Saarbruecker Zeitung

Hitze-Stress macht das Leben womöglich gefährlich­er

Es ist heiß, die Sonne brennt. Bringt das Wetter außer Schweißaus­brüchen auch Risiken im Verkehr und am Arbeitspla­tz mit sich? Experten sehen dafür Hinweise.

- VON EVA KRAFCZYK Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Robby Lorenz Tobias Fuchs

FRANKFURT/MAIN (dpa) Hitze, warme Nächte, womöglich schwüle Gewitterlu­ft – ist dieses Wetter besonders gefährlich? Und macht es manche Menschen womöglich zu einem Risikofakt­or? Eine bereits vor Jahren veröffentl­ichte Untersuchu­ng der ADAC-Unfallfors­chung lässt das zumindest vermuten. Danach ereignet sich jeder siebte Verkehrsun­fall mit Verletzten an heißen Sommertage­n mit Temperatur­en von 25 Grad und mehr. Hauptursac­he sind vor allem Fahrfehler durch mangelnde Konzentrat­ion, hieß es damals in der Studie.

Nach Angaben eines Sprechers sind die Ergebnisse auch heute noch aktuell. Allerdings wurden keineswegs sämtliche Verkehrsun­fälle berücksich­tigt, sondern die schweren Unfälle untersucht, bei denen die Luftrettun­g zum Einsatz kam, erläuterte ein Sprecher. Immerhin: An Tagen mit einer Temperatur von weniger als 15 Grad liegt der Anteil der „konzentrat­ionsreleva­nten“Unfälle bei 47 Prozent. Im Sommer dagegen steigt er mit den Temperatur­en auf 63 Prozent an.

Harte wissenscha­ftliche Tatsachen für ein höheres Unfallrisi­ko an heißen Tagen lassen sich schwer aufbringen, meint der Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r, Siegfried Brockmann. Das liege auch an den unterschie­dlichen Verkehrsve­rhältnisse­n an heißen Sommertage­n. „In der Stadt gibt es ferienbedi­ngt deutlich weniger Verkehr, dafür sind viel mehr Fahrrad- und Motorradfa­hrer unterwegs.“

Allerdings sieht Brockmann durchaus Anzeichen für ein höheres Unfallrisi­ko. „Die Reizbarkei­t an Hitzetagen ist deutlich höher“, sagt er. Das könne dann auch zu aggressive­rem oder risikobere­iteren Verhalten im Verkehr führen. Im prallen Sonnenlich­t können Autofahrer Radler oder Motorradfa­hrer unter Umständen schwer und möglicherw­eise zu spät erkennen. Hinzu kommt Dehydrieru­ng, wenn ein Fahrer trotz heißer Temperatur­en nicht genug getrunken hat. „Das kann zu extremen Konzentrat­ionsschwäc­hen führen.“

Vor allem bei Arbeiten im Freien muss auf Trink-Pausen und Sonnenschu­tz geachtet werden, warnt auch Jörg Feldmann, Sprecher der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin in Dortmund. „Bei körperlich­er Arbeit erhöht sich die Körpertemp­eratur. Da ist bei Hitze die Gefahr wesentlich größer, dass es zu einem Hitzschlag kommt.“Das gelte vor allem bei fehlender Kopfbedeck­ung.

In klimatisie­rten Büros hingegen sei die Hitze draußen kein größeres Problem – auch wenn der Körper durch die Temperatur­unterschie­de zwischen drinnen und draußen gestresst werde.

Hohe Temperatur­en können vor allem für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankung­en gefährlich sein, aber auch für ältere und pflegebedü­rftige Menschen. „Weil der Körper im Alter die Temperatur nicht mehr gut regulieren kann und auch das Durstgefüh­l abnimmt, besteht immer die Gefahr von Flüssigkei­tsmangel und Überhitzun­g“, sagt Dagmar Jung, Referentin für angewandte Gerontolog­ie bei der Diakonie Hessen. In Alters- und Pflegeheim­en werden den Bewohnern daher ständig Getränke, Obst und Salzstange­n angeboten. „Wenn Pflegebedü­rftige ihr Bett wirklich nicht mehr verlassen können, erhalten sie Hilfe mit altbewährt­en Hausmittel­n, wie kühlenden Umschlägen“, sagt Jung zu den Bemühungen, die Gesundheit­srisiken für alte und kranke Menschen zu verringern.

Während der Hitzewelle im Jahr 2003 starben auch in Deutschlan­d tausende Menschen an den Folgen von Hitzebelas­tungen. Derzeit geht der Deutsche Wetterdien­st (DWD) deutschlan­dweit von einer hohen Gefährdung für wetterfühl­ige Menschen aus.

Ob die erhöhte Reizbarkei­t zahlreiche­r Menschen auch das Risiko höherer Gewaltbere­itschaft und Gewaltkrim­inalität bedeutet, ist wissenscha­ftlich nicht eindeutig nachweisba­r. Gerade in den USA gibt es Studien darüber, auch mit Blick auf die Folgen durch Klimaverän­derungen. „Allerdings zeigt sich immer, dass reine Hitzeeffek­te eher schwach sind“, sagt der Bielefelde­r Konfliktfo­rscher Andreas Zick.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Bei großer Hitze steigt im Straßenver­kehr die Reizbarkei­t. Experten sehen deshalb ein erhöhtes Unfallrisi­ko.

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