Kramp-Karrenbauer eckt mit Vorstoß zu Wehrpflicht an
Die CDU steckt im Umfragetief. Die Partei versucht ihr Profil zu schärfen. Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer bringt die Dienstpflicht ins Spiel.
(epd/afp) Eine von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ins Gespräch gebrachte mögliche Wiedereinführung einer Dienst- oder Wehrpflicht stößt vor allem bei der Opposition auf Widerstand. „Pflichtdienste sind vergangenes Jahrhundert“, sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch der „Welt“. FDP und Grüne nannten den Vorstoß „absurd“. Auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), zeigte sich skeptisch und äußerte vor allem verfassungsrechtliche Bedenken. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge will Kramp-Karrenbauer das Thema allgemeine Dienstpflicht auf dem Parteitag als eine der Leitfragen im Programmprozess beschließen lassen.
(dpa) „Wir. Dienen. Deutschland“. Das ist der Slogan der Bundeswehr – seit 2011 eine Armee ohne Wehrpflichtige. Das hat vor allem der konservative Flügel der CDU nie überwunden, galt die Wehrpflicht doch als einer der „Markenkerne“der Partei. Erneut gibt es nun Vorstöße für ein Comeback der Wehrpflicht. Doch die Bundeswehr hat sich grundlegend geändert, eine Rückkehr zum Wehrdienst scheint nur schwer vorstellbar. Deswegen rückt nun eine andere Idee in den Fokus: eine „allgemeine Dienstpflicht“. Bedeutet: Männer und Frauen sollen ein Jahr lang etwas für die Allgemeinheit tun, in sozialen Einrichtungen, beim Technischen Hilfswerk oder bei der Feuerwehr.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“(FAZ), sie rechne nicht mit einer einfachen Rückkehr zur Wehrpflicht – wolle aber über eine „allgemeine Dienstpflicht“reden. Wie genau ein solcher Dienst aussehen könnte, ließ sie offen. In einer „Zuhörtour“hatte sie in den vergangenen Wochen die Basis abgeklappert. Ein Ergebnis: Viele Mitglieder wollten über eine „allgemeine Dienstpflicht“diskutieren, weil das den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärke, wie CDU-Sprecherin Christiane Schwarte bei Twitter schrieb. Beim Parteitag Ende des Jahres soll das Thema als eine „Leitfrage“beschlossen werden. An diesen „Leitfragen“entlang will die CDU die Debatte über ein neues Grundsatzprogramm führen, das 2020 beschlossen werden soll.
Am Wochenende nahm die Debatte über eine „allgemeine Dienstpflicht“bereits Fahrt auf. „Es ist ein wichtiger Wert und Ausdruck pflichtbewusster Staatsbürgerlichkeit, seinem Land zu dienen“, sagte der jüngste CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor (25), der zum konservativen Flügel zählt, der dpa. Die Junge Union (JU) forderte ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“für alle Schulabgänger. Diese sollten dann selbst entscheiden, ob sie dieses in der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtung absolvieren wollen. „Wir leben in einem wunderbaren, einem wohlhabenden Land“, sagte JU-Chef Paul Ziemiak der „Bild am Sonntag“: „Ein Gesellschaftsjahr gibt die Möglichkeit, etwas zurückzugeben und gleichzeitig den Zusammenhalt im Land zu stärken.“
Dabei ist die Idee nicht neu. Vor allem den konservativen CDU-Flügel treibt eine Rückkehr zur Wehrpflicht um. Die AfD sitzt der CDU im Nacken, die um konservative Wähler werben muss. Erst am Freitag kritisierte die konservative Werte-Union: „Aufgrund des jahrelangen Linkskurses der Parteispitze hat eine Sozialdemokratisierung der Union stattgefunden.“
Kramp-Karrenbauer hatte im Zuge der geplanten Erneuerung der Partei nach dem schwachen Abschneiden bei der Wahl den konservativen Flügel ausdrücklich zur Mitarbeit am neuen Grundsatzprogramm eingeladen. Dieser treibt nun die Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht voran. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Oswin Veith etwa sagte der FAZ, die Wahlmöglichkeiten sollten von der Bundeswehr über das Technische Hilfswerk bis zu Diensten in der Gesundheitsversorgung und der Pflege gelten und ordentlich besoldet werden. Veith ist auch Präsident des Reservistenverbands, der Oberst der Reserve hat seinen Grundwehrdienst 1980 bis 1981 geleistet. Damals waren es 15 Monate – kurz vor der Aussetzung waren es nur noch sechs Monate. Die Bundeswehr wurde nach dem Ende des Kalten Krieges drastisch verkleinert, eine Wehrgerechtigkeit war nicht mehr gegeben. Seit 2011 ist die Bundeswehr eine Freiwilligenarmee, als Ersatz für den zusammen mit der Wehrpflicht weggefallenen Zivildienst wurde der Bundesfreiwilligendienst geschaffen.
Zu einem Comeback der Wehrpflicht äußerten sich Verteidigungsexperten skeptisch. „Eine allgemeine Wehrpflicht alten Zuschnitts hilft uns bei den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht weiter“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, sagte: „Die Bundeswehr folgt heute dem Konzept einer professionellen Armee.“Und zu einer „allgemeinen Dienstpflicht“meinte Bartels: das sei zwar eine „sympathische Idee“. Sie stoße aber verfassungsrechtlich an eine Grenze. „Es gilt das Verbot der Zwangsarbeit.“