Bund prüft mehr Kontrollen an Saar-Grenze
Immer mehr Flüchtlinge kommen in Spanien an. Weil viele von ihnen nach Deutschland wollen, gerät die Grenze zu Frankreich in den Fokus der Politik.
(kir/dpa) Angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen in Spanien wird in Deutschland die Forderung nach einer stärkeren Kontrolle der deutsch-französischen Grenze laut. Roland Voss, Vorstand der Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP), forderte gegenüber der SZ konkret eine Verstärkung der Kräfte in der Bundespolizeiinspektion Bexbach, die für das Saarland zuständig ist.
„Die Verlagerung der Flüchtlingsströme trifft auch das Saarland und die gesamte Westgrenze“, sagte Voss. Wenn man illegale Zuwanderung verhindern wolle, müsse die Bundespolizei im grenznahen Bereich stichprobenartige Kontrollen durchführen können. Das gehe aber nicht mehr in dem erforderlichen Umfang. Nach Berechnungen der GdP sei fast jede zweite Stelle an der Grenze unbesetzt. Bei der Bundespolizeiinspektion Bexbach sei die operative Einsatzstärke unter 60 Prozent gefallen. „Ein nicht zu akzeptierender Kontroll- und Sicherheitsrückgang“, sagte Voss. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) müsse „endlich damit aufhören, die deutsch-österreichischen Grenzregion einseitig zu priorisieren.“
Auch die Bundesregierung stellt sich darauf ein, dass viele der nach Spanien kommenden Flüchtlinge nach Deutschland weiterziehen wollen. „Wir befürchten, dass sich viele Migranten auf den Weg nach Frankreich, den Beneluxländern und Deutschland machen könnten“, sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Helmut Teichmann, der „Bild am Sonntag“. In diesem Fall „werden wir die Schleierfahndung und Kontrollen an der deutsch-schweizerischen und der deutsch-französischen Grenze verstärken.“
Erstmals seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 sind im ersten Halbjahr 2018 mehr Bootsflüchtlinge in Spanien angekommen als in Italien. In Spanien waren es rund 23 500. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) stammen die meisten aus afrikanischen Krisenländern südlich der Sahara sowie aus Marokko, Mali und Mauretanien. Bundespolizist Voss sagt, die meisten wollten vor allem nach Frankreich und Deutschland.
Auch Saar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU) hatte zuletzt berichtet, dass in der Landesaufnahmestelle in Lebach zunehmend Westafrikaner aufgenommen werden, die allerdings keine Bleibe-Chancen hätten. Er will einen Deal mit Bundesinnenminister Seehofer: Die Landesaufnahmestelle Lebach wird „Anker-Zentrum“, dafür bekommt das Saarland mehr Bundespolizisten. Ob sich Seehofer darauf einlässt, wird man vielleicht erfahren, wenn er in rund vier Wochen das Saarland besucht. Voss drängt auf ein Konzept: „Die Probleme sind zu ernst, als dass sie bis zum Ende des bayerischen Landtagswahlkampfes zurückgestellt werden können.“
(SZ/dpa) Die Migrationsströme verlagern sich nach Westen. Und das wirkt sich auch auf das Saarland aus. Zwar kommen inzwischen weniger Menschen über die lebensgefährliche Route durchs Mittelmeer, allerdings ist Spanien jetzt zum neuen Hauptziel für Migranten aus Afrika geworden, seitdem Italien sich zunehmend abschottet. Viele dieser Migranten, das erwarten Bundespolizisten und Politiker, werden von Spanien nach Frankreich kommen und dann an der deutsch-französischen Grenze stranden.
„Die Verlagerung der Flüchtlingsströme trifft auch das Saarland und die gesamte Westgrenze“, sagt Roland Voss vom Bundesvorstand Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Auch Saar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU) hatte zuletzt berichtet, dass in der Landesaufnahmestelle in Lebach zunehmend Westafrikaner aufgenommen werden, die allerdings keine Bleibe-Chancen hätten.
Die spanische Polizei geht nach Medienberichten davon aus, dass sich derzeit rund 50 000 Schwarzafrikaner in Marokko aufhalten, die demnächst versuchen wollen, nach Spanien zu kommen und damit der Hoffnungslosigkeit in Afrika zu entfliehen. Erstmals seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 landeten mehr Migranten in Spanien an als in Italien. Über die zentrale Mittelmeer-Route – insbesondere von Libyen nach Italien – erreichten seit Jahresbeginn 2018 rund 18 500 Menschen Europa. An der spanischen Küste waren es rund 23 500.
Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) stammt der Großteil aus afrikanischen Krisenländern südlich der Sahara sowie aus Marokko, Mauretanien und Mali. Die meisten kommen über den Landweg von Mali – wo derzeit bis zu 420 Soldaten der Saarland-Brigade aus Saarlouis, Lebach, Merzig und Zweibrücken als Blauhelme im Einsatz sind – oder Niger über Algerien nach Marokko. Von dort aus stechen sie nach Spanien in See. Durch das Alborán-Meer oder die Straße von Gibraltar gelangen sie an die andalusische Küste. Zwischen Nordafrika und Europa liegen dort teilweise nicht einmal 15 Kilometer.
Die neue Sozialisten-Regierung hat mit Sofortmaßnahmen reagiert und in Andalusien ein Erstaufnahmezentrum und eine große Notunterkunft eingerichtet. Weitere sollen folgen. Ministerpräsident Pedro Sánchez sucht aber vor allem Lösungen und finanzielle Hilfen auf europäischer Ebene. Innenminister Fernando Grande-Marlaska ist mehrfach in Herkunftsländer gereist, speziell nach Marokko, Algerien und Mauretanien, um Gespräche zu führen. Allerdings hat er auch betont, die Situation sei bisher „unter Kontrolle“.
„Der Migrationsdruck auf Europa und auf Deutschland wird deutlich zunehmen.“
Roland Voss
Gewerkschaft der Polizei
Die IOM nimmt an, dass die Route über das westliche Mittelmeer eine zusätzliche und keine alternative zu der zentralen Mittelmeerroute von Libyen aus ist. „Es ist aber offensichtlich, dass es Migranten gibt, die schon in ihrem Herkunftsland entscheiden, Marokko (statt Libyen) zu passieren. Vielleicht weil sich herumspricht, wie gefährlich Libyen ist“, sagt IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. Informationen, wonach es zunehmend schwierig ist, über Libyen nach Europa zu kommen, sprächen sich in Windeseile auch in den Herkunftsländern herum, sagt William Spindler, Sprecher des Uno-Flüchtlingshilftswerks UNHCR. Zudem werden die Migrantenströme von Niger aus umgeleitet. Niger ist das südliche Nachbarland von Libyen und Algerien, die Stadt Agadez der Dreh- und Angelpunkt der Migrationsbewegungen in der Region. Statt nach Libyen, wo sich derzeit laut IOM knapp 680 000 Migranten aufhalten, gelangt ein Teil nach Algerien und dann weiter nach Marokko. Der Niger hatte zuletzt die Reise nach Libyen deutlich erschwert, Grenzkontrollen verschärft und das Geschäft der Schleuser vor Ort für illegal erklärt.
„Der Migrationsdruck auf Europa und auf Deutschland wird deutlich zunehmen“, sagt Voss. Es bedürfe daher einer deutlichen Personalaufstockung an allen Binnengrenzen, auch im Saarland. „Bundesinnenminister Horst Seehofer muss endlich damit aufhören, die deutsch-österreichische Grenzregion einseitig zu priorisieren“, so Voss. Dort seien die Migrationszahlen trotz stationärer Kontrollen und eines hohen Personaleinsatzes nämlich rückläufig, während andernorts „empfindliche Sicherheitslücken“bestünden.