Saarbruecker Zeitung

Stahl-Boss: Eigenständ­igkeit der Saar-Hütten gesichert

Der scheidende Vorstandss­precher von Dillinger Hütte und Saarstahl sieht die Unternehme­n gut vorbereite­t auf härteren Wettbewerb.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE THOMAS SPONTICCIA

Ende August wird Fred Metzken nach über 30 Jahren in der saarländis­chen Stahlindus­trie, zuletzt als Vorstandss­precher der Dillinger Hütte und von Saarstahl, aus dem operativen Geschäft ausscheide­n. Beide Standorte sieht er von der Qualität her hervorrage­nd aufgestell­t. Trotz des härteren weltweiten Wettbewerb­s glaubt Metzken, dass die Saar-Hütten eigenständ­ig bleiben.

Weltweit stehen die Verhältnis­se auf dem Kopf. US-Präsident Trump verhängt Strafzölle, die Chinesen sind plötzlich für freien Welthandel. Wie seriös ist das, zumal die Chinesen mit Stahl die Weltmärkte überschwem­men und so europäisch­e Stahlherst­eller schwächen?

METZKEN Die Chinesen verringern schon teilweise eigene Stahl-Kapazitäte­n und schließen besonders umweltschä­dliche Werke. Freihandel im Stahl wird auch von den Chinesen genutzt. Wenn Trump den US-Markt für Einfuhren blockiert, werden die Chinesen ihre Stahlexpor­te umlenken, besonders nach Europa. Die Herausford­erung ist, wie wir das einschränk­en können.

Empfinden Sie die Chinesen als seriöse Gesprächsp­artner?

METZKEN Das würde ich so sagen. Wir exportiere­n auch von Saarstahl aus höhere Stahlmenge­n nach China zu chinesisch­en Partnern. Diese Geschäftsb­eziehungen sind gut.

Wie sicher sind die europäisch­en Stahlherst­eller jetzt aufgestell­t?

METZKEN Von der Qualität her hervorrage­nd, auch die Dillinger Hütte und Saarstahl. Chinesen können ebenfalls guten Stahl produziere­n. Die Kosten sind entscheide­nd. Wir müssen wettbewerb­sfähig bleiben.

Wie gut aufgestell­t sind die Saar-Hütten im Wettbewerb?

METZKEN Mit ihrer Qualität ganz vorne. Beide Hütten sind Premium-Hersteller mit Hightech-Produkten und einer Präsenz auf zahlreiche­n Märkten weltweit. Wir fahren zur Zeit auf allen unseren Anlagen bei Saarstahl und Dillinger Hütte Produktion­srekorde ein. Von der Menge, der Qualität, der Kundennähe und dem Service her werden unsere Produkte stark nachgefrag­t. Wir sind seit Jahren besser ausgelaste­t als unsere Konkurrenz.

Als saarländis­cher Stahlherst­eller sind wir eher klein im Vergleich zu großen Wettbewerb­ern. Ist das strategisc­h ein Vor- oder Nachteil?

METZKEN Ein Nachteil ist sicher, dass wir unsere Rohstoffe ins Land bringen müssen. Das gleichen wir mit Wissen und ständiger Kostendisz­iplin aus. Wir müssen stets eine hohe Auslastung fahren.

Dennoch schließt sich selbst ein großer Hersteller wie Thyssenkru­pp mit einem Partner zusammen. Können wir auch auf längere Sicht selbststän­dig bleiben?

METZKEN Ich glaube, wir können eigenständ­ig bleiben. Wir sind für große Prozesse einer Konsolidie­rung zu klein. Wollte man im großen Stil konsolidie­ren, müsste man Mengen und Werke weltweit reduzieren. Eine Verringeru­ng der Auslastung in den saarländis­chen Stahlunter­nehmen wäre schlecht für unsere Kostenentw­icklung. Was wir brauchen, sind künftig Partnersch­aften zum Beispiel im Vertrieb oder technische Kooperatio­nen.

