Dienstpflicht würde heute als Willkür empfunden
Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln. Dass die CDU schon wieder über die Wehrpflicht debattiert, grenzt schon ans Unseriöse. Denn die wurde erst 2011 von der Union „ausgesetzt“, angetrieben vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Man brauche bei 180 000 Bundeswehrangehörigen gar nicht so viele Wehrpflichtige, hieß es, man müsse sparen und vor allem könne man die Wehrgerechtigkeit nicht mehr garantieren. Wer gezogen und wer verschont wurde, war tatsächlich immer mehr zur Lotterie geworden.
Sieben Jahr später ist die Lage keine grundlegend andere. Außer, dass mit dem Beschluss von 2011 eine neue Wirklichkeit entstanden ist. Politisch und gesellschaftlich. Politisch, weil die Mehrheit für eine Wehrpflicht dahin ist. Nicht nur dass die SPD, die damals mühsam überzeugt werden musste, kaum wieder umschwenken wird, bloß weil es in der CDU-Grundsatzprogramm-Diskussion an markanten Ideen fehlt, auch die Oppositionsparteien Grüne, FDP und Linke sind in dieser Sache beinhart. Zwar könnte die Wehrpflicht zur Not mit einfacher Mehrheit wieder aktiviert werden; für die nun angedachte allgemeine Dienstpflicht – womöglich auch für Frauen – bräuchte es aber eine Grundgesetzänderung. Und für die ist eine Mehrheit absolut nicht in Sicht.
Entscheidender noch ist die gesellschaftliche Akzeptanz. Es ist ja tatsächlich wünschenswert, dass sich die Menschen für ihr Gemeinwesen einsetzen. Sei es in der Landesverteidigung, sei es im sozialen Bereich. Nur: Die Chance, das durchzusetzen wurde 2010/2011 vertan. Damals gab es ein kurzes Zeitfenster, um darüber zu diskutieren, weil die allgemeine Dienstpflicht genau die Alternative zur Wehrpflicht war. Man hat diese Grundsatzdebatte verpasst, ja geradezu gemieden. Die Aussetzung der Wehrpflicht und Gründung des Bundesfreiwilligendienstes war eine Hauruck-Entscheidung, ohne viel Nachdenken.
Heute würde ein verpflichtendes Dienstjahr als reine Willkür wahrgenommen werden. Das erklärte pädagogische Ziel, die „Bindekräfte in der Gesellschaft“zu stärken, rechtfertigt nicht, alle jungen Menschen für ein Jahr um ihre Ausbildungs- und Berufschancen zu bringen. So groß ist die Not in der Pflege denn doch nicht, auch nicht die äußere militärische Bedrohung des Landes.
Zudem hätte jede Verfassungsklage dagegen durchaus große Chancen. Die Kläger könnten in Karlsruhe darauf verweisen, dass der Staat, statt in ihre Grundrechte einzugreifen, ja nur mehr Geld in die Hand nehmen müsse, um mehr Freiwillige für den Wehr- und den Sozialdienst anzulocken. Und genau das ist die Antwort auf die verspätete Idee eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres: Wer sich für die Gemeinschaft engagiert, sei es in der Landesverteidigung oder im sozialen Bereich, muss nicht nur mehr Anerkennung erfahren, als der, der das nicht tut, sondern auch spürbare Vorteile erhalten. Von der Rente bis zum Studienplatz. Hier ist noch viel Luft nach oben.