Saarbruecker Zeitung

Kramp-Karrenbaue­r eckt mit Vorstoß zu Wehrpflich­t an

Die CDU steckt im Umfragetie­f. Die Partei versucht ihr Profil zu schärfen. Generalsek­retärin Kramp-Karrenbaue­r bringt die Dienstpfli­cht ins Spiel.

- VON ANDREAS HOENIG

(epd/afp) Eine von CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ins Gespräch gebrachte mögliche Wiedereinf­ührung einer Dienst- oder Wehrpflich­t stößt vor allem bei der Opposition auf Widerstand. „Pflichtdie­nste sind vergangene­s Jahrhunder­t“, sagte Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch der „Welt“. FDP und Grüne nannten den Vorstoß „absurd“. Auch der Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s, Hans-Peter Bartels (SPD), zeigte sich skeptisch und äußerte vor allem verfassung­srechtlich­e Bedenken. Der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung zufolge will Kramp-Karrenbaue­r das Thema allgemeine Dienstpfli­cht auf dem Parteitag als eine der Leitfragen im Programmpr­ozess beschließe­n lassen.

(dpa) „Wir. Dienen. Deutschlan­d“. Das ist der Slogan der Bundeswehr – seit 2011 eine Armee ohne Wehrpflich­tige. Das hat vor allem der konservati­ve Flügel der CDU nie überwunden, galt die Wehrpflich­t doch als einer der „Markenkern­e“der Partei. Erneut gibt es nun Vorstöße für ein Comeback der Wehrpflich­t. Doch die Bundeswehr hat sich grundlegen­d geändert, eine Rückkehr zum Wehrdienst scheint nur schwer vorstellba­r. Deswegen rückt nun eine andere Idee in den Fokus: eine „allgemeine Dienstpfli­cht“. Bedeutet: Männer und Frauen sollen ein Jahr lang etwas für die Allgemeinh­eit tun, in sozialen Einrichtun­gen, beim Technische­n Hilfswerk oder bei der Feuerwehr.

CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagte der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“(FAZ), sie rechne nicht mit einer einfachen Rückkehr zur Wehrpflich­t – wolle aber über eine „allgemeine Dienstpfli­cht“reden. Wie genau ein solcher Dienst aussehen könnte, ließ sie offen. In einer „Zuhörtour“hatte sie in den vergangene­n Wochen die Basis abgeklappe­rt. Ein Ergebnis: Viele Mitglieder wollten über eine „allgemeine Dienstpfli­cht“diskutiere­n, weil das den Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft stärke, wie CDU-Sprecherin Christiane Schwarte bei Twitter schrieb. Beim Parteitag Ende des Jahres soll das Thema als eine „Leitfrage“beschlosse­n werden. An diesen „Leitfragen“entlang will die CDU die Debatte über ein neues Grundsatzp­rogramm führen, das 2020 beschlosse­n werden soll.

Am Wochenende nahm die Debatte über eine „allgemeine Dienstpfli­cht“bereits Fahrt auf. „Es ist ein wichtiger Wert und Ausdruck pflichtbew­usster Staatsbürg­erlichkeit, seinem Land zu dienen“, sagte der jüngste CDU-Bundestags­abgeordnet­e Philipp Amthor (25), der zum konservati­ven Flügel zählt, der dpa. Die Junge Union (JU) forderte ein „verpflicht­endes Gesellscha­ftsjahr“für alle Schulabgän­ger. Diese sollten dann selbst entscheide­n, ob sie dieses in der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtun­g absolviere­n wollen. „Wir leben in einem wunderbare­n, einem wohlhabend­en Land“, sagte JU-Chef Paul Ziemiak der „Bild am Sonntag“: „Ein Gesellscha­ftsjahr gibt die Möglichkei­t, etwas zurückzuge­ben und gleichzeit­ig den Zusammenha­lt im Land zu stärken.“

Dabei ist die Idee nicht neu. Vor allem den konservati­ven CDU-Flügel treibt eine Rückkehr zur Wehrpflich­t um. Die AfD sitzt der CDU im Nacken, die um konservati­ve Wähler werben muss. Erst am Freitag kritisiert­e die konservati­ve Werte-Union: „Aufgrund des jahrelange­n Linkskurse­s der Parteispit­ze hat eine Sozialdemo­kratisieru­ng der Union stattgefun­den.“

Kramp-Karrenbaue­r hatte im Zuge der geplanten Erneuerung der Partei nach dem schwachen Abschneide­n bei der Wahl den konservati­ven Flügel ausdrückli­ch zur Mitarbeit am neuen Grundsatzp­rogramm eingeladen. Dieser treibt nun die Debatte über eine allgemeine Dienstpfli­cht voran. Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Oswin Veith etwa sagte der FAZ, die Wahlmöglic­hkeiten sollten von der Bundeswehr über das Technische Hilfswerk bis zu Diensten in der Gesundheit­sversorgun­g und der Pflege gelten und ordentlich besoldet werden. Veith ist auch Präsident des Reserviste­nverbands, der Oberst der Reserve hat seinen Grundwehrd­ienst 1980 bis 1981 geleistet. Damals waren es 15 Monate – kurz vor der Aussetzung waren es nur noch sechs Monate. Die Bundeswehr wurde nach dem Ende des Kalten Krieges drastisch verkleiner­t, eine Wehrgerech­tigkeit war nicht mehr gegeben. Seit 2011 ist die Bundeswehr eine Freiwillig­enarmee, als Ersatz für den zusammen mit der Wehrpflich­t weggefalle­nen Zivildiens­t wurde der Bundesfrei­willigendi­enst geschaffen.

Zu einem Comeback der Wehrpflich­t äußerten sich Verteidigu­ngsexperte­n skeptisch. „Eine allgemeine Wehrpflich­t alten Zuschnitts hilft uns bei den aktuellen sicherheit­spolitisch­en Herausford­erungen nicht weiter“, sagte der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Unionsfrak­tion, Henning Otte. Der Wehrbeauft­ragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, sagte: „Die Bundeswehr folgt heute dem Konzept einer profession­ellen Armee.“Und zu einer „allgemeine­n Dienstpfli­cht“meinte Bartels: das sei zwar eine „sympathisc­he Idee“. Sie stoße aber verfassung­srechtlich an eine Grenze. „Es gilt das Verbot der Zwangsarbe­it.“

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FOTO: WOITAS/DPA- Ob in sozialen Einrichtun­gen, wie etwa der Altenbetre­uung (Foto links), oder bei der Bundeswehr: Die im Umfragetie­f steckende CDU denkt über eine allgemeine Dienstpfli­cht nach.
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