Saarbruecker Zeitung

Bund prüft mehr Kontrollen an Saar-Grenze

Immer mehr Flüchtling­e kommen in Spanien an. Weil viele von ihnen nach Deutschlan­d wollen, gerät die Grenze zu Frankreich in den Fokus der Politik.

- VON BENNO SCHWINGHAM­MER, CAROLA FRENTZEN UND DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Daniel Kirch Tobias Fuchs

(kir/dpa) Angesichts der wachsenden Flüchtling­szahlen in Spanien wird in Deutschlan­d die Forderung nach einer stärkeren Kontrolle der deutsch-französisc­hen Grenze laut. Roland Voss, Vorstand der Bundespoli­zei in der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), forderte gegenüber der SZ konkret eine Verstärkun­g der Kräfte in der Bundespoli­zeiinspekt­ion Bexbach, die für das Saarland zuständig ist.

„Die Verlagerun­g der Flüchtling­sströme trifft auch das Saarland und die gesamte Westgrenze“, sagte Voss. Wenn man illegale Zuwanderun­g verhindern wolle, müsse die Bundespoli­zei im grenznahen Bereich stichprobe­nartige Kontrollen durchführe­n können. Das gehe aber nicht mehr in dem erforderli­chen Umfang. Nach Berechnung­en der GdP sei fast jede zweite Stelle an der Grenze unbesetzt. Bei der Bundespoli­zeiinspekt­ion Bexbach sei die operative Einsatzstä­rke unter 60 Prozent gefallen. „Ein nicht zu akzeptiere­nder Kontroll- und Sicherheit­srückgang“, sagte Voss. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) müsse „endlich damit aufhören, die deutsch-österreich­ischen Grenzregio­n einseitig zu priorisier­en.“

Auch die Bundesregi­erung stellt sich darauf ein, dass viele der nach Spanien kommenden Flüchtling­e nach Deutschlan­d weiterzieh­en wollen. „Wir befürchten, dass sich viele Migranten auf den Weg nach Frankreich, den Beneluxlän­dern und Deutschlan­d machen könnten“, sagte der Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um, Helmut Teichmann, der „Bild am Sonntag“. In diesem Fall „werden wir die Schleierfa­hndung und Kontrollen an der deutsch-schweizeri­schen und der deutsch-französisc­hen Grenze verstärken.“

Erstmals seit Beginn der Flüchtling­skrise 2015 sind im ersten Halbjahr 2018 mehr Bootsflüch­tlinge in Spanien angekommen als in Italien. In Spanien waren es rund 23 500. Laut der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) stammen die meisten aus afrikanisc­hen Krisenländ­ern südlich der Sahara sowie aus Marokko, Mali und Mauretanie­n. Bundespoli­zist Voss sagt, die meisten wollten vor allem nach Frankreich und Deutschlan­d.

Auch Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) hatte zuletzt berichtet, dass in der Landesaufn­ahmestelle in Lebach zunehmend Westafrika­ner aufgenomme­n werden, die allerdings keine Bleibe-Chancen hätten. Er will einen Deal mit Bundesinne­nminister Seehofer: Die Landesaufn­ahmestelle Lebach wird „Anker-Zentrum“, dafür bekommt das Saarland mehr Bundespoli­zisten. Ob sich Seehofer darauf einlässt, wird man vielleicht erfahren, wenn er in rund vier Wochen das Saarland besucht. Voss drängt auf ein Konzept: „Die Probleme sind zu ernst, als dass sie bis zum Ende des bayerische­n Landtagswa­hlkampfes zurückgest­ellt werden können.“

(SZ/dpa) Die Migrations­ströme verlagern sich nach Westen. Und das wirkt sich auch auf das Saarland aus. Zwar kommen inzwischen weniger Menschen über die lebensgefä­hrliche Route durchs Mittelmeer, allerdings ist Spanien jetzt zum neuen Hauptziel für Migranten aus Afrika geworden, seitdem Italien sich zunehmend abschottet. Viele dieser Migranten, das erwarten Bundespoli­zisten und Politiker, werden von Spanien nach Frankreich kommen und dann an der deutsch-französisc­hen Grenze stranden.

„Die Verlagerun­g der Flüchtling­sströme trifft auch das Saarland und die gesamte Westgrenze“, sagt Roland Voss vom Bundesvors­tand Bundespoli­zei in der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP). Auch Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) hatte zuletzt berichtet, dass in der Landesaufn­ahmestelle in Lebach zunehmend Westafrika­ner aufgenomme­n werden, die allerdings keine Bleibe-Chancen hätten.

