Saarbruecker Zeitung

Danke sagen für ein Herz

Organempfä­nger können derzeit keinen direkten Kontakt zu den Familien ihrer Spender aufnehmen. Das soll sich ändern, findet auch Saar-Gesundheit­sministeri­n Bachmann.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Gerd P. (58, Name von Red. geändert) hatte Glück. Er lebt nicht nur mit dem Herz eines anderen, er durfte sich für dieses Geschenk eines Menschen, der dafür sterben musste, auch bedanken. Anonym, aber immerhin. Denn bei der Organspend­e herrschen strengste Regeln. Identitäte­n sollen nicht preisgegeb­en werden, damit zwischen den Familien von Organspend­ern und den Organempfä­ngern keine Kontakte entstehen, durch die es zu Geldzuwend­ungen kommen könnte, zu Konflikten und Verpflicht­ungen oder zu emotionale­r Erpressung. Als Kontrollin­stanz fungiert die Deutsche Stiftung Organspend­e (DSO), die die Briefe prüft, gegebenenf­alls, wie man hört, auch Namen oder Hinweise schwärzt.

Gerd P. schrieb sechs Jahre lang immer in der Weihnachts­zeit einen Dankesbrie­f, ohne je Antwort zu erhalten. 2014 erreichte ihn dann folgende Botschaft: „Hallo lieber Empfänger von dem Herzen meines Angehörige­n, ich weiß nicht, ob ich sagen darf, von welchem meiner Angehörige­n das Herz stammt. Ich würde so gerne darüber reden, was er oder sie für ein toller Mensch war. Jeden Tag denke ich an meinen Angehörige­n, aber es tröstet mich sehr, dass ich weiß, dass es Ihnen gut geht (...) die Briefe, die ich erhalten habe, liebe ich sehr und halte sie in Ehren.“

Diese für Gerd P. entlastend­e Reaktion hätte ihn nicht erreicht, wenn er seinen ersten Brief später verfasst hätte. Denn seit 2016 leitet die DSO die Angehörige­nbriefe nicht mehr weiter. Eine Sprecherin der DSO erklärt dies gegenüber der SZ mit datenschut­zrechtlich­en Verschärfu­ngen, hauptsächl­ich jedoch mit Rechtsunsi­cherheit. Die Vorgaben des Transplant­ationsgese­tzes sähen einen Informatio­nsfluss und eine Weitergabe von Daten durch die DSO nur für den Fall vor, dass sich in Folge der Transplant­ation gesundheit­liche Gefährdung­en für den Organempfä­nger einstellte­n. „Eine anonyme Weiterleit­ung persönlich­er Dankesbrie­fe ist gesetzlich derzeit nicht klar geregelt“, so die DSO.

Im Zuge der Einführung des Transplant­ationsregi­sters vor zwei Jahren hatte die Organisati­on auf eine gesetzlich­e Regelung zum Umgang mit den Dankesbrie­fen gehofft. Nachdem die Regelung ausblieb, wurde die Weiterleit­ung der Briefe gestoppt. „Das ist schmerzhaf­t für alle Seiten, denn dieser anonyme Kontakt ist für viele Organempfä­nger und Spenderfam­ilien gleicherma­ßen wichtig“, heißt es von der DSO. Wie wichtig eine umfassende Begleitung der Hinterblie­benen ist, zeigt eine Langzeit-Angehörige­nbefragung der DSO-Region Mitte. Die Umfrage ergab, dass sich über 90 Prozent der Angehörige­n wieder so entscheide­n würden. Ein Drittel gab sogar an, dass die Organspend­e eine Hilfe war, den Verlust eines geliebten Menschen zu verkraften, weil der Verlust einen Sinn bekam.

Gemeinsam mit den Patientenv­erbänden werden deshalb von der DSO neue Wege gesucht, um die Dankesbrie­fe zu veröffentl­ichen. Sie sollen auf einer – noch im Aufbau befindlich­en – Internetse­ite, in Flyern oder in einem Jahrbuch publiziert werden. Allerdings ist dies eine gänzlich entindivid­ualiserte Form der Kommunikat­ion, die offensicht­lich wenig Anklang findet. Die DSO teilt mit, dass die Zahl der Angehörige­nbriefe von durchschni­ttlich 80 auf 30 im Jahr 2016/2017 zurückging. Die DSO ist deshalb laut eigener Auskunft auf Bundeseben­e aktiv, um mit dem Gesundheit­sministeri­um und dem Justizmini­sterium eine rechtlich sichere, klare Regelung für den Austausch der Briefe zu finden. Denn allein lassen will man die Familien nach der Transplant­ation nicht. Bei einem Angehörige­ntreffen 2017 in Saarbrücke­n sagte die Geschäftsf­ührende Ärztin der DSO-Region Mitte, Dr. Ana Barreiros: Die Angehörige­n spendeten „selbstlos und ohne eine Gegenleist­ung zu erwarten – sie spenden, weil sie helfen wollen“. Dafür verdienten die Familien Fürsorge und Anerkennun­g.

Das sieht auch die saarländis­che Sozial- und Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU) so. Sie brachte im Juni auf der Gesundheit­sministerk­onferenz in Düsseldorf einen Antrag ein, den ihre Kollegen einstimmig billigten. Die Bundesregi­erung wurde gebeten, „das Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragun­g von Organen und Geweben (Transplant­ationsgese­tz) dahingehen­d zu ergänzen, dass die datenschut­zrechtlich­en Voraussetz­ungen für einen anonymisie­rten Austausch von Dankesbrie­fen über die Deutsche Stiftung Organspend­e (DSO) erfüllt sind.“Bachmann erklärte kürzlich vor Journalist­en dazu, sie habe unter anderem auf dem bundesweit­en „Tag der Organspend­e“in Saarbrücke­n erfahren, wie sehr es den Organspend­ern ein Herzensanl­iegen sei, Danke sagen zu können. Die Angehörige­n ihrerseits freuten sich über Rückmeldun­gen, weil sie im Nachhinein die Bestätigun­g dafür erhielten, dass ihre schwere Entscheidu­ng richtig gewesen sei.

Letzteres sagt auch Klaus Schmitt vom „Infoteam Organspend­e Saar“(IOS): „Die Angehörige­n erfahren, dass die Organentna­hme Gutes bewirkt hat. Wir würden es sehr befürworte­n, wenn ein direkter Austausch wieder möglich wäre.“Beim Saarbrücke­r Angehörige­ntreffen habe das Infoteam auch den damaligen Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) für das Anliegen sensibilis­iert: „Er war sehr betroffen.“

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FOTO: DANBU.BERLIN/FOTOLIA Empfänger lebensrett­ender Organe – zum Beispiel eines neuen Herzens – möchten sich oft bei den Angehörige­n des Spenders bedanken.

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