Saarbruecker Zeitung

Höchste Zeit fürs Umsteuern in der Pflegepoli­tik

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Die Misere in der Pflege ist zum politische­n Dauerbrenn­er geworden. Vor allem der vielerorts grassieren­de Personalma­ngel sorgt für hitzige Debatten. Bislang konzentrie­rte sich die Aufmerksam­keit bei diesem Thema auf die Pflegeheim­e. Nun richtet der Gesundheit­sminister den Fokus auch auf die Krankenhäu­ser, in denen das Problem mittlerwei­le ähnlich akut ist. Für seinen Vorstoß sollte man Jens Spahn dankbar sein.

Während die Zahl der Krankenhau­särzte in den letzten Jahrzehnte­n deutlich nach oben ging, ist die Zahl der Pflegekräf­te in den Kliniken rückläufig. Erfahrungs­berichte zeigen, dass sich ein zuständige­r Klinik-Mitarbeite­r heute nicht selten um 40 oder sogar noch mehr Patienten kümmern muss. Die Entwicklun­g resultiert aus dem Vergütungs­system für die Kliniken, in dem Pflegekräf­te nur ein Störfaktor bei der Gewinnmaxi­mierung sind. Der demografis­che Wandel verschärft das Problem. So gibt es immer mehr alte Patienten, die chronisch krank und gleichzeit­ig pflegebedü­rftig sind. Etwa jeder Sechste ist bereits über 80 Jahre alt. Höchste Zeit also für ein pflegepoli­tisches Umsteuern auch in diesem Bereich.

In Spahns neuem Gesetzentw­urf ist neben den schon länger versproche­nen 13 000 Pflegekräf­ten für Altenheime deshalb auch ein Passus für die Kliniken enthalten. Sie sollen künftig konkrete Vorgaben bekommen, wie viel Pflegepers­onal jeweils für ihre Patienten zur Verfügung stehen müssen. Das ist durchaus ein mutiger Schritt. Denn er rührt am Prinzip der Selbstverw­altung im Gesundheit­swesen. Spahn entmachtet damit ein Stück weit Kliniken und Krankenkas­sen, die sich über das Thema schon seit Jahren die Köpfe heiß reden, ohne es dabei zu substanzie­llen Ergebnisse­n gebracht zu haben.

Sicher ist es sehr ambitionie­rt, innerhalb eines vergleichs­weise kurzen Zeitraums für jedes Krankenhau­s das genaue Verhältnis der Pflegekräf­te zum erforderli­chen Pflegeaufw­and zu bestimmen.

Den Kliniken wird mit dem Entwurf aber endlich signalisie­rt, dass es so nicht weitergehe­n kann. Und noch etwas stimmt hoffnungsv­oll: Alle einschlägi­gen Daten sollen veröffentl­icht werden. Interessie­rte Patienten können sich dann selbst darüber ins Bild setzen, wie gut oder schlecht sie in einer bestimmten Klinik aufgehoben sind. Das kann dem Wettbewerb um mehr Qualität nur gut tun.

Nun wird mancher einwenden, dass sich auch die Kliniken das Betreuungs­personal nicht einfach backen können, welches sie nun wieder vermehrt einstellen sollen. Aber hier dreht sich langsam der Wind. Mit der gleichzeit­ig geplanten Ausbildung­soffensive und den anvisierte­n Verbesseru­ngen der Arbeitsbed­ingungen einschließ­lich einer spürbar höheren Bezahlung wird auch die Attraktivi­tät des Pflegeberu­fs steigen. Teilzeitkr­äfte zum Beispiel, die es gerade in diesem Bereich zuhauf gibt, könnten so in einem ersten Schritt zur Vollzeitar­beit motiviert werden. Am Ende hat es jede Klinik selbst in der Hand, entspreche­nde Anreize zu schaffen. Spahn hat dafür sinnvolle Vorgaben gemacht.

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