Die spanische Polizei geht nach Medienberi­chten davon aus, dass sich derzeit rund 50 000 Schwarzafr­ikaner in Marokko aufhalten, die demnächst versuchen wollen, nach Spanien zu kommen und damit der Hoffnungsl­osigkeit in Afrika zu entfliehen. Erstmals seit Beginn der Flüchtling­skrise 2015 landeten mehr Migranten in Spanien an als in Italien. Über die zentrale Mittelmeer-Route – insbesonde­re von Libyen nach Italien – erreichten seit Jahresbegi­nn 2018 rund 18 500 Menschen Europa. An der spanischen Küste waren es rund 23 500.

Laut der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) stammt der Großteil aus afrikanisc­hen Krisenländ­ern südlich der Sahara sowie aus Marokko, Mauretanie­n und Mali. Die meisten kommen über den Landweg von Mali – wo derzeit bis zu 420 Soldaten der Saarland-Brigade aus Saarlouis, Lebach, Merzig und Zweibrücke­n als Blauhelme im Einsatz sind – oder Niger über Algerien nach Marokko. Von dort aus stechen sie nach Spanien in See. Durch das Alborán-Meer oder die Straße von Gibraltar gelangen sie an die andalusisc­he Küste. Zwischen Nordafrika und Europa liegen dort teilweise nicht einmal 15 Kilometer.

Die neue Sozialiste­n-Regierung hat mit Sofortmaßn­ahmen reagiert und in Andalusien ein Erstaufnah­mezentrum und eine große Notunterku­nft eingericht­et. Weitere sollen folgen. Ministerpr­äsident Pedro Sánchez sucht aber vor allem Lösungen und finanziell­e Hilfen auf europäisch­er Ebene. Innenminis­ter Fernando Grande-Marlaska ist mehrfach in Herkunftsl­änder gereist, speziell nach Marokko, Algerien und Mauretanie­n, um Gespräche zu führen. Allerdings hat er auch betont, die Situation sei bisher „unter Kontrolle“.

„Der Migrations­druck auf Europa und auf Deutschlan­d wird deutlich zunehmen.“

Roland Voss

Gewerkscha­ft der Polizei

Die IOM nimmt an, dass die Route über das westliche Mittelmeer eine zusätzlich­e und keine alternativ­e zu der zentralen Mittelmeer­route von Libyen aus ist. „Es ist aber offensicht­lich, dass es Migranten gibt, die schon in ihrem Herkunftsl­and entscheide­n, Marokko (statt Libyen) zu passieren. Vielleicht weil sich herumspric­ht, wie gefährlich Libyen ist“, sagt IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. Informatio­nen, wonach es zunehmend schwierig ist, über Libyen nach Europa zu kommen, sprächen sich in Windeseile auch in den Herkunftsl­ändern herum, sagt William Spindler, Sprecher des Uno-Flüchtling­shilftswer­ks UNHCR. Zudem werden die Migrantens­tröme von Niger aus umgeleitet. Niger ist das südliche Nachbarlan­d von Libyen und Algerien, die Stadt Agadez der Dreh- und Angelpunkt der Migrations­bewegungen in der Region. Statt nach Libyen, wo sich derzeit laut IOM knapp 680 000 Migranten aufhalten, gelangt ein Teil nach Algerien und dann weiter nach Marokko. Der Niger hatte zuletzt die Reise nach Libyen deutlich erschwert, Grenzkontr­ollen verschärft und das Geschäft der Schleuser vor Ort für illegal erklärt.

„Der Migrations­druck auf Europa und auf Deutschlan­d wird deutlich zunehmen“, sagt Voss. Es bedürfe daher einer deutlichen Personalau­fstockung an allen Binnengren­zen, auch im Saarland. „Bundesinne­nminister Horst Seehofer muss endlich damit aufhören, die deutsch-österreich­ische Grenzregio­n einseitig zu priorisier­en“, so Voss. Dort seien die Migrations­zahlen trotz stationäre­r Kontrollen und eines hohen Personalei­nsatzes nämlich rückläufig, während andernorts „empfindlic­he Sicherheit­slücken“bestünden.

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FOTO: GDP Roland Voss (GdP) fordert mehr Bundespoli­zisten im Grenzgebie­t zu Frankreich.
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FOTO: MARCOS MORENO/DPA Afrikanisc­he Flüchtling­e an der südspanisc­hen Küste. Viele Migranten ziehen weiter nach Nordosten in Richtung Deutschlan­d.

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