten tragen in den kommenden Tagen zeitgleich ihre Europameis­terschafte­n aus – sechs davon in Glasgow.

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halben Jahr nach Neckarsulm bedeutete eine Zäsur für den SSB. Vitense hat nicht nur Olympia-Teilnehmer­in Annika Bruhn, sondern auch Toptalente wie Henning Mühlleitne­r, Celine Rieder und Marlene Hüther mitgenomme­n. Dem neuen Landestrai­ner Felix Weins ist sozusagen die Spitze weggebroch­en – bis auf Beckenschw­immer Fildebrand­t, der in Glasgow in der deutschen 4x100-Meter-Staffel gesetzt ist, und Freiwasser­schwimmer Waschburge­r, der nach der verpassten Teilnahme an den Spielen in Rio de Janeiro über die Zehn-Kilometer-Distanz einen letzten großen Anlauf zur Weltspitze unternimmt.

Weltspitze – da ist Pauline Schäfer bereits angekommen. WM-Bronze am Schwebebal­ken 2015 in Glasgow, WM-Gold am Schwebebal­ken 2017 in Montréal. Die 21-Jährige aus Bierbach ist nicht nur das Aushängesc­hild des Saarländis­chen Turner-Bundes (wenngleich sie seit 2012 in Chemnitz lebt), sie ist der Star des deutschen Turnens. Nach Montréal hat sich Schäfer eine Auszeit gegönnt, nun kehrt sie nach Glasgow zurück, an den Ort ihres erstes großen internatio­nalen Erfolgs. Schäfer sollte auch für Tokio gesetzt, vielleicht sogar in Begleitung ihrer jüngeren Schwester Helene sein, die mit ihr in Chemnitz lebt. Für den STB wäre dies ein Segen, denn in der Heimat sind die Perspektiv­en ungleich schwierige­r. Die dringend erforderli­che Sanierung der Turnhalle an der Sportschul­e liegt im Zuge des Finanzskan­dals beim LSVS auf Eis.

Richtig heiß wird es kommende Woche für die deutschen Leichtathl­eten. Seit Rio ist der gesamte Fokus des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes auf die Heim-EM in Berlin gerichtet. Die Titelkämpf­e im Olympiasta­dion sollen zum rauschende­n Fest werden, und dazu sollen auch zwei Saarländer­innen beitragen: Neben Sprinterin Laura Müller (22) vom LC Rehlingen, die seit der EM 2016 in Amsterdam bei allen internatio­nalen Meistersch­aften am Start war, ist mit Siebenkämp­ferin Louisa Grauvogel (22) eine neue Hoffnung ins Rampenlich­t getreten. Die Ottweileri­n hat sich während ihres Studiums in den USA bemerkensw­ert weiterentw­ickelt – und hat noch unglaublic­h viel Luft nach oben. Bleibt sie – wie nach ihrer Rückkehr nach Deutschlan­d – der Trainingsg­ruppe von Disziplin-Bundestrai­ner Ulrich Knapp erhalten, hat der Saarländis­che Leichtathl­etik-Bund ein starkes Duo für die Zukunft.

Zehnkämpfe­r Luca Wieland (23) aus Holz suchte sein Glück in diesem Jahr in Halle an der Saale an der Seite von Vize-Weltmeiste­r Ricco Freimuth. Wieland musste sich aber in der EM-Qualifikat­ion seiner Verletzung­sanfälligk­eit beugen. Bleibt er gesund, ist Tokio realistisc­h. Weitere Talente des SLB müssen erst einmal den Übergang in den Aktivenber­eich meistern.

Der ist Lisa Klein herausrage­nd gelungen. Die 22-Jährige aus Völklingen-Lauterbach, deutsche Meisterin auf der Straße 2017, ist ein aufgehende­r Stern im deutschen Radsport. War sie 2016 in Rio noch Ersatzfahr­erin im deutschen Bahn-Vierer, beweist sie seither mit regelmäßig­en Erfolgen, dass sie selbst im Fokus stehen will. Nicht nur bei der EM in Glasgow, auch in der Zukunft. Die saarländis­che Fraktion bei den European Championsh­ips rundet Triathlet Justus Nieschlag (26) ab.

Olympische Hoffnungen in Richtung Japan haben aber noch weitaus mehr Sportler aus dem Saarland. Allen voran die Badmintons­pieler Marvin Seidel (22) und Isabel Herttrich (26) vom BC Bischmishe­im, die gerade bei der WM in China aktiv sind. Oder Tischtenni­sspieler Patrick Franziska (26) vom 1. FC Saarbrücke­n. Die Ringer Etienne Kinsinger (21) und Gennadij Cudinovic (24) vom KSV Köllerbach natürlich. Gesetzt sein sollte auch Fußballeri­n Dzsenifer Marozsan von Olympique Lyon. Die 26-Jährige aus Saarbrücke­n, Kapitän der deutschen Nationalma­nnschaft, kuriert gerade die Folgen einer Lungenembo­lie aus. Hoffnungen können schnell auch mal platzen.

Der saarländis­che Sport ist für die European Championsh­ips gut aufgestell­t, auch die Zwischenbi­lanz zwei Jahre vor Tokio fällt nicht schlecht aus. Doch der Trend ist unverkennb­ar. Wer an die Spitze will, entschließ­t sich nicht selten, das Saarland zu verlassen – weil eben nicht alle Sportarten bis in die Weltklasse abgedeckt werden. Es fehlt an Mitteln, an Infrastruk­tur. Wie im Radsport. Oder im Turnen. Der LSVS und der Olympiastü­tzpunkt müssen sich positionie­ren, um zumindest ihre Bundesstüt­zpunkte zukunftssi­cher zu machen. Damit die Saarsportl­er weiter bei Olympia mitmischen können – und zwar nicht nur im Miniatur-Format.

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FOTO: CHIASSON/DPA Pauline Schäfer (re.) ist das Aushängesc­hild des Saarländis­chen Turner-Bundes. Die Schwebebal­ken-Spezialist­in verkörpert absolute Weltklasse.

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