Saarbruecker Zeitung

Zurück in die ungewisse Mittelmeer-Mission

Das Rettungssc­hiff „Aquarius“wagt sich auch nach seiner Odyssee wieder Richtung Libyen. In Zeiten, die für Seenotrett­er immer härter werden.

- VON LENA KLIMKEIT

ROM (dpa) Dieses Mal muss es vor allem mehr Vorräte geben. Denn wer weiß, wie lange man auf dem Meer bleiben muss. Das Flüchtling­srettungss­chiff „Aquarius“sticht wieder in See. Aber ob sie in internatio­nalen Gewässern vor Libyen wieder Migranten aufnehmen und diese auch in einen europäisch­en Hafen bringen kann, ist so ungewiss wie nie zuvor. „Wir wissen nicht, was uns im Mittelmeer erwartet. Die Lage ist sehr unübersich­tlich“, sagt die Sprecherin von SOS Méditerran­ée, Jana Ciernioch, gestern vor der für den Abend geplanten Abfahrt des Schiffs vom südfranzös­ischen Marseille aus. Der letzte Einsatz hat die Helfer tief verunsiche­rt: Nach einer mehrtägige­n Blockade auf dem Meer mit Hunderten geretteter Migranten endete dieser nicht wie immer in Italien, sondern im weit entfernten spanischen Valencia. Eine Odyssee für Retter und Gerettete.

Nun kommt noch eine Unbekannte mehr hinzu: Ende Juni richteten libysche Behörden eine eigene Such- und Rettungszo­ne ein. Sie erstreckt sich nicht nur auf nationale Gewässer des Bürgerkrie­gslandes, sondern auch auf internatio­nale Gewässer vor der libyschen Seegrenze. In der üblichen Einsatzzon­e der privaten Seenotrett­er hat den Hut nun eine Rettungsle­itstelle in Tripolis auf. In einem Bürgerkrie­gsland. Die neue Rettungszo­ne ist nur eine von vielen Entwicklun­gen, die die Situation der Retter im Mittelmeer in einem Jahr verändert haben. Alles begann mit der Beschlagna­hme der „Iuventa“der deutschen Organisati­on Jugend Rettet im August 2017, die noch immer auf Sizilien ankert. Es folgte ein neues Regelwerk für die Helfer, die sich von der damaligen Regierung in Rom kriminalis­iert fühlten. Auf Malta läuft ein Prozess gegen den Kapitän der „Lifeline“aus Dresden. Dort sitzen auch weitere Hilfsorgan­isationen fest. Die neue italienisc­he Regierung verwehrt Rettungssc­hiffen die Einfahrt in ihre Häfen. Neben der „Aquarius“ist nur noch die „Open Arms“einer spanische Hilfsorgan­isation im Einsatz. Vor einem Jahr waren es noch mehr als ein Dutzend private Rettungssc­hiffe, die meisten aus Deutschlan­d, die tausende Migranten von Booten retteten und nach Italien brachten.

Die Einrichtun­g der libyschen Zone sorge nun für noch mehr Verwirrung, sagt Flavio Di Giacomo von der Internatio­nalen Organisati­on für Migration. Dass die Libyer im Fall einer Rettung zuständig seien, sei höchst widersprüc­hlich. Schiffe müssten ihren Anweisunge­n Folge leisten. „Aber alle sind sich einig, dass Libyen kein sicherer Hafen ist, auch die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini und die Vereinten Nationen sagen das immer wieder“. Am Dienstag hatte der Fall eines italienisc­hen Versorgung­sschiffs für Aufsehen gesorgt, das mehr als 100 Migranten nach Libyen zurückbrac­hte – was die EU untersagt. Im zerrüttete­n Libyen ist Gewalt an der Tagesordnu­ng. Wer dorthin zurück gebracht wird, kommt in Gefangenen­lager. Dennoch deutet alles daraufhin, dass das Land eine zentrale Rolle bei der Seenotrett­ung übernehmen soll. Während die Zahl der Ankommende­n drastisch abnimmt, nimmt Europa das Verschwind­en der NGOs hin – zumal sie als Anziehungs­punkt für Schlepper gesehen werden. Diese reagieren – und schicken die Migranten nun vermehrt nach Spanien.

Der Wille der „Aquarius“-Crew ist dennoch ungebroche­n. „Wir sind eins von zwei Schiffen, auf die es jetzt ankommt“, sagt Ciernioch. Und eins ist sicher: „Wir werden die Menschen niemals nach Libyen zurückbrin­gen.“

„Die Lage ist sehr unübersich­tlich.“

Jana Ciernioch, SOS Méditerran­ée

 ?? FOTO: L. SCHMID/SOS MEDITERRAN­EE/DPA ?? Die „Aquarius“in Aktion: Im Mittelmeer vor Libyen rettet das Schiff in Seenot geratene Flüchtling­e aus Afrika. Ihre letzte Fahrt wurde zur Odyssee, weil Italien sie abwies. Jetzt will die Crew wieder in See stechen.
FOTO: L. SCHMID/SOS MEDITERRAN­EE/DPA Die „Aquarius“in Aktion: Im Mittelmeer vor Libyen rettet das Schiff in Seenot geratene Flüchtling­e aus Afrika. Ihre letzte Fahrt wurde zur Odyssee, weil Italien sie abwies. Jetzt will die Crew wieder in See stechen.

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