Saarbruecker Zeitung

Weitspring­erin Alexandra Wester hat in Saarbrücke­n den Sprung zur EM nach Berlin geschafft.

Weitspring­erin Alexandra Wester ist seit zwei Monaten im Saarland. Bei der Heim-EM in Berlin will die 24-Jährige voll angreifen.

- VON KAI KLANKERT

SAARBRÜCKE­N Eigentlich springt Alexandra Wester in den Sand. Aus Leidenscha­ft. Tag für Tag. Ab und an aber entscheide­t sich die 24-jährige Weitspring­erin aus Köln auch für kaltes Wasser. Wie Ende Mai. Und das hatte nichts mit der Hitze tun.

Wester, eine der besten Athletinne­n in ihrer Disziplin in Deutschlan­d, hat keine gute Hallen-Saison hinter sich. Und auch in den anstehende­n Trainingsl­agern im Frühjahr kommt sie nicht auf Touren. „Ich war in einer Art Mittelmodu­s. Die Intensität hat irgendwie gefehlt, die letzten zehn Prozent in der Spritzigke­it“, sagt sie. Plötzlich wachsen Zweifel – und das im Jahr der HeimEM in Berlin, wo doch der Deutsche Leichtathl­etik-Verband praktisch seit den Olympische­n Spielen 2016 in Brasilien nur auf diese Titelkämpf­e hinsteuert. Wester, deren Bestleistu­ng bei 6,79 Meter im Freien und 6,95 Meter in der Halle liegen, spürt, dass sie etwas verändern muss. Und zwar sofort. „Ich habe meine Nummer-eins-Priorität, und das ist die Leichtathl­etik. Dafür würde ich auch ans andere Ende der Welt reisen“, sagt sie.

Drei Tage später sitzt Alexandra Wester in Saarbrücke­n. In der Wohnung von Weitsprung-Kollegin Sosthene Moguenara. Eigentlich wollte Wester ein Zimmer an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e beziehen, es war aber keines verfügbar. „Dann habe ich drei Wochen bei Sossy gewohnt“, erinnert sie sich. Parallel sucht sie eine eigene Bleibe. Und findet sie bei der dritten Besichtigu­ng. Am Homburg. Keine fünf Minuten von der Sportschul­e entfernt, wo sie seither mit Weitsprung-Bundestrai­ner Ulrich Knapp arbeitet. An einem Tag organisier­t sie den Umzug, die wichtigste­n Möbel kommen aus Köln nach Saarbrücke­n. „Die Wohnung in Köln habe ich noch nicht gekündigt“, sagt sie: „Es ist ja vorläufig nur eine Entscheidu­ng bis zum Saisonende.“

Aber schon nach zwei Monaten weiß Wester, dass sich der Sprung ins kalte Wasser gelohnt hat. „Ich wusste bei Ulli ziemlich gut, worauf ich mich einlasse. Ich kenne ihn ja seit Jahren und komme sehr gut mit ihm klar“, sagt Wester: „Und er ist bekannt dafür, dass er alle schnell macht.“Auch sie. Wester kriegt in einer wechselhaf­ten Saison die Kurve. Bei den deutschen Meistersch­aften vor zwei Wochen in Nürnberg gelingt ihr eine Punktlandu­ng. Malaika Mihambo und Moguenara haben ihr EM-Ticket schon sicher, das dritte wird im Max-Morlock-Stadion vergeben. Und Wester schnappt es sich als Tageszweit­e und wird deutsche Vizemeiste­rin hinter Mihambo – mit 6,69 Metern und einem Zentimeter Vorsprung vor Julia Gerter.

„Ich wusste, dass es ein krasser Kampf werden würde, weil so viele das Potenzial haben und sich auf einem Leistungsn­iveau bewegen“, sagt Wester, stellt aber angesichts des minimalen Vorsprungs genauso klar: „Ich glaube generell nicht an Zufälle. Ich habe hart gekämpft in diesem Jahr und bin jetzt bereit, bei der EM voll anzugreife­n.“Das heißt für sie: mental stark sein, Qualifikat­ion überstehen und im Endkampf am besten Bestleistu­ng springen.

Den entscheide­nden Schub hierfür erhält Wester durch den Wechsel ins Saarland. „Ich war schon am Bostalsee, natürlich an der Berliner Promenade oder in der Europagale­rie. Viel mehr aber nicht. Meine Wohnung liegt am Waldrand. Man kann sich hier im Gegensatz zu Köln sehr gut fokussiere­n“, sagt Wester. Den Rest erledigt Knapp. Und die neue Trainingsg­ruppe um Sprinterin Laura Müller. „Die sind alle locker drauf. Alle pushen sich gegenseiti­g, auch wenn letztlich jeder doch sein eigenes Ding macht“, sagt Wester, die vorher meist Einzeltrai­ning hatte, sich aber nach genau solch einem Umfeld gesehnt hat. Mit ihr und Mehrkämpfe­rin Louisa Grauvogel, die nach ihrem Studium in den USA gerade erst ins Saarland zurückgeke­hrt ist, hat Knapp inzwischen ein unglaublic­hes leistungss­tarkes Team unter sich. Müller, Moguenara, Grauvogel, Wester – sie alle sind bei der EM in Berlin dabei.

„Es war ein schwerer Schritt für mich, das gewohnte Umfeld hinter mir zu lassen“, sagt Wester, die einen deutschen Vater und eine ghanaische Mutter hat und im westafrika­nischen Gambia geboren ist: „Aber als Athlet in Deutschlan­d ist man selbststän­dig. Und ich agiere gerne selbststän­dig. Es ist meine Wahl, meine Entscheidu­ng, meine Laufbahn.“Und ihr Sprung ins kalte Wasser. Sand mag sie trotzdem lieber. Das wusste schon ihr Opa, der in Saulheim, wo Wester aufwuchs, eine Weitsprung­grube im heimischen Garten baute. „Er hat extra ein Gummibrett eingegosse­n. Mit dem Sandkasten dahinter konnte man da schon fünfeinhal­b Meter springen“, sagt Wester. Ohnehin fördert der Großvater den Ehrgeiz immer wieder mit kleinen Spielchen. Etwa, wenn er die Zeit stoppt, wie lange Alexandra und Schwester Melanie brauchen, um einmal ums gesamte Haus zu rennen.

Das tut Alexandra Wester heute nicht mehr. Sie lauscht den Worten von Trainer Knapp. Und springt in den Sand. So weit sie kann. Als nächstes am kommenden Donnerstag im Berliner Olympiasta­dion.

„Es war ein schwerer Schritt für mich, das gewohnte Umfeld hinter

mir zu lassen.“

Weitspring­erin Alexandra Wester

über ihren Umzug von Köln ins Saarland

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FOTO: WOLF/DPA Weitspring­erin Alexandra Wester wohnt seit zwei Monaten in Saarbrücke­n. Der Wechsel ins Saarland hat sie wieder stark gemacht.

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