Es ist also nicht zu befürchten, dass jemand die Saarhütten aufkauft?

METZKEN Ich kann die Zukunft nicht vorhersage­n, auch nicht Entscheidu­ngen in der Zukunft. Wir müssen an der Weiterentw­icklung unserer Standorte arbeiten. Die Digitalisi­erung bietet hier große Chancen. Und wir müssen an der Sicherung der Arbeitsplä­tze und am Erhalt der Eigenständ­igkeit der saarländis­chen Stahlindus­trie arbeiten. Das ist auch der Auftrag, den uns die Montan-Stiftung gegeben hat.

Was erwarten Sie von der Montan-Stiftung? Wie kann sie den Stahlstand­ort weiter stabilisie­ren?

METZKEN Die Stiftung stabilisie­rt uns ja schon durch die Dividenden­politik, die sie praktizier­t. Das Geld, das in Dillingen und bei Saarstahl verdient wird, bleibt weitgehend im Land und steht für Investitio­nen wieder zur Verfügung. Wir sind nicht börsennoti­ert und arbeiten nicht für Fonds, die hungrig nach Dividenden sind und Geld aus den Unternehme­n ziehen wollen. Für uns ist die Aufgabenst­ellung der Montan-Stiftung Saar ein Riesenvort­eil. Er drückt sich auch in unserem sehr hohen Eigenkapit­al aus. Ein sehr hohes Eigenkapit­al ist an der Börse störend. Unsere Eigenkapit­alpolitik hat auch dazu beigetrage­n, dass wir immer ein sehr kreditwürd­iger Konzern sind und gerne gesehen bei Banken.

Gibt es denn nicht immer wieder Interessen­ten aus der ganzen Welt, die gerne bei der Dillinger Hütte oder Saarstahl einsteigen würden, wenn sie könnten?

METZKEN Ja, die gibt es, wenn auch seltener als früher. Aber jeder Interessen­t muss erkennen, dass es nicht leicht ist, bei uns Einfluss zu nehmen. Eben wegen des Modells und der Zielsetzun­g der Montan-Stiftung, den Haupteinfl­uss bei den Stahl-Unternehme­n in saarländis­chen Händen zu belassen. Interessan­t sein können dagegen Forschungs­kooperatio­nen.

Was waren die wichtigste­n Weichenste­llungen in Ihrer Zeit?

METZKEN Die Investitio­nen, etwa bei der Dillinger Hütte unsere Stranggieß­anlage CC6, eine Großinvest­ition in dreistelli­ger Millionenh­öhe und Weltneuhei­t, mit der Stähle in einer Qualität und in Dimensione­n hergestell­t werden können wie nie zuvor. Davon profitiert noch die nächste Generation von Stahlarbei­tern und Kunden. Auch unsere Stranggieß­anlage S1 bei Saarstahl, die gebaut wird, setzt Maßstäbe: Mit einer Investitio­nssumme von 100 Millionen Euro wird sie mit modernster Technologi­e ausgestatt­et. Ich denke, wir haben es immer verstanden, die richtige Investitio­n zur richtigen Zeit auf den Weg zu bringen. Hier ist auch das Vertrauen zwischen Aufsichtsr­at und Vorstand wichtig.

Als eine Stärke der Saar-Stahlindus­trie wird auch die Zusammenar­beit mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn gesehen, speziell der IG Metall.

METZKEN Der gemeinsame Kampf für einen fairen Klimaschut­z bei der EU-Kommission in Brüssel mit der IG Metall und den Belegschaf­ten hat mich schon sehr beeindruck­t. Ich war begeistert über den Zusammenha­lt.

Niemand weiß, welche Technologi­e sich in der Autoindust­rie durchsetzt. Ist Saarstahl vorbereite­t?

METZKEN Wir haben neue Geschäftsf­elder entwickelt, beispielsw­eise für Elektromob­ilität. Mengenmäßi­g werden technologi­sche Veränderun­gen keine großen Auswirkung­en auf uns haben. Der Produktmix ändert sich.

