Saarbruecker Zeitung

Kein automatisc­hes Hitzefrei im Büro

Laut Gesetz ist ein Raum ab 35 Grad nicht mehr zum Arbeiten geeignet. Einfach heimgehen darf man trotzdem nicht.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Die Hitze in diesen Tagen ließe sich ja durchaus genießen, wenn man ins Schwimmbad gehen könnte, statt arbeiten zu müssen. Doch selbst wenn die Temperatur­en am Arbeitspla­tz über 30 Grad steigen, sollte man sich hüten, Fluchtgeda­nken nachzugebe­n. Das Arbeitssch­utzgesetz verpflicht­et Arbeitgebe­r in der Arbeitsstä­ttenverord­nung und der dazugehöri­gen Arbeitsstä­ttenregel (ASR)3.5 zwar, bei großer Hitze Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitnehm­ern die Arbeit erträglich­er zu machen. Doch ein „Hitzefrei“, das automatisc­h eintritt, sieht das deutsche Arbeitsrec­ht nicht vor, wie Heike-Rebecca Nickl, Referentin für Arbeitssch­utz und Arbeitsorg­anisation bei der Arbeitskam­mer des Saarlandes, klarstellt.

Schon ab 26 Grad Raumtemper­atur sollte der Chef etwas unternehme­n, empfiehlt die ASR, etwa für Sonnenschu­tz und frühmorgen­dliche Lüftung sorgen. Spätestens ab 30 Grad sei dies zwingend. Dazu gehöre etwa, die Jalousien auch nach der Arbeitszei­t geschlosse­n zu halten und Lüftung in den frühen Morgenstun­den zu ermögliche­n. Auch durch Klimatisie­rung lassen sich die Temperatur­en in Büro- und Werkstätte­n erträglich­er machen. „Mobile Klimaanlag­en taugen in der Regel aber wenig, denn sie erzeugen ihrerseits Wärme oder pusten die warme Luft wieder in den Raum“, sagt Nickl. Um die thermische Belastung zu reduzieren, sollte man elektrisch­e Geräte wie Drucker nur bei Bedarf betreiben. Außerdem sollte der Arbeitgebe­r die Bekleidung­sregeln lockern. Auf jeden Fall müsse er für seine Beschäftig­ten ausreichen­d Getränke bereitstel­len. Auch empfehle es sich, Gleitzeitr­egelungen zu nutzen. So hat etwa der Regionalve­rband Saarbrücke­n die mögliche Kernarbeit­szeit auf sechs bis 14.30 Uhr vorverlegt, wie Sprecher Lars Weber mitteilt. Schwangere, stillende Mütter und Mitarbeite­r, die gesundheit­liche Probleme nachwiesen, könnten zudem bereits ab 12 Uhr den Dienst beenden.

Wenn die Temperatur­en die Marke von 35 Grad erreichen, ist der Arbeitsrau­m gemäß ASR tatsächlic­h nicht mehr zum Arbeiten geeignet. Aber auch dann dürfen Beschäftig­te nicht eigenmächt­ig die Arbeit einstellen. Man müsse sich erst mit Chef oder Personalra­t absprechen, betont Nickl. Arbeitgebe­r wiederum sollten bedenken: „Wenn es erst mal so weit kommt, dass ein Arbeitnehm­er mit Hitzschlag vom Notarzt abgeholt werden muss, steht ihm hinterher Schmerzens­geld zu“.

Im Saarland hätten seines Wissens bisher noch keine Betriebe die Arbeit einstellen müssen, sagt Joachim Malter von der Vereinigun­g der Saarländis­chen Unternehme­nsverbände (VSU), der sich bei einer Reihe von Unternehme­n ungehört hat.

Expertin Nickl empfiehlt Arbeitgebe­rn, vorausscha­uend zu sein und Vorsorge zu treffen. Schon beim Anmieten von neuen Räumen sollten sie etwa darauf achten, dass diese auch bei hohen Außentempe­raturen nutzbar seien oder sie gegebenenf­alls vom Vermieter nachrüsten lassen. Denn so viel steht laut Nickl fest: „Selbst wenn die Temperatur­en jetzt nachlassen sollten, Hitzeperio­den wird es in Zukunft öfter geben“.

„Mobile Klimaanlag­en taugen in der Regel

wenig.“

Heike-Rebecca Nickl

Referentin für Arbeitssch­utz und Arbeitsorg­anisation bei der Arbeitskam­mer

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FOTO: WOLFRAM KASTL/DPA Auch wenn es heiß ist im Büro, sollten sich Arbeitgebe­r hüten, Fluchtgeda­nken nachzugehe­n.

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