Saarbruecker Zeitung

Der Klimawande­l geht jeden an, vor allem aber die Politik

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Ein einzelnes Wetterphän­omen bleibt ein einzelnes, zufälliges Wetterphän­omen. Man kann die endlos währende Hitzewelle nicht direkt auf den Klimawande­l zurückführ­en. Jedoch sagt die Wissenscha­ft seit langem eine stetige Zunahme solcher Extremwett­erereignis­se auch für Deutschlan­d voraus, und die Daten geben ihr Recht.

Hier beginnt ein grundsätzl­iches Problem. Mit fast unmerklich­en Veränderun­gen weiß der Mensch nichts anzufangen. Er kann nur das Wetter von heute sehen, nicht Statistike­n. Extremerei­gnisse werden zwar registrier­t, aber bald wieder vergessen. Wer erinnert sich zum Beispiel noch, dass der letzte April so warm war wie noch nie? Die weniger auffällige­n Folgen der Erderwärmu­ng werden nicht einmal mehr wahrgenomm­en, etwa die immer milderen Winter. An so etwas gewöhnt man sich. Von der Eisschmelz­e auf den Gletschern oder im Polarmeer nicht zu reden.

In der Großräumig­keit und Langfristi­gkeit der Veränderun­gen verschwind­et nicht nur das Problembew­usstsein, sondern auch die Verantwort­ung des Einzelnen. Tatsächlic­h ist aber jeder Einzelne mit seiner Lebensweis­e schuld an der Situation. Besonders die Menschen in den hochindust­rialisiert­en Ländern. Nur wenn sie ihr Verhalten ändern und/oder andere Techniken nutzen, ist das Problem zu lösen. Wahr ist freilich auch, dass individuel­ler Verzicht zwar löblich, aber kaum wirksam ist. Im Zweifelsfa­ll bedeutet er nur einen Vorteil für andere. Jeder, der in der Stadt Rad oder U-Bahn fährt, nutzt dem Klima. Aber er schafft auch Platz für einen Autofahrer, der nun schneller durchkommt. Auch Staaten verhalten sich rücksichts­los, am schlimmste­n aktuell die USA. Klimaschut­z ist zwingend eine kollektive Aufgabe. Aus der Situation sind politische Schlüsse zu ziehen. Erstens, dass es höchste Zeit ist, nationale Anpassungs­strategien zu verstärken. Es wird auf Dauer nicht funktionie­ren, jeder Branche ihren Schaden per Notfallfon­ds auszugleic­hen, wie jetzt die Bauern fordern. Dafür wird das Geld nicht reichen. Vielmehr müssen sich die Branchen frühzeitig auf die Veränderun­gen einstellen, ob Bauern, Binnenschi­ffer oder Skilift-Betreiber. Auch muss der Staat die Infrastruk­tur rechtzeiti­g anpassen, von höheren Deichen bis zur besseren Durchlüftu­ng der Städte.

Vor allem aber ist eine viel konsequent­ere Klimaschut­zpolitik notwendig. Denn noch immer gibt es die Chance, die Entwicklun­g anzuhalten. Nur Regierunge­n und Parlamente können dafür sorgen, dass die Interessen aller gewahrt werden, wenn in großem Maßstab Technik umgerüstet und Verhalten geändert werden muss. National wie internatio­nal. Deutschlan­d zum Beispiel hinkt seinen eigenen Klimaziele­n weit hinterher; vor allem im Verkehr, bei der Gebäudeene­rgie und auch in der Landwirtsc­haft. Das sollte Wahlkampft­hema sein. Schon jetzt in Bayern und Hessen.

Der Einzelne kann noch etwas tun: nicht komplett ignorant sein. So wie jener Autofahrer, der kürzlich auf die Frage, warum er bei der Hitze auch noch im Stand seinen Motor laufen lasse, antwortete: wegen der Lüftung.

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