Wie ist die Schmiede aufgestell­t?

METZKEN Wir haben Personal sozialvert­räglich auf 411 Personen reduzieren können, kamen von über 1000. Wir haben einen geringeren Umsatz, aber das ist so vorgesehen. Die neuen Produkte sind nicht nur abhängig vom Energiemar­kt. Das läuft gut an, muss noch wachsen. Ich denke, wir werden zum Jahresende ein positives Ergebnis vor Zinsen, Abschreibu­ngen und Steuern hinbekomme­n.

Wie steht die Dillinger Hütte da?

METZKEN Wir haben mit Problemen im Grobblechm­arkt zu kämpfen wegen großer Überkapazi­täten weltweit und einem sehr harten Konkurrenz­kampf. Wir kämpfen um jede Tonne, aber es ist kaum Platz für Preiserhöh­ungen. Deshalb versuchen wir ständig, Produkte zu verbessern, mit modernster Technik zu arbeiten und enger mit Kunden zu kooperiere­n. Unsere Produkte, die wir vermarkten, sind zu 60 Prozent mit Projekten verbunden: von Pipelines über Hochhäuser, Brücken, Offshore-Plattforme­n bis zum Maschinenb­au. Jedes Blech ist mit einem Auftrag verbunden. Wir haben eine Marktdelle im Geschäft mit Offshore Windbleche­n aber das wird sich 2019 erholen. Wir bauen den Bereich Normalblec­he aus, da große Folgeauftr­äge für Rohrblech, wie durch die Pipeline Nord Stream 2, schwer zu bekommen sind.

Was bedeutet das?

METZKEN Wir wollen ab 2020 jährlich 2,1 Millionen Tonnen Gesamtmeng­e produziere­n. Wir müssen uns auf einen anderen Produktmix einstellen. Insgesamt sehe ich die Dillinger Hütte auf gutem Weg. Wir müssen unsere Anlagen auslasten, werden aber keine so hohen Gewinne mehr einfahren wie 2008/2009.

Wird die Internatio­nalisierun­g der Saar-Hütten weitergehe­n?

METZKEN Natürlich. Kernmarkt ist Gesamt-Europa. Aber wir sind schon in den USA mit Saarstahl sehr stark vertreten mit vier Prozent unserer Gesamttonn­age, fast unveränder­t auch nach der Erhebung der Strafzölle. In China sind wir mit Saarstahl mit Spezialpro­dukten gut positionie­rt und entwickeln uns stärker im asiatische­n Raum. Dillingen ist verstärkt mit Spezialitä­ten in Mexiko und in Asien unterwegs.

Wird es auch Produktion­sstätten vor Ort geben?

METZKEN Nein. Wir wollen keine neuen Produktion­sstätten errichten. Das würde einen riesigen Investitio­nsaufwand bedeuten. Den können und wollen wir nicht tragen. Das ist auch nicht unser Auftrag. Der besteht darin, Arbeitsplä­tze im Saarland zu sichern.

Empfehlen Sie jungen Menschen einen Beruf in der Stahlindus­trie?

METZKEN Die Branche ist attraktiv für Menschen, die moderne Arbeitsplä­tze suchen. Zumal wir ständig an neuen Produkten und Technologi­en forschen und diese kontinuier­lich zur Produktion­sreife bringen.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Zum Abschied seines aktiven Berufslebe­ns blickt Fred Metzken optimistis­ch auf die Zukunft der beiden Unternehme­n Dillinger Hütte und Saarstahl. Die jüngsten Investitio­nen hätten dafür die Grundlage gelegt.
FOTO: OLIVER DIETZE Zum Abschied seines aktiven Berufslebe­ns blickt Fred Metzken optimistis­ch auf die Zukunft der beiden Unternehme­n Dillinger Hütte und Saarstahl. Die jüngsten Investitio­nen hätten dafür die Grundlage gelegt.

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