Saarbruecker Zeitung

Angebliche­r Anschlag auf Venezuelas Präsidente­n

Der venezolani­sche Präsident bleibt bei einer Explosion unverletzt und erhebt anschließe­nd schwere Vorwürfe. War alles nur inszeniert?

- VON ISAAC RISCO

Der Präsident von Venezuela, Nicolás Maduro, ist nach Regierungs­angaben einem Mordanschl­ag mit Drohnen unverletzt entgangen. Allerdings werden Zweifel an der offizielle­n Version laut.

(dpa) Cilia Flores duckt sich und schaut erschrocke­n in den Himmel – da ahnt man schon, dass irgendwas nicht stimmt. Auf der Bühne unterbrich­t in diesem Moment ihr Ehemann, Venezuelas sozialisti­scher Präsident Nicolás Maduro, seine Rede vor tausenden Soldaten auf einer Straße in Caracas. Dann herrscht für einen Augenblick Chaos. Im Staatsfern­sehen ist eine Explosion zu hören, Soldaten flüchten in Panik, ehe die Übertragun­g abgebroche­n wird. Ein versuchter Bombenansc­hlag gegen Maduro, heißt es kurze Zeit später.

Der Staatschef tritt später unversehrt vor die Kameras und erhebt ungeheuerl­iche Vorwürfe: Sein kolumbiani­scher Kollege, Friedensno­belpreistr­äger Juan Manuel Santos, sei Drahtziehe­r eines Komplotts. „Sie haben versucht, mich zu töten“, sagt Maduro nach dem Vorfall am Samstagabe­nd. Er legt auch nahe, dass Exilvenezo­laner aus den USA beteiligt gewesen seien. „Ich hoffe, Trumps Regierung ist bereit, diese Terrorgrup­pen zu bekämpfen“, poltert er in seiner Ansprache.

Gestern wurden dann nach Behördenan­gaben sechs Menschen festgenomm­en. Dabei seien auch Fahrzeuge beschlagna­hmt worden, zitierte die amtliche Nachrichte­nagentur AVN Innenminis­ter Néstor Reverol. Bei dem Einsatz seien auch Beweise sichergest­ellt worden.

Doch es gibt auch Zweifel an der offizielle­n Version: War es wirklich ein Attentatsv­ersuch? Oder könnte es sich um eine Inszenieru­ng handeln, um im autoritäre­n Krisenstaa­t noch härter gegen Regierungs­gegner vorzugehen?

In Venezuela ist es seit langem nicht einfach, die Wahrheit ausfindig zu machen. Unabhängig­e Journalist­en und Andersdenk­ende werden verschlepp­t, staatliche Medien berichten so gut wie gar nicht über die schwere Versorgung­skrise und über die Sorgen der Hunger leidenden Menschen.

Maduro bezichtigt immer wieder „ultrarecht­e Kreise“der Sabotage und zahlreiche­r Umsturzplä­ne. Der Konservati­ve Santos, der morgen das Amt an seinen Nachfolger Iván Duque in Kolumbien übergibt, war oft das Ziel der Schmährede­n Maduros. Santos ist einer der schärfsten Kritiker des Venezolane­rs. Die Regierung in Bogotá wies die letzten Anschuldig­ungen vehement zurück.

In Venezuela trauen die Menschen ihrer Regierung seit langem nicht über den Weg. Wie in der Region ansonsten nur im Einparteie­nstaat Kuba üblich, stellen die Amtsmittei­lungen die Wirklichke­it so verzerrt dar, dass sie kaum noch ernst genommen werden. Opposition­sgruppen zweifelten jetzt auch an der offizielle­n Attentatsv­ersion. „Wir warnen davor, dass dieses konfuse Ereignis als Ausrede genutzt werden kann, um das verfassung­smäßige Recht des Volkes auf Protest abzuschaff­en“, schrieb die Opposition­splattform Frente Amplio.

Nach dem Zwischenfa­ll kursierten viele Gerüchte. Einige Menschen sprachen über die Explosion eines Gastanks in einem nahe liegenden Gebäude, also über einen Unfall. Die Nachrichte­nagentur AP zitierte Feuerwehrl­eute, die der Anschlagsv­ersion widersprac­hen. Auf der anderen Seite berichtete­n Augenzeuge­n über Verletzte, der Rundfunkse­nder VTV zeigte Bilder eines blutüberst­römten Soldaten auf der Straße. Eine Überprüfun­g der Angaben war nicht möglich.

Zur Unklarheit trug das vermeintli­che Bekenntnis einer bislang unbekannte­n Rebellengr­uppe bei. Die „Soldados de Franelas“(Flanell-Soldaten), die sich als „patriotisc­he Militärs und Zivilisten“bezeichnet­en, gaben sich auf Twitter als Autoren des Drohnenans­chlags aus. „Es ging darum, zwei Drohnen mit (Sprengstof­f ) C4 zum Podest des Präsidente­n zu fliegen, aber Scharfschü­tzen der Ehrenwache schossen die beiden Drohnen ab, bevor sie ihr Ziel erreichten“, hieß es dort. „Wir haben gezeigt, dass sie verwundbar sind, heute ist es nicht gelungen, aber das ist nur eine Frage der Zeit“, schrieb die Gruppe. Alles nur Montage?

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FOTO: VENEZUELAN NATIONAL TELEVISION/AP/DPA TV-Aufnahmen aus Caracas: Während der venezolani­sche Präsident Nicolas Maduro (Mitte) eine Rede hält, reagiert seine Frau auf eine Explosion. Wollte jemand das Staatsober­haupt mit einer Drohne töten